Dresden.Nach Ministeriumsangaben gibt es aktuell knapp 7.400 ambulante und etwa 9.500 in Krankenhäusern tätige Ärzte. Angesichts eines Durchschnittsalters von 54,1 Jahren der rund 2.600 Hausärzte droht in 27 von 47 Regionen des Freistaates jedoch eine Unterversorgung. Besonders betroffen sind das Vogtland, Erzgebirge, Mittel-, Nord-, West- und Ostsachsen. Laut Gesundheitsministerin Barbara Klepsch (CDU) fehlen aktuell 255 Hausärzte und die Zahl der offenen Stellen werde noch zunehmen.
Einer der Gründe für die ausgezehrte Lage: Das Verhalten künftiger Mediziner verändert sich: „Vor einigen Jahren war das Verhältnis von Männern und Frauen 50:50, heute sind 70 Prozent der Studenten weiblich“, so Klepsch. Junge Ärztinnen bekämen Kinder, pausierten und arbeiteten danach oft in Teilzeit. Und auch bei ihren männlichen Kollegen habe die Vereinbarkeit von Beruf und Familie einen höheren Stellenwert. „Wir rechnen künftig mit zwei Ärzten auf einer Stelle.“
Fachliche Eignung soll stärker zählen
Angesichts des wachsenden Ärztemangels regt die Ministerin einen weniger strengen Zugang zum Medizinstudium an. „Wir brauchen mehr Studienplätze und es muss eine gewisse Öffnung beim Numerus clausus geben, denn an Nachfrage mangelt es nicht“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Auf einen Studienplatz kommen nach Ministeriumsangaben zehn Bewerber. Klepsch sieht hier die Basis, neu anzusetzen. „Es muss eine andere Gewichtung bei der Studienplatzvergabe erfolgen“, fordert die CDU-Politikerin. Neben der Abiturnote sollten auch soziale Komponenten bei der Auswahl künftiger Mediziner von den Universitäten berücksichtigt werden. Der neue Hochschulstaatsvertrag könne nach Klepschs Vorstellungen zugleich im Interesse der Versorgung genutzt werden.
Damit stellt sich das sächsische Ministerium in Teilen gegen den bisher auf bundeseben diskutierten Entwurf zum neuen Staatsvertrag. Dieser sieht vor, den Numerus Clausus noch stärker in den Fokus zu stellen. Statt bisher 20 Prozent sollen künftig 30 Prozent aller Studienplätze anhand der Noten vergeben werden. Experten erhoffen sich von der Anhebung eine Effizienzsteigerung. Gute Abiturnoten seien ein Indikator für Fleiß und gute kognitive Fähigkeiten – beides Voraussetzungen, um das Medizinstudium erfolgreich abzuschließen und die Abbrecher-Quote gering zu halten.
Alter Wein in neuen Schläuchen?
Auch Befürworter sehen in dem Vorstoß der Ministerin wenig innovatives Potential. So äußerte der Erik Bodendieck, Präsident der Sächsischen Landesärztekammer, die Idee, Medizinstudiumsplätze auch anhand von Berufserfahrung im Medizinbereich zu vergeben, sei nichts Neues. Vielmehr bestünde die Möglichkeit einer flexiblen Studienplatzvergabe seit Jahren. „Die Fakultäten hatten schon immer die Chance, 60 Prozent der Studenten auszuwählen“, so Bodelsiek im Mitteldeutschen Rundfunk (MDR). „Als Krankenschwester, als Krankenpfleger bekamen sie auch eine Studienzulassung, wenn sie kein Abitur hatten“, so Bodendieck.
Eben diese Quote von 60 Prozent sieht auch der neue Staatsvertrag vor.
Neu hingegen soll die „zusätzliche Eignungsquote“ eingeführt werden. Unabhängig von den Abiturnoten sieht der neue Staatsvertrag vor, künftig 10 Prozent der Studienplätze nicht nur (aber auch) nach Wartezeit zu vergeben, sondern auch darüber, ob in dieser Zeit Erfahrungen in medizinischen Berufen gesammelt worden ist.
Mehr Studenten, mehr Bindung
Die Ministerin will auch eine Aufstockung der Zahl der Studienplätze um 50 – ein entsprechendes Modellprojekt für einen Medizinstudiengang in Chemnitz werde vorbereitet. Die Entscheidung des Bundes über eine Förderung werde noch in diesem Jahr erwartet.
„Ich plädiere dafür, eine Landarzt-Quote einzuführen“, sagte Klepsch. Diese könne maximal 7,6 Prozent der Studienplätze erfassen. „Damit hätten wir die Möglichkeit, innerhalb des Rahmens für rund 40 Ärzte je Jahrgang klar zu definieren, dass sie in den ländlichen Raum gehen, und dafür bei der Studienplatzvergabe bevorzugt berücksichtigt werden.“ Das zu diesem Zweck 2008 ins Leben gerufene Stipendienprogramm zeitigt nach Klepsch erste Erfolge. Knapp 100 Studenten werden derzeit gefördert. Die ersten fünf gingen im letzten Jahr in die Praxis. „Die, die hier studieren, sollen auch hier praktizieren.“, so die Ministerin.
Mit Material von dpa/sn