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Forum PolitikKorruptionsgesetz – eine Effizienzbremse?

Das Anti-Korruptionsgesetz hat eigentlich nicht viel für Ärzte geändert. Denn was nun das Strafgesetzbuch untersagt, war zuvor bereits verboten. Trotzdem stiftet es in der Praxis viel Verunsicherung.

Eigentlich hätte es das Korruptionsgesetz gar nicht gebraucht, meinte der Jurist Dr. Rainer Hess, einst unter anderem Hauptgeschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses, auf dem 16. Europäischen Gesundheitskongress Mitte ­Oktober in München. Alles, was darin den Ärzten verboten wird, war ihnen auch vorher schon nicht gestattet. Das war aber nicht im Strafgesetzbuch geregelt, sondern etwa in der ­Berufsordnung oder dem Kassenarztrecht.

Das Gesetz ist jetzt ein Jahr in Kraft, aber wir wissen immer noch nicht genau, wie es sich auswirkt, erklärte Hess. Es müsse immer der einzelne Fall geprüft werden. Die Frage sei auch, wie die verschiedenen Regelungen abzugrenzen seien. Wenn es sich um Kleinigkeiten handele, müsste die Staatsanwaltschaft die Sachen an die Ärztekammern abgeben. Bis zu einer Größenordnung von 50.000 Euro können die Berufsgerichte tätig werden. Darüber hinaus, auf jeden Fall bei schwerstwiegenden Fällen, sei an den Staatsanwalt abzugeben.

Zwickmühle für Ärzte

Das neue Strafrecht wertet Hess als einen sehr starken Eingriff in die ärztliche Unabhängigkeit. Die geltenden berufs- und disziplinarrechtlich vorgesehenen Sanktionen hätten dem Gesetzgeber wohl nicht ausgereicht. Dabei sind die Ärzte allerdings in eine Zwickmühle geraten. Die berufliche Zusammenarbeit von Ärzten mit anderen Ärzten oder Einrichtungen des Gesundheitswesens ist ja auch vom Gesetzgeber gewollt. Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände kann die Honorierung der ärztlichen Leistungen nicht den Verdacht begründen, dass eine Unrechtsvereinbarung vorliegt.

Anders sehe es aus, wenn das Entgelt nicht dem Wert der erbrachten heilberuflichen Leistung in wirtschaftlich angemessener Höhe nachvollziehbar festgelegt ist und eine verdeckte Zuweisungsprämie enthält.

Um jeden Verdacht zu vermeiden, rät Hess: Solche Verträge niemals im Geheimen abschließen, sondern offen und transparent.Der Staatsanwalt dürfe nicht glauben, hier würden am Patienten vorbei Zahlungen ­geleistet. Als Anwendungsfälle dieser Art nannte er:

Konflikte sieht Hess beispielsweise in der Konstruktion des „Honorararztes“. Diese am Krankenhaus beschäftigten ­Vertragsärzte hätten in Deutschland nach wie vor eine zwitterhafte Stellung. Paragraf 2 Abs. 3 des Krankenhaus-Entgeltgesetzes habe die Hürden beseitigt und dem Honorararzt im Leistungsrecht des Krankenhauses einen festen Stellenwert zugewiesen. Auch ambulante Operationen können durch niedergelassene Ärzte im Krankenhaus ausgeführt werden.

Kritisch ist die Frage, was eine angemessene Vergütung für die Tätigkeit im Krankenhaus ist. „Das ist ein Problem für uns Juristen“, sagte Hess. „Wo ist die Grenze zum Übermaß?“ Die Krankenhäuser kündigen zurzeit solche Verträge, hat er festgestellt.

Jetzt ist es gestattet, halbtags im Krankenhaus und halbtags in einem MVZ zu arbeiten. Das sei durchaus sinnvoll, wenn man einen Patienten auch im Krankenhaus weiterbehandeln will. Ein Problem seien jedoch unnötige Einweisungen. Da komme schnell der Verdacht einer Strafbarkeit auf. Das Verfahren belaste den Arzt sehr in seiner Berufsausübung, so dass mancher schon seine Tätigkeit eingestellt habe. Hess warnte allerdings davor, diese Verträge jetzt zu kündigen. „Die Ärzte müssen die Klärung durchstehen.“ Die Frage der angemessenen Vergütung ist nicht einfach zu beantworten. Hess empfiehlt:

  • Für eine erbrachte Einzelleistung kann eine Vergütung auf der Grundlage der GOÄ vereinbart werden.

  • Für pauschalierte Vergütungen kann das Gehalt eines Oberarztes oder die Kalkulationsgrundlage des INEK herangezogen werden.

  • Eine transparente Vergütungsregelung ist sehr zu empfehlen.

Extrem unglücklich empfindet die auf das Medizinrecht spezialisierte Münchner Rechtsanwältin Prof. Ute Walter die sehr weit gefasste Beschreibung des Tatbestands im Strafgesetzbuch und die Strafverschärfung bei besonders schweren Fällen. Das führe zu einer Verunsicherung der Akteure. Eine schnelle höchstrichterliche Klärung sei leider nicht in Sicht. Für Rechtsanwälte sei die Regelung eher ein Glücksfall. Der Prüfungsbedarf sei exponentiell gestiegen.

Als Auslöser für einen Anfangsverdacht nannte die Anwältin beispielhaft:

  • Umgehungskonstrukte aller Art, etwa ein an sich unnötiger Strohmann oder eine Firmenkonstruktion

  • Verschleierung, Heimlichkeiten, anders „leben“ als geschrieben steht

  • fehlende Angemessenheit

  • kein plausibler Grund für die Zuwendung.

Um einen Verdacht gar nicht erst aufkommen zu lassen, führte Juristin Walter einige konkrete Vorsichtsmaßnahmen an:

  • Einhaltung der wettbewerbs-, sozial- und berufsrechtlichen Vorgaben

  • Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung

  • Trennung von ärztlicher Leistung und ­Zuwendung

  • Transparenter Finanzfluss

  • Dokumentation aller Formen der Zusammenarbeit

Sicherzustellen ist, ob die gelebte Praxis und der offizielle Inhalt des Vertrags deckungsgleich sind. Die Regelungen sind mit der Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung abzugleichen. Es müssen klare Regeln für die Mitarbeiter hergestellt werden. Notfalls sind Korrekturmaßnahmen am Vertrag vorzunehmen. Bestehen noch Fragen, sollte man sie öffentlich machen, etwa durch eine parlamentarische Anfrage, oder gegenüber der Bundesärztekammer und der Landesärztekammer, der KBV und der DKG sowie den ärztlichen Berufsverbänden.

Um einen Kooperationsvertrag wasserdicht zu machen, empfiehlt die Juristin, das Verhältnis zwischen Entgelt und Leistung zu klären, die Beziehung zwischen Vorteilsgeber und -nehmer offenzulegen, die Höhe und das Ausmaß des Vorteils zu umschreiben, Transparenz herzustellen, durch eine plausible Erklärung eine unlautere Bevorzugung zu widerlegen und die vorgeschriebenen Verfahren einzuhalten.

Quelle: 16. Europäischer Gesundheitskongress, München, 12.-13. Oktober 2017

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