Forum Hausärztinnen“Ein Ende der Poolärzte hätte verheerende Folgen”

Das Forum Hausärztinnen ist engagierten Kolleginnen und Hilfesuchenden gleichermaßen Anlaufstelle. Im Interview spricht Dr. Nadja Jesswein, Teil des neuen Sprecherinnen-Trios, über die Folgen des aktuellen Poolärzte-Urteils, den mangelnden Mutterschutz in der Niederlassung – und warum das Forum gefragter ist denn je.

Das Mutterschutzgesetz genießt in Deutschland einen hohen Stellenwert. Doch für die Niederlassung zählt es nicht.

Ein aktuelles Thema, mit dem sich das Forum Hausärztinnen beschäftigt, ist das jüngste Urteil des Bundessozialgerichts zum Einsatz von Poolärzten. Wie schätzt ihr dieses ein?

Dr. Nadja Jesswein: Ein Ende der Poolärzte-Lösung hätte verheerende Folgen. Denn Ärztinnen und Ärzte, die nachts Bereitschaftsdienste leisten müssen, weil dann eben keine Vertretung mehr vorhanden wäre, stehen am nächsten Morgen nicht für die Sprechstunde zur Verfügung. Dies würde die ohnehin schon angespannte Situation in der Regelversorgung weiter verschärfen.

Hausärztinnen könnten davon noch stärker betroffen sein, denn je nach KV-Region finden Fahrten unbegleitet statt und bedeuten damit mitunter eine Sicherheitsgefahr. Darüber hinaus verschärft sich für alle Niedergelassenen die Frage der Kinderbetreuung. Ich selber war in der Situation, dass ich nicht wusste, wer meine sechsjährige Tochter während nächtlicher Dienste betreuen sollte. Wir möchten diese Themen aus unser Sicht beleuchten – auch wenn sie natürlich auch Männer betreffen.

Was ist aus Eurer Sicht nun nötig?

Wie auch der Hausärztinnen- und Hausärzteverband machen wir uns dafür stark, dass nun eine schnelle gesetzliche Regelung getroffen wird. Andernfalls sehe ich sogar die Gefahr, dass die höhere Belastung durch die Bereitschaftsdienste gerade für junge Frauen ein weiteres Hemmnis für die Niederlassung sein könnte.

Welche Themen treiben Euch darüber hinaus um?

Das sind an vielen Stellen die Themen, die auch unsere männlichen Kollegen umtreiben. Aus meiner Sicht gibt es keine rein geschlechterspezifischen Themen. In Niedersachsen haben wir jüngst beispielsweise einen Antrag zu regionalen Gesundheitszentren eingebracht, daraufhin wurde im Landesverband eine entsprechende AG gegründet.

In hohem Maße ist es aber weiterhin das Thema Elternwerden, das uns beschäftigt. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den sich immer wieder verändernden Versorgungslandschaften betrifft uns alle, sorgt aber vor allem junge Kolleginnen in besonderem Maße. Am Gestalten dieser Rahmenbedingungen müssen wir aktiv mitwirken.

Warum?

Das Mutterschutzgesetz genießt in Deutschland – zu Recht! – hohen Stellenwert. Doch für die Niederlassung zählt es nicht. Gleichzeitig haben wir, beispielsweise im Gegensatz zu anderen freien Berufen wie Anwälten, einen Sicherstellungsauftrag. Einen Entlastungsassistenten zu finden, ist in weiten Teilen Deutschlands jedoch eine massive Schwierigkeit.

Ich spreche aus Erfahrung, ich habe meinen Sohn während der Niederlassung in der Einzelpraxis bekommen. Hilfreich wäre eine Art kollegialer Pool, um sich gegenseitig zu unterstützen. Unser Ziel ist es, das Elternwerden in der Selbstständigkeit einfacher zu machen.

In den vergangenen Jahren hat sich bereits viel getan. Der Verband heißt mittlerweile beispielsweise Hausärztinnen- und Hausärzteverband, Gremien werden paritätisch besetzt. Warum braucht es das Forum Hausärztinnen aber nach wie vor?

Das Forum Hausärztinnen ist mittlerweile in allen Landesverbänden sowie auf Bundesebene vertreten. Uns ist es in kürzester Zeit gelungen, uns flächendeckend zu vernetzen. Und wir wachsen weiterhin stark, der Zuspruch ist groß. Sogar Frauen anderer Berufsgruppen – jüngst Anwältinnen – wollen sich mittlerweile gezielt mit uns vernetzen.

Wir sind dabei vor allem auch Anlaufstelle für Frauen, die bislang noch keine Berührungspunkte mit der Berufspolitik hatten. Für sie sind wir eine erste Orientierung, ein erster Ankerpunkt. So haben wir in den letzten Jahren kompetente Kolleginnen in die Berufspolitik führen können. Gleichermaßen bieten wir Hilfestellung, wenn Frauen Fragen haben und Rat von Kolleginnen suchen.

Ihr seid jüngst als Sprecherinnen-Trio gestartet. Was ist der Gedanke dahinter?

Wir sind alle neben dem Praxisalltag und unseren Familien berufspolitisch aktiv, unter anderem im Forum Hausärztinnen. Die Sprecherinnen-Aufgaben gleichberechtigt als Team zu übernehmen, entlastet uns daher. Wie auch im gut funktionierenden Praxisteam gilt: Wir können uns vertrauen, nicht jede muss jede Aufgabe selbst übernehmen. Gleichwohl bringt jede eigene Erfahrungen und Perspektiven mit ein.

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