Forum PolitikPalliativmedizin: Wie gemeinsam behandeln?

Seit 2007 haben GKV-Versicherte einen Anspruch auf eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung. Sie setzt bei komplexen Fällen auf die allgemeine Versorgung durch Hausärzte auf. Doch in der Praxis muss die Abstimmung untereinander noch besser werden, zeigt eine neue Studie.

Am Lebensende wächst die Bedeutung des Hausarztes bei der Betreuung seiner Krebspatienten. Bei dieser Aufgabe werden Hausärzte von ambulanten Pflegediensten, Teams der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) und Hospizen/Palliativstationen unterstützt.

Zufriedenheit mit Zusammenarbeit

Die Daten der deutschlandweiten Umfrage unter Hausärzten zu „Onkologie in der Hausarztpraxis“ (s. u.) zeigen, dass hinsichtlich der Palliativversorgung noch Verbesserungsbedarf besteht. Hausärzte wurdengefragt: Wie schätzen Sie die Zusammenarbeit mit ambulanten Pflegediensten, Hospizen/Palliativstationen und SAPV ein? In Bezug auf Hospize/Palliativstationen und SAPV geben jeweils ein Fünftel der Ärzte (17,5 und 22,2 Prozent) an, dass der Versorger für sie keine Rolle spielt oder sie die Aussage nicht beurteilen können (Tab. 1). Es ist davon auszugehen, dass es noch nicht flächendeckend Hospize/Palliativstationen und SAPV-Teams gibt. Im Vergleich zu einer Befragung unter Hausärzten in Niedersachsen 2011, bei der nur 68 Prozent der Teilnehmer angaben, SAPV zu kennen [1], zeichnet sich allerdings eine Verbesserung ab.

Die Zusammenarbeit bewerten Hausärzte überwiegend als zufriedenstellend. Dabei schneiden ambulante Pflegedienste am besten ab: 90,7 Prozent der Antwortenden sind mit der Zusammenarbeit mit ambulanten Pflegediensten zufrieden oder eher zufrieden, mit Hospizen/Palliativstationen sind es noch 71,3 Prozent, mit SAPV 64 Prozent. Positiv bewertet werden insbesondere Aspekte wie die zeitnahe Kommunikation (durch ambulante Pflegedienste und Hospize/Palliativstationen), das schnelle Erhalten von Terminen (bei ambulanten Pflegediensten und SAPV) und die kompetente Versorgung (Hospize/Palliativstationen und SAPV).

Am schlechtesten bewerten Hausärzte, dass es für sie keinen persönlichen Ansprechpartner bei Pflegediensten, Hospizen/Palliativstationen und SAPV-Teams gibt. Bei jeweils rund einem Drittel der Befragten ist dies der Fall. Ebenso fühlen sich nur maximal die Hälfte der Hausärzte von Hospizen/Palliativstationen und SAPV-Teams in die Versorgung einbezogen und geben an, dass die Versorgung gemeinsam besprochen wird. Weniger als die Hälfte der Hausärzte fühlen sich durch ambulante Pflegedienste emotional entlastet.

Lücken auf dem Land

Insbesondere bei der spezialisierten Palliativversorgung sprechen einzelne Befragte Probleme in der Kommunikation an. Dies unterstreichen Freitextangaben (kursiv gedruckt) zu der Frage: „Welche konkreten Verbesserungen in der Zusammenarbeit mit genannten Versorgern in den verschiedenen Krankheitsphasen würden Sie sich wünschen?“

Es wird aber auch auf den Mangel an spezialisierter Palliativversorgung, insbesondere im ländlichen Raum, hingewiesen:

  • "Zugang zu Hospizen, Palliativstationen und SAPV muss in meinem Versorgungsgebiet dringend verbessert werden, es gibt nur einzelne wenige Einrichtungen, in denen Tumorpatienten mit behandelt werden können."

  • "Die Einrichtung einer übergreifenden SAPV wird im ländlichen Bereich dringend benötigt."

Fazit für die Praxis

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass für Hausärzte insbesondere die Zusammenarbeit mit ambulanten Pflegediensten zufriedenstellend zu sein scheint. Im Bereich der spezialisierten Palliativversorgung (SAPV, Hospize/Palliativstationen) sollte das Angebot weiter ausgebaut werden, die Kommunikation mit den Hausärzten intensiviert und über Strategien nachgedacht werden, die eine gemeinsame Planung der Behandlung unter Einbeziehung aller beteiligten Versorger im Sinne des Patienten ermöglichen.

Wir danken allen Hausärzten, die uns bei unserem Projekt bislang unterstützt haben, ganz herzlich für ihr Engagement!

Onkologie in der Hausarztpraxis

„Onkologie in der Hausarztpraxis“ ist ein Projekt am Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt am Main, das die Deutsche Krebshilfe finanziert. In 2011 und 2012 wurden qualitative Interviews mit Hausärzten zur Rolle des Hausarztes in der onkologischen Versorgung geführt [1, 7 – 9]. Auf Basis der Ergebnisse, Literaturrecherche und kognitiven Interviews wurde ein Fragebogen erstellt, der Anfang 2015 an 4.500 Hausärzte deutschlandweit verschickt wurde (Rücklaufquote 34 Prozent). 1.428 Fragebögen konnten in die Auswertung einbezogen werden. 60 Prozent der Teilnehmer waren männlich, 51 Prozent in einer Einzelpraxis tätig und die durchschnittliche Berufserfahrung als Hausarzt lag bei 21 Jahren (Spannweite: 0,5 bis 50 Jahre). Die Mehrheit der Hausärzte gab an, aktuell einen bis 30 Krebspatienten zu behandeln. Davon betreuten 41 Prozent einen bis 15 Krebspatienten, ein Drittel (33 Prozent) 15 bis 30 sowie 26 Prozent mehr als 30 dieser Patienten. 16 Prozent der antwortenden Hausärzte gaben an, Fortbildungen zur Palliativmedizin besucht zu haben.

Was heißt AAPV und SAPV?

Allgemeine ambulante Palliativversorgung (AAPV) meint die Betreuung von Menschen am Lebensende im eigenen Zuhause durch ambulante Pflegedienste und niedergelassene Allgemein- und Fachärzte. Die S3-Leitlinie Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung beschreibt, dass die allgemeine palliativmedizinische Versorgung folgende Aufgabenfelder umfasst [6]:

  • "Behandlung von Symptomen und Begleitung bei Problemen niedriger bis mittlerer Komplexität in allen vier Dimensionen (physisch, psychisch, sozial und spirituell)

  • Kommunikation

  • Therapiezielfindung

  • Koordination der Versorgung

  • Einbeziehung von SAPV, wenn indiziert"

Die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) ist ein multiprofessionelles Team mit palliativmedizinisch spezialisierten Pflegekräften, Ärzten und weiteren Fachkräften wie etwa Sozialarbeitern, Psychologen und Seelsorgern, deren Hauptaufgabe die Betreuung von Menschen mit unheilbaren Krankheiten ist. Ein weiteres wichtiges Merkmal ist die 24-h-Verfügbarkeit [6]. Die SAPV kann als Beratungsleistung, Koordination der Versorgung, Teil- oder Vollversorgung erbracht werden. Im Hinblick auf Krebserkrankungen beschreibt die S3-Leitlinie für die spezialisierte Palliativversorgung folgende Aufgaben [6]:

  • "Erfassung der Symptome und Bedürfnisse in allen vier Dimensionen von Patienten und ihren Angehörigen

  • Behandlung von Symptomen und Problemen in allen vier Dimensionen

  • Ressourcenorientierte Unterstützung des Patienten und seiner Angehörigen bei der Therapiezielfindung und der Krankheitsauseinandersetzung

  • Vorausschauende Versorgungsplanung

  • Koordination bzw. Organisation der Palliativversorgung

  • Begleitung in der Sterbephase

  • Rituale des Abschiednehmens und Erinnerns

  • Vermittlung von Trauerbegleitung

  • Unterstützung des primär behandelnden Teams bzw. des Primärbehandelnden."

Seit 2007 hat jeder gesetzlich Versicherte Anspruch auf eine SAPV, wenn er die vom Gemeinsamen Bundesausschuss definierten Voraussetzungen erfüllt [8–10]. Bei der Planung wurde davon ausgegangen, dass etwa zehn Prozent aller Sterbenden SAPV benötigen [11]. SAPV-Richtlinie des GBA: http://bit.ly/1TrMm44

Interview mit Dr. Armin Wunder, Hausarzt in Frankfurt/Main

Sie betreuen manche Patienten zusammen mit einem SAPV-Team. Bitte beschreiben Sie Ihren letzten Fall.

Dr. Armin Wunder: Es handelte sich um eine 54-jährige Patientin mit metastasiertem Mammakarzinom, bei der die Klinik bereits das SAPV-Team organisiert hatte. Die Patientin ist dann entlassen worden und wir haben sie gemeinsam mit dem SAPV-Team bis zu ihrem Tod begleitet.

Wer kann eine SAPV-Versorgung initiieren?

Es gibt zwei Wege. Entweder so, wie gerade beschrieben, dass eine Klinik, die einen meiner Patienten behandelt, es von sich aus in die Wege leitet. Wir selbst arbeiten aber auch mit zwei SAPV-Teams vor Ort zusammen, die wir dann, wenn es nötig ist, aktiv ansprechen. So sind wir also unabhängig von der Palliativstation der Klinik.

Wie gut sind SAPV-Teams aus Ihrer Sicht verfügbar?

Hier in Frankfurt am Main ist die SAPV-Versorgung aus meiner Sicht gut aufgestellt, wir hatten in unserer Praxis noch nie Schwierigkeiten.

Was sehen Sie an der Arbeit mit einem SAPV-Team positiv?

Sehr positiv für mich ist, dass ich Spezialisten an der Hand habe, die einen großen Beitrag dazu leisten, dass die Patienten nicht stationär aufgenommen werden müssen. Denn sie können viele Untersuchungen und Maßnahmen auch ambulant erbringen. Schön ist auch, dass SAPVTeams rund um die Uhr verfügbar sind. Wir als Hausärzte geben zwar auch unsere privaten Handynummern heraus, haben aber festgestellt, dass die Angehörigen eher das SAPV-Team in der Nacht anrufen als uns. In vielen Fällen reicht es aus, seine Nummer herauszugeben, damit sich Patienten und Angehörige abgesichert fühlen. Aber wenn es wirklich mal am Wochenende oder in der Nacht Probleme gibt, sind die SAPV-Teams sehr gut verfügbar.

Wo sehen Sie Verbesserungsbedarf in der Zusammenarbeit?

Für uns kann ich sagen, dass ich keinen Verbesserungsbedarf sehe. Wichtig ist aber, dass die Kommunikation aufrechterhalten wird, damit beide Seiten wissen, was geschieht. Entscheidend ist, dass wir Hausärzte weiterhin die Hausärzte des Patienten bleiben und nicht die ganze Betreuung abgeben, sondern unsere langjährigen Patienten bis zum Schluss begleiten.

Literatur

    1. Schneider N, Engeser P, Behmann M, Kühne F, Wiese B. Spezialisierte ambulante Palliativversorgung. Schmerz 2011; 25: 166–173
    1. Dahlhaus A, Behrend J, Herrler C, et al. Abwägungssache: der hausärztliche Umgang mit gesetzlich empfohlenen Krebsfrüherkennungsuntersuchungen. ZFA – Zeitschrift für Allgemeinmedizin 2013; 89: 267–271
    1. Dahlhaus A, Siebenhofer A, Guethlin C. Complementary medicine for cancer patients in general practice: qualitative interviews with german general practitioners. Forsch Komplementmed 2015; 22: 36–41
    1. Dahlhaus A, Vanneman N, Guethlin C, Behrend J, Siebenhofer A. German general practitioners’ views on their involvement and role in cancer care: a qualitative study. Fam Pract 2014; 31: 209–214
    1. Dahlhaus A, Vanneman N, Siebenhofer A, Brosche M, Guethlin C. Involvement of general practitioners in palliative cancer care: a qualitative study. Support Care Cancer 2013; 21: 3293–3300
    1. Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin, AWMF. S3-Leitlinie Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung. http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/128-001OLl_S3_Palliativmedizin_2015-07.pdf (letzter Zugriff am: 18.05.2016)
    1. Gemeinsamer Bundesausschuss. Richtlinie zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung. https://www.g-ba.de/downloads/62-492-437/SAPV-RL_2010-04-15.pdf (letzter Zugriff am: 18.05.2016)
    1. Paragraf 132d SGB V Spezialisierte ambulante Palliativversorgung
    1. Paragraf 37b SGB V Spezialisierte ambulante Palliativversorgung
    1. Gemeinsamer Bundesausschuss. Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Früherkennung von Krebserkrankungen (Krebsfrüherkennungs-Richtlinie / KFE-RL). https://www.g-ba.de/downloads/62-492-950/KFE-RL_2014-07-24.pdf (letzter Zugriff am: 15.12.2015)
    1. Alt-Epping, PD Dr. med. Bernd, Nauck F. Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV). Bundesgesundheitsbl.; 58: 430–435

Interessenkonflikte: keine

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