Tumorausbreitung per Zieladresse: Zu Beginn der Metastasenbildung senden Tumore Kundschafter aus, berichten Forscher im Fachblatt „Nature“ (doi: 10.1038/nature15756). Diese Exosome sind abgeschnürte Ausstülpungen der Krebszellmembran, in denen Proteine, Lipide und Nukleinsäuren eingeschlossen sind. Sie sollen für die Krebsausbreitung geeignete Gewebe aufspüren und für die spätere Ankunft der Krebszellen vorbereiten. „Unsere Resultate zeigen, dass es eine Art Etikett mit Zieladresse auf der Oberfläche der Exosome gibt. Das bewirkt, dass sie nur ganz spezielle Organe ansteuern und sich dort ansammeln, wo später Metastasen entstehen“, sagt Héctor Peinado vom Weill Cornell Medical College in New York.
Die Mediziner gingen der Frage nach, warum verschiedene Tumoren ganz unterschiedliche Organe als Ort für Metastasen bevorzugen. Für ihre Untersuchungen nutzten sie 20 Zellkulturen neun verschiedener Tumorarten, von denen bekannt war, dass sie entweder in Leber, Lunge, Gehirn oder Knochen Tochtergeschwülste erzeugen. Sie ermittelten, wie sich die Exosome jeder Zellkultur in der Zusammensetzung der Proteine unterschieden. Als besonders wichtig erwiesen sich dabei die Integrine – Glykoproteine der Zellmembran, die als Andockstellen Verbindungen zu anderen Zellen herstellen und so Signale übertragen können. Die Forscher konnten nachweisen, dass Exosome mit einer bestimmten Kombination von Integrinen bevorzugt an Zellen der Lunge andocken, während Integrine anderer Exosome das Anheften an Leberzellen begünstigen.
Demnach ließe sich an der Art der Integrine die Adresse ablesen, die Exosome ansteuern, um Metastasen „den Boden zu bereiten“. Das bestätigten die Wissenschaftler im Tierversuch, indem sie durch Injektion bestimmter Exosome den Ort der Metastasenbildung für einen Tumor veränderten. Daraufhin breiteten sich beispielsweise Tumoren, die normalerweise Knochenmetastasen erzeugten, stattdessen in den Lungen aus.
Durch Analyse der Integrine von Exosomen im Blut von Tumorpatienten ließ sich erkennen, in welchen Organen mit Metastasen gerechnet werden muss. Weitere Untersuchungen ergaben, dass nach dem Andocken von Exosomen an Zellen des Zielortes Entzündungsprozesse und andere Veränderungen im Gewebe ausgelöst werden, die für das Wachstum von Krebszellen vorteilhaft sind. Wenn es gelingt, die Integrine durch Medikamente zu blockieren, könnte die Ausbreitung eines Tumors auf andere Organe erschwert werden.
Quelle: Wissenschaft aktuell