Kaum verabschiedet, wird an der Musterweiterbildungsordnung (MWBO) schon wieder geschraubt. So wird eine neue Facharzt-Weiterbildung “Innere Medizin und Infektiologie” (s. Kasten unten) aufgenommen, wie die Delegierten des 124. Deutschen Ärztetags am Mittwoch (5. Mai) entschieden haben. 130 stimmten dafür, 89 dagegen, acht Teilnehmer enthielten sich.
Der Abstimmung vorausgegangen war eine hitzige Diskussion mit langer Rednerliste. Kritiker des neuen Facharzttitels hatten angeführt, dass die Infektiologie aktuell zwar berechtigterweise im Rampenlicht stehe, die Forderung nach einem eigenen Facharzt jedoch vor allem der Corona-Pandemie geschuldet sei. Darüber hinaus warnten einige Delegierte vor einem Abzug infektiologischer Kompetenz aus anderen Fachgebieten und damit dem Entstehen eines neuen „Flaschenhalses“.
Laut dem Beschlussantrag jedoch besteht derzeit eine „strukturelle Unterversorgung insbesondere bei schweren und komplikativ verlaufenden Infektionskrankheiten“. Diese Lücke soll der neue Facharzt schließen.
“Erstaunlich” schneller Wunsch nach Änderungen
Dabei ist der Facharzttitel für Infektiologie nur das prominenteste, nicht jedoch das einzige Beispiel für ein Nachjustieren an der erst 2018, nach langer Abstimmung verabschiedeten MWBO. Unter anderem wurde am Mittwoch außerdem der Weiterbildungsinhalt “Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit” aufgenommen (176 von 217 Stimmen).
Dass quasi umgehend nach der MWBO-Verabschiedung erste Änderungsanträge eingegangen seien, sei „erstaunlich“ gewesen, sagte Prof. Henrik Herrmann, Vorsitzender der Ständigen Konferenz “Ärztliche Weiterbildung” in der BÄK, am Mittwoch vor der Debatte des Tagesordnungspunktes.
Bis heute seien rund 30 Anträge eingegangen, die jedoch nicht alle in einem Rutsch zu entscheiden seien. Vielmehr habe die Kommission in drei Kategorien je nach Dringlichkeit eingeteilt. Der „Themenspeicher“ reiche von den ersten, am Mittwoch entschiedenen Anträgen bis hin zu langfristigeren Anträgen mit einem Zeithorizont von zwei bis drei Jahren.
Hausärzte kritisieren Flickenteppich
Dabei ist die MWBO Stand heute gerade mal in 13 der 17 Landesärztekammern umgesetzt, die übrigen werden laut Herrmann noch 2021 folgen.
In der Umsetzung beobachte man nur „kleinere Unterschiede“, etwa in Richtzahlen oder auch Übergangsbestimmungen, führte Herrmann aus. Bei genauerem Hinsehen jedoch zeigt sich der vom Deutschen Hausärzteverband vielfach kritisierte „Flickenteppich“ in der Umsetzung auch an bedeutenderen Stellen: So ist die Zusatzbezeichnung Homöopathie etwa nur in einigen Kammern übernommen worden; das E-Logbuch sei wahlweise Pflicht oder freiwillig anzuwenden, so Herrmann.
Der BÄK-Vorstand hatte empfohlen, die Gesamtnovelle eins zu eins in Landesrecht umzusetzen. „Bei allem Respekt vor der föderalen Struktur brauchen junge Kollegen eine klare und einheitliche Weiterbildungsordnung, ohne regionale Sonderwege“, hatte auch Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, im Prozess der Umsetzung kritisiert.
Ein nun jährliches Nachjustieren an der MWBO dürfte die Situation noch verschärfen: Denn die MWBO ist nur “Richtschnur” für die Landesärztekammern. Sie müssen die Änderungen dann jeweils noch in eigenes Landesrecht umsetzen, damit die vom Ärztetag beschlossenen Änderungen an der MWBO wirksam werden. An der Umsetzung der MWBO selbst zeigt sich, dass dies mitunter zu deutlichen Unterschieden und Verzögerungen führen kann.
E-Logbuch: Gut gedacht, schwach umgesetzt?
Gerade beim E-Logbuch wird die Notwendigkeit dieser Einheitlichkeit deutlich – war doch eine Grundidee, gerade an Landesgrenzen den Wechsel der Weiterbildungsstätte ohne bürokratische Brüche zu ermöglichen. Laut Herrmann wird es aktuell in zehn Kammern verwendet.
Dr. Carsten Mohrhardt (Baden-Württemberg) kritisierte neben anderen Delegierten, dass das E-Logbuch nicht auf dem Smartphone anzuwenden sei. Sein Antrag, das E-Logbuch in einem “responsive design” für gängige Mobilgeräte mit App-Anbindung und “Offline-Modus” weiterzuentwickeln, wurde an den Vorstand überwiesen.
MWBO-Anpassungen nur einmal jährlich
Ebenfalls befassen soll sich der Vorstand laut abgestimmten Anträgen mit einer „bundesweit einheitlichen und ausreichenden Finanzierung der Weiterbildungsstellen“ sowie einer „bundeseinheitlichen Evaluation der Weiterbildung“, etwa alle zwei Jahre.
Darüber hinaus wird ein Thema der Zukunft sein, welche Rolle “online” künftig auch an anderen Stellen der Weiterbildung spielen wird, so Dr. Johannes Albert Gehle. 23 Muster-Kursbücher – also methodische Empfehlungen für die Weiterbildung – seien erstellt worden, “Pandemie-bedingt mit einem hohen Anteil an Online-Kursen”. Erst nach dem Ende der Pandemie werde sich entscheiden, ob dies beibehalten werde.
Die MWBO wird nur einmal im Jahr angepasst, jeweils kurz nach dem Deutschen Ärztetag zum 30. Juni. Folglich werden auch in den kommenden Jahren wohl regelhaft weitere Änderungsanträge entschieden.