Neues MedizinstudiumPraxisbezug ab Tag eins

Der jüngst vorgelegte Arbeitsentwurf für eine neue Approbationsordnung zeigt, wie praxisnah das Medizinstudium werden soll. Bis Ende Januar konnten Verbände wie der Deutsche Hausärzteverband Stellung nehmen. Eine Übersicht, was für die Allgemeinmedizin im Entwurf steckt.

Ein Blick in die – nicht allzu ferne – Zukunft: Auch “ganz alltägliche Erkrankungen” lernen Medizinstudierende “in der ambulanten und stationären Praxis kennen”, klinische und theoretische Studieninhalte sind von Tag eins des Studiums eng verknüpft, Datennutzung und digitale Anwendungen Teil der Ausbildung angehender Ärzte. Das zumindest sieht ein jüngst vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegter Arbeitsentwurf für eine neue Approbationsordnung vor. Entscheidendes Ziel: mehr Praxisnähe.

Der Arbeitsentwurf ist Basis einer der wichtigsten politischen Diskussionen zum Jahresstart. Bis Ende Januar konnten die Medizinischen Fakultäten, die Bundesvertretung der Medizinstudierenden sowie Verbände wie der Deutsche Hausärzteverband ihre Einschätzung zu dem Entwurf abgeben. In den kommenden Wochen wird das Ministerium wohl einen Referentenentwurf vorlegen, die parlamentarischen Beratungen sollen dann zeitnah starten, hieß es zuletzt aus dem Ministerium. Angepeilt werde ein Inkrafttreten zum 1. März 2020.

Pünktlich zum Umblättern des Kalenderblatts nehmen damit weite Teile des Masterplans Medizinstudium 2020 Formen an. Denn: Im Arbeitsentwurf für die neue Studienordnung, die zuletzt 2002 überarbeitet wurde, findet sich fast die Hälfte der 37 Maßnahmen, die im Masterplan zu finden sind. “Erfreulich ist, dass unsere Vorschläge offensichtlich aufgenommen werden und die Richtung stimmt”, sagt Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands, der seit Bekanntwerden des Masterplans im Frühjahr 2017 wiederholt dessen schnelle Umsetzung angemahnt hatte. “Allerdings entsprechen die bisherigen kleinen Schritte nicht dem erforderlichen Tempo, um die hausärztliche Versorgung für die Zukunft zu sichern. Dass die neue Approbationsordnung erst in fünf Jahren umgesetzt werden soll, geht vollkommen an der Versorgungsrealität vorbei.”

Allgemeinmedizin verankert

Insbesondere Lehrinhalte aus der Allgemeinmedizin werden mit der Reform des Medizinstudiums aufgestockt und longitudinal, also entlang der gesamten Studiendauer, integriert. Zu den Kompetenzen, die ausdrücklich über mehrere Leistungsnachweise hinweg geprüft werden, gehören

  • ärztliche Gesprächsführung,
  • medizinisch-wissenschaftliche Fertigkeiten,
  • interprofessionelle Kompetenzen,
  • Allgemeinmedizin.

Dafür wird das bisher einmalige Blockpraktikum in der Allgemeinmedizin über zwei Wochen in eine dauerhaft verankerte Unterrichtsform transformiert. Als Gesamtumfang sind nun acht Wochen vorgesehen. Die in der bisherigen Approbationsordnung geplante vierwöchige Famulatur in einer Hausarztpraxis entfällt dafür. Die Blockpraktika beginnen bereits im zweiten Semester und sollen “einen engen studentischen Bezug zur hausärztlichen Patientenversorgung ab Beginn des Studiums” gewährleisten. Maximal zwei Lehrpraxen sollen die Studierenden wählen, um eine enge Beziehung zu den Lehrärzten und die Beobachtung schon bekannter Patienten zu ermöglichen.

Mehr Struktur für das PJ

Außerdem wird das Praktische Jahr (PJ) von derzeit drei Tertialen auf vier Quartale umgestellt. Zu den Pflichtquartalen Innere Medizin und Chirurgie kommen zwei Wahlquartale. Eines davon muss in der Allgemeinmedizin oder in einem anderen “klinisch-praktischen Fachgebiet vollständig im ambulanten vertragsärztlichen Bereich” geleistet werden. Hierfür ist ausdrücklich eine Lehrpraxis vorgesehen. Dagegen ist es nicht möglich, dieses Quartal in einer Hochschulambulanz zu absolvieren. Beim anderen Wahlquartal kann der Ort – ambulant oder stationär – frei gewählt werden.

“Den verpflichtenden, in einer Praxis abzuleistenden Teil des PJs haben wir gegen massive Widerstände aus den Reihen des Ärztetags, aber auch der Studierenden erkämpft”, betont Hausärzte-Chef Weigeldt. “Am sinnvollsten ist es, diesen Abschnitt in der hausärztlichen Praxis zu absolvieren, denn alle anderen Fächer sind auch im stationären Teil zu erfahren.” Nicht zuletzt werde mit der neuen Struktur der Ambulantisierung der Medizin insgesamt Rechnung getragen, meint auch die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM). Möchten Studierende das PJ in Teilzeit mit 50 oder 75 Prozent absolvieren, soll dies möglich sein. Die Gesamtdauer der Ausbildung verlängert sich dann entsprechend.

Die Universitäten sollen künftig explizit einen Ausbildungsplan (“Logbuch”) ausstellen, nach dem die praktische Ausbildung im PJ an den Lehrkrankenhäusern stattfinden muss. Den Forderungen der Medizinstudierenden entsprechend soll das Logbuch auf diese Weise das PJ stärker strukturieren – vergleichbar mit dem neuen E-Logbuch für die Weiterbildung. So soll es im Studium beispielsweise auch Vorgaben für strukturierte Ausbildungsgespräche, eine Mindestzahl an arbeitsplatzorientierten Prüfungen sowie eine Mindestzahl an Patientenvorstellungen bei Visiten auf der Station enthalten.

Engagierte Praxen gefragt

Dieses geplante Mehr an Praxisnähe wird dabei wohl nur mit Hilfe von mehr allgemeinmedizinischen Lehrpraxen möglich sein. Ihre Rekrutierung dürfte daher eine zentrale Herausforderung in der Umsetzung sein. “Die bürokratischen Vorgaben dürfen dabei kein hinderliches Ausmaß annehmen – wichtig ist das Kennenlernen der Versorgungsrealität in der Praxis”, unterstreicht Weigeldt. Essenziell ist aus Sicht des Deutschen Hausärzteverbands, dass der in den Praxen entstehende Aufwand durch die Ausbildung des medizinischen Nachwuchses entsprechend vergütet wird. Ebenso könnten finanzielle Anreize dafür sorgen, dass Studierende ihr PJ auch in eher ländlichen oder strukturschwachen Regionen absolvieren.

Aktuell gibt es laut DEGAM im Mittel 163 Lehrpraxen pro universitärem Standort; je nach Studierendenzahl variieren die Zahlen zwischen 50 und 384 Lehrpraxen. Ein Beispiel: Die KV Sachsen listet für das gesamte Land aktuell 108 Lehrpraxen – bei 560 Medizinstudierenden pro Jahrgang.

“Angesichts der Ausweitung werden überall – je nach Standort mehr oder weniger – zusätzliche engagierte Lehrpraxen benötigt”, erklärt Prof. Ferdinand Gerlach, Direktor des Frankfurter Instituts für Allgemeinmedizin und Vorsitzender des Sachverständigenrats, gegenüber “Der Hausarzt”. Auch er erinnert daher an die Notwendigkeit “zusätzlicher personeller bzw. finanzieller Ressourcen”. Erfreulicherweise seien viele Hausarztpraxen bereit, sich in der Ausbildung zu engagieren.

Fazit

  • Nach dem jüngst vorgelegten Arbeitsentwurf für eine neue Approbationsordnung wird in den kommenden Wochen wohl ein Referentenentwurf für eine Reform des Medizinstudiums entsprechend des Masterplans Medizinstudium 2020 folgen.
  • Zentrale Ziele sind eine stärkere Praxisorientierung im Studium sowie eine Verankerung der Allgemeinmedizin von Anfang an.
  • Dafür werden wohl auch mehr allgemeinmedizinische Lehrpraxen benötigt. Zusätzliche personelle oder finanzielle Ressourcen sind dafür notwendig, waren bei Redaktionsschluss jedoch noch nicht im Entwurf vorgesehen.
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