Unter 55-Jährige haben ein 1,7- bis 4,1-fach höheres Risiko an Darmkrebs zu erkranken, wenn mindestens ein Verwandter ersten Grades selbst erkrankt ist oder war – verglichen mit Gleichaltrigen ohne Darmkrebs in der Familie. Unklar ist aber, ob diese Gruppe von einem Screening vor dem 55. Lebensjahr profitiert. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das diese Frage erneut für den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) untersuchen sollte [1]. Es fehlt nach wie vor an aussagekräftigen Studien, um die Frage nach Nutzen und Schaden eines flexibleren Screenings beantworten zu können, stellt das Institut fest. Es rät daher dem G-BA, die Einführung eines risikoadaptierten Screenings "sorgsam abzuwägen".
Die Wissenschaftler fanden zwar zwei neue Studien seit ihrem ersten Report aus 2013, die Ergebnisse seien für die Frage aber nicht verwertbar. Beide untersuchten, ob Kolorektalkarzinome und fortgeschrittene Adenome bei Personen mit familiärem Darmkrebsrisiko seltener auftreten, wenn bestimmte Screening-Maßnahmen eingesetzt werden: Die FACTS-Studie prüfte, ob es bei der Koloskopie einen Unterschied macht, wenn diese Untersuchung nach drei oder erst nach sechs Jahren wiederholt wird. Die COLONFAM-Studie verglich die Koloskopie mit dem immunologischen Stuhltest (iFOBT).
Seit Januar 2017 haben gesetzlich Versicherte zwischen 50 und 54 Jahren jährlich Anspruch auf einen iFOBT zur Darmkrebsfrüherkennung und bei auffälligem Befund auf eine Koloskopie. Zudem können gesetzlich Versicherte ab 55 Jahren sich für eine Darmspiegelung entscheiden. Danach haben sie bei unauffälligem Befund Anspruch auf eine weitere nach zehn Jahren. Der G-BA erwägt derzeit, die festen Altersgrenzen für dieses Screening aufzuheben. So könnte in gefährdeten Personengruppen früher oder häufiger eine Untersuchung angeboten werden (risikoadaptiertes Screening).
Laut Robert Koch-Institut (RKI) betrifft nur jeder Zehnte Darmkrebsfall einen Deutschen unter 55 Jahren, die Mehrheit erkrankt erst ab 70 Jahren [2]. Seit 2002 die Koloskopie zur Früherkennung eingeführt wurde, sinken laut RKI die altersstandardisierten Erkrankungsraten. Das kumulative Erkrankungsrisiko sinkt nach Krebsregisterdaten besonders ab 55 Jahren (Männer: minus 17-20 Prozent; Frauen minus 21-26 Prozent) [3]. Während es bei den Frauen unter 55 um 14 Prozent steigt (Männer: minus drei Prozent). Insgesamt sterben in den letzten zehn Jahren aber ein Fünftel weniger Frauen und Männer in Deutschland an Darmkrebs. Dies sei auf die Koloskopie zur Früherkennung und verbesserte Therapien zurückzuführen, so das RKI. Entscheidend sind auch anderweitige Koloskopien wie zur Abklärung, so Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums [3], die in vielen Altersgruppen doppelt so häufig erfolgten wie Vorsorgekoloskopien. Die Lücke zwischen steigender Inzidenz bei Frauen unter 55 und sinkender Sterblichkeit sei durch Therapiefortschritte zu erklären.
Quellen:
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- IQWiG Rapid Report. Darmkrebsfrüherkennung bei Personen unter 55 Jahren mit familiärem Risiko – Aktualisierung. Stand 24.4.2018
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- RKI. Darmkrebs: Früh erkannt – Gefahr gebannt!? März 2017, online: hausarzt.link/eoMo9 25.5.18
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- Brenner H et. al. Rückgang der Inzidenz und Mortalität von Darmkrebs in Deutschland. Dtsch Arztebl Int 2016; 113(7): 101-6; DOI: 10.3238/arztebl.2016.0101