Berlin. Wo bleibt die versprochene Entbudgetierung? Wo die versprochene Digitalisierung, die Ärztinnen und Ärzten Zeit einspart? Wann wird mit der Entbürokratisierung endlich ernst gemacht? Wo bleibt die dringend nötige Honorarreform? Wann wird endlich die Reform der Approbationsordnung umgesetzt?
„Von leeren Versprechen“, sagte Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Co-Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, könne keine MFA und keine Digitalisierung finanziert werden. In ihrem Eingangsstatement bei der Online-Protestveranstaltung des Verbandes #diesepraxiswürdefehlen appellierte sie am Mittwoch (13.12.) in Richtung Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach, endlich die Hausarztpraxen zu unterstützen. Eine Resolution des Verbandes benennt dazu vier Punkte (s. Textende).
„Wir können ein konstruktiver Partner für die Selbstverwaltung, die Kostenträger und die Politik sein“, so Buhlinger-Göpfarth. Allerdings dürfe eine Partnerschaft nicht auf Einseitigkeit und leeren Versprechen beruhen. Genau dies sei aber Realität.
Der Politik die Realität vor Augen führen
„Wir stecken mittendrin in einer echten Krise der hausärztlichen Versorgung“, unterstrich auch Dr. Markus Beier, Co-Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes. Es ginge nicht darum, irgendwelche Horrorszenarien an die Wand zu werfen, sondern zu verdeutlichen, wie die Realität in den Praxen derzeit aussieht. Der Versorgungsdruck sei immens.
Allgemeinärztin Dr. Laura Dalhaus und Allgemeinarzt Dr. Jens Grothues, beide Hausärzteverband Westfalen-Lippe, schilderten tägliche Probleme an praktischen Beispielen. Eigentlich, erklärte Dalhaus, gebe es einen Aufnahmestopp in ihrer ländlichen Praxis. Sie versorge auch ein Altenheim, bei ihrem letzten Besuch dort habe eine Pflegerin sie darauf angesprochen, dass sie keine Medikamente mehr für einen der Bewohner habe.
Dieser habe auch keine betreuende Ärztin oder Arzt, alle im Umkreis würden keine neuen Patientinnen und Patienten mehr annehmen. Hier stehe sie in der moralischen Verantwortung, dem Einzelnen zu helfen. Andererseits würden es so mehr und mehr Menschen, für deren Behandlung sie wirtschaftlich und auch juristisch geradestehen müsse. Irgendwann leide dann die Qualität.
Statt Erleichterung: TI frisst Zeit
Bei ihm sehe es „keinen Deut“ anders aus, sagte Grothues. Man habe gerade mal fünf Minuten Zeit für die Patientinnen und Patienten – der Versorgungsdruck werde kontinuierlich größer. Die Digitalisierung, mit der Praxen eigentlich Zeit sparen könnten, funktioniere nicht. In der laufenden Praxis habe erst kürzlich die TI wieder gehakt. Zuerst sei das E-Rezept ausgefallen, dann habe plötzlich die E-AU nicht mehr funktioniert.
Die Suche nach dem Problem habe wieder Stunden gedauert, am Ende habe er den Apotheker angerufen. Dieser bestätigte, bei ihm funktioniere die TI auch nicht. Es stellte sich heraus, dass es die Probleme bundesweit gab.
Schwachsinnige Krankenkassen-Anträge
Auch die Bürokratie nagt zunehmend an den Nerven der Hausärztinnen und Hausärzte. Dalhaus erzählt von einem Patienten, der kurz vor einer Op stand. Seine Krankenkasse habe darauf bestanden, dass sie einen Reha-Antrag für ihn ausfüllt. Auf telefonischen Hinweis von Dalhaus, dass der Patient gar nicht in der Lage ist, eine Reha anzutreten, habe die Kassenmitarbeiterin nur gemeint, der Prozess könne nicht gestoppt werden. Wieder vertane ärztliche Zeit – Dalhaus füllte den unsinnigen, mehrseitigen Antrag gezwungenermaßen aus.