Forum PolitikRichtgrößenprüfung ade – und jetzt?

Mit dem Versorgungsstärkungsgesetz weicht die Wirtschaftlichkeitsprüfung regionalen Vereinbarungen. Von manchen Neuregelungen haben sich Ärztevertreter aber mehr erhofft.

Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz wird zum 1. Januar 2017 eine weitere Vereinbarung der Regierungsparteien aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Dort heißt es nämlich: „Wir werden für Arznei- und Heilmittel gesetzlich vorgeben, dass die heutigen Wirtschaftlichkeitsprüfungen bis Ende 2014 durch regionale Vereinbarungen von Krankenkassen und Kassenärztlicher Selbstverwaltung ersetzt werden.“

Konkret wird der mittlerweile auf 21 Absätze und beinahe 3.000 Wörter angewachsene Paragraf 106 SGB V, der gegenwärtig die Wirtschaftlichkeitsprüfungen regelt, künftig auf fünf einzelne Paragrafen verteilt, deren Inhalt wie folgt sein wird:

Die Trennung der Prüfungsarten von ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen in zwei unterschiedliche Vorschriften soll der Tatsache Rechnung tragen, dass in diesen beiden Leistungsbereichen künftig noch mehr als bisher unterschiedliche Prüfungsarten angewendet werden. Die Prüfungsarten zu ärztlichen Leistungen bleiben im Wesentlichen unverändert, die Wirtschaftlichkeitsprüfungen für ärztlich verordnete Leistungen hingegen werden durch regionale Vereinbarungen zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen sowie den Kassenärztlichen Vereinigungen ersetzt.

Diese Vereinbarungen werden zudem schiedsstellenfähig sein. Dabei sind die Vertragspartner der regionalen Selbstverwaltung darin frei, den Besonderheiten vor Ort Rechnung tragen zu können, gleichwohl werden die Vertragspartner auf Bundesebene, also Kassenärztliche Bundesvereinigungen und GKV-Spitzenverband, aufgefordert, bundeseinheitliche Rahmenbedingungen zu vereinbaren.

Der Gesetzgeber setzt für die bundeseinheitlichen Regelungen gegenwärtig eine Frist bis zum 31. Oktober 2015. Sollte bis dahin keine Vereinbarung auf Bundesebene zustande gekommen sein, entscheidet das Schiedsamt gemäß Paragraf 89 SGB V.

Wann greift das Schiedsamt ein?

Inhaltlich gibt der Gesetzgeber fur die Rahmenbedingungen auf Bundesebene vor,

  • dass sie den Mindestumfang der Prüfungen regeln müssen,

  • dass der Grundsatz "Beratung vor Regress" sichergestellt sein muss

  • und die besonderen Verordnungsbedarfe fur die Verordnung von Heilmitteln festgelegt werden mussen.

Kommen regionale Vereinbarungen ganz oder teilweise nicht bis zum 31. Juli 2016 zustande, setzt den Vertragsinhalt ebenfalls das Schiedsamt fest. Eine Klage gegen diese Festsetzung hat keine aufschiebende Wirkung. Bis zum Zustandekommen oder der Festsetzung einer Vereinbarung gilt das alte Recht fort. Verordnungen von Heilmitteln fur Versicherte mit langfristigem Behandlungsbedarf (chronisch kranke Menschen oder Menschen mit Behinderung) sind auch weiterhin von der Wirtschaftlichkeitsprufung ausgenommen; dasselbe gilt fur Verordnungen im Rahmen von Rabattvertragen gemäß Paragraf 130a Abs. 8 SGB V.

Gleiche Behandlung bei Prufung Lediglich klarstellend und damit die derzeitige Praxis bestatigend legt der Gesetzgeber fest, dass Abrechnungsprufungen bezogen auf alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte – unabhängig von ihrem vertragsarztrechtlichen Status – sowie auf alle teilnehmenden Praxen, Medizinischen Versorgungszentren und sonstigen Einrichtungen von der Kassenärztlichen Vereinigung durchzuführen sind. Berücksichtigt werden muss dabei der Umfang des jeweiligen Versorgungsauftrages, das heißt dass etwa in Vollzeit angestellte Ärzte und niedergelassene Ärzte mit vollem Versorgungsauftrag („ganze Zulassung“) bei den Zeitprofilen im Rahmen der Plausibilitätsprüfungen gleich zu behandeln sind.

Fazit

Auf den ersten Blick sind die Neuregelungen zu den Wirtschaftlichkeitsprüfungen zu begrüßen, insbesondere soweit es um den Wegfall der Richtgrößenprüfungen geht: Ob allerdings der Ansatz, die regionalen Gesamtvertragspartner zu beauftragen, eigenständige Lösungen zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit zu finden, eine Verbesserung für die Hausärzte nach sich ziehen wird, bleibt abzuwarten. Bedenken ergeben sich zum Beispiel bei der Rahmenvorgabe „Beratung vor Regress“.

Die Neuregelung, die erst auf „Anregung“ der Ärzteschaft in das Gesetz aufgenommen wurde, bleibt hinter den Erwartungen an eine klare Neuregelung zurück. Denn sie löst nicht die durch die Rechtsprechung aufgeworfene Frage, in welchen Fällen der Grundsatz „Beratung vor Regress“ gilt. Es bleibt zu hoffen, dass hierzu auf der Ebene der Gesamtvertragspartner sachgerechte Lösungen und Antworten gefunden werden. Dies vor allem auch im Hinblick darauf, dass die sogenannte „Regressgefahr“ weiterhin als eines der größten Hemmnisse der Niederlassung von jungen Medizinerinnen und Medizinern, gerade im hausärztlichen Bereich, gilt.

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