Essen. Dass Ärztinnen und Ärzte bei vielen Gesetzen, die die Gesundheit tangieren, nicht involviert sind, war eines der großen Themen des Leitantrags „Partizipation vor Planung – Praxischeck vor jeder Reform“, mit der sich die Delegierten beim 127. Deutschen Ärztetag am Dienstag (16.5.) beschäftigten.
Um in Zukunft mehr Mitsprache zu gewährleisten, fordert der Vorstand der Bundesärztekammer (BÄK) in seinem Leitantrag die Bildung eines Deutschen Gesundheitsrates. Mitglied sollten hier unter anderem die Bundesärztekammer und weitere Vertreter der Selbstverwaltung sein, damit künftig gewährleistet wird, dass auch die Expertise der Ärzteschaft in Gesetzesinitiativen einbezogen werden.
BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt hatte zur Eröffnung des Ärztetags moniert, dass die Selbstverwaltung aktuell nur “pro forma” einbezogen werde und dies mit Beispielen untermauert, die Kopfschütteln ernteten.
Reform der GOÄ einklagbar?
Die von der Ärzteschaft dringend geforderte GOÄ-Reform erwähnte Lauterbach in seiner Eröffnungsrede nicht. Umso deutlicher fielen die Worte im Leitantrag aus: „Die GOÄ ist eine staatliche Verordnung. Es steht nicht im Belieben des Bundesgesundheitsministers, eine Reform der GOÄ aus ideologischen Gründen zu verweigern. Die Ärzteschaft hat geliefert. Der Bundesgesundheitsminister muss jetzt tätig werden und die Reform der GOÄ unverzüglich einleiten. Arbeitsverweigerung ist keine Option!“
Um mehr Druck zu erzeugen, schlugen Delegierte vor, zu prüfen, inwieweit rechtliche Schritte möglich sind. Reinhardt hatte zuvor bereits angedeutet, den Klageweg beschreiten zu wollen.
Auch bei der Krankenhausreform müsse der ärztliche Sachverstand systematisch auf Landes- und Bundesebene einbezogen werden, forderte Reinhardt. „Statt einer ausschließlich auf den Krankenhausbereich fokussierten Reform brauchen wir eine umfassende Gesundheitsreform, die überfällige Neuregelungen auch in anderen Versorgungsbereichen beinhaltet und dem Prinzip “ambulant vor stationär” folgt“, heißt es im Leitantrag.
Für die Krankenhausplanung sei dazu ein echter Neustart bei der Vergütungssystematik und der Investitionsfinanzierung nötig. Zudem müsse die Reform unbedingt die ärztliche Weiterbildung stärken.
Bei iMVZ “unverzüglich und entschieden” handeln
Die versprochene Entbudgetierung der ärztlichen Leistungen müsse schnell und umfassend kommen und dürfe nicht auf wenige Arztgruppen beschränkt werden, so eine weitere Forderung des Deutschen Ärztetages. Die Entbudgetierung für Hausärztinnen und Hausärzte hatte Lauterbach zuvor in seiner Rede noch einmal in Aussicht gestellt.
Weitere Forderungen des Deutschen Ärztetages waren unter anderem: Der Gesetzgeber soll bei investorenbetriebenen Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ) „unverzüglich und entschieden“ tätig werden und die von der Bundesärztekammer ausgearbeiteten Regulierungsvorschläge umsetzen.
Dr. Beatrix Kaltenmaier aus Brandenburg machte in diesem Zusammenhang auf Entwicklungen in den USA aufmerksam. Dort habe Amazon bereits eine Praxiskette aufgekauft. „Das wollen wir hier nicht haben“, betonte Kaltenmaier in Essen.
Schwach, fahrig, eine Zumutung
Auch die Digitalisierungsstrategie war wieder Thema in Essen. Die Ärzteschaft werde bisher nicht eingebunden, das müsse zwingend geändert werden. „In den 44 Seiten der Digitalstrategie kommen wir gar nicht vor. Auch die Selbstverwaltung nicht“, kritisierte etwa Dr. Silke Lüder, Hamburg.
Dr. Steffen König, Brandenburg, vermisste im Leitantrag die Forderung auf dringend benötigten Bürokratieabbau. “Wir können 5000, 6000 oder mehr Medizinstudienplätze fordern – wenn es uns nicht gelingt, den ärztlichen Beruf wieder attraktiv zu machen, dann hilft das nichts”, sagte König vor dem Plenum.
Auch die von der Regierung geplante Cannabis-Legalisierung sorgte für Empörung bei den Delegierten. Dr. Gisbert Voigt, Niedersachsen, nannte die Cannabis-Freigabe eine “fatale Entscheidung” der Ampelkoalition. “So lange es geht, müssen wir Widerstand leisten”, erklärte Voigt.
Während Reinhardt viel Lob für seine Rede und seinen Leitantrag erhielt, kritisierten Delegierte Lauterbachs Auftritt als schwach, fahrig bis hin zu „eine Zumutung“. Dankesworte an die Ärztinnen und Ärzte, die in der Pandemie unermüdlich im Einsatz waren, reichen nicht aus, hieß es in Essen. Den Worten müssten jetzt auch endlich einmal Taten folgen.
Dem Leitantrag stimmten die Delegierten nach einigen Diskussionen um Feinheiten zu.