Immer wieder neue Abrechnungsziffern, das Hin und Her um die Telefon-AU sowie deren begrenzte Anwendbarkeit, eine wachsende Verunsicherung vieler Patientinnen und Patienten durch die steigende Zahl an COVID-19-Infizierten: Als Deutschland Anfang November in seinen “Lockdown light” versetzt wurde, arbeiteten viele Hausarztpraxen bereits am Rande ihrer Belastungsgrenze.
“Wir und vor allem auch unsere fleißigen Medizinischen Fachangestellten (MFA) werden langsam mürbe”, schlug Dr. Jana Husemann, Hausärztin in Hamburg und Vorsitzende des dortigen Hausärzteverbands, Ende Oktober im Kurznachrichtendienst Twitter Alarm.
Auch Dr. Markus Beier, Landesverbandsvorsitzender in Bayern, lenkte in seinem jüngsten Rundschreiben den Blick auf die angespannte Lage in den Praxen – sein Team arbeitet, wie viele andere, eigenen Angaben zufolge am Ende der eigenen Kräfte.
Zu viel Bürokratie bei Testabläufen
Der Deutsche Hausärzteverband fordert vor dem Hintergrund der immer weiter wachsenden Belastung eine tragfähige Corona-Strategie über 2021 hinaus. Denn dass die Pandemie länger dauern wird als erhofft, darüber herrscht mittlerweile wissenschaftlicher Konsens.
Bei der Entwicklung einer langfristigen Strategie sei es essenziell, den Aufwand in den Hausarztpraxen mitzubedenken, betont Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes.
“Wir müssen verhindern, dass die ambulante Versorgung, insbesondere in den Hausarztpraxen, die einen Großteil der Behandlung von Covid-19-Erkrankten stemmt, wegbricht.”
Nicht zuletzt die mit der Überarbeitung der Testverordnung neu hinzugekommenen Testszenarien haben die Komplexität der Praxisabläufe erhöht. Daher müsse eine tragfähige Corona-Strategie auch die Testungen umfassen, mahnt Weigeldt.
“Es darf nicht sein, dass diese überfallartig immer wieder verändert werden”, so der Hausärzte-Chef. “Auch hier muss zwingend die Erfahrung der testenden Praxen und Ämter miteinbezogen werden!”
Das sei bislang jedoch nicht ausreichend geschehen: “Mit den derzeitigen Test-Anforderungen geht ein viel zu hoher bürokratischer Aufwand einher. All das nimmt zu viel Zeit in Anspruch, die die Hausärztinnen und Hausärzte für die Versorgung brauchen – das ist auf Dauer einfach nicht zu leisten!”
Team-Tests werfen Fragen auf
Nur eines von zahlreichen Beispielen ist die seit 14. Oktober bestehende Möglichkeit, das eigene Praxisteam per regelmäßigen Antigen-Schnelltests zu screenen. Denn für Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber ergeben sich mit dieser einmal mehr neue Fragen, die es teils individuell abzuwägen gilt.
So können Kosten und Lieferfähigkeit Ärgernisse im Alltag bedeuten. Bereits Ende Oktober berichteten erste Praxen gegenüber “Der Hausarzt” von Antigentest-Lieferzeiten von drei Wochen oder gar Lieferengpässen.
Und: Viele Schnelltests kosten im Einkauf rund zehn Euro. Ersetzt werden laut Testverordnung jedoch nur die Sachkosten von bis zu sieben Euro. Für die Abrechnung sind die Rechnungen aufzubewahren, was eine weitere Bürokratisierung des Praxisalltags bedeutet.
Als Service des Deutschen Hausärzteverbandes hat “Der Hausarzt” gemeinsam mit Hausärzten neue Praxishilfen entwickelt, die Überlegungen rund um die Testung in der eigenen Praxis zusammenfassen und dabei helfen, das individuell passende Prozedere zu formulieren.
Praxisindividuelle Abwägung
Vor allem die Frage, wie oft und an welchem Wochentag getestet werden sollte, muss jede Praxis selbst entscheiden. Für andere Bereiche, etwa Pflegeheime, sieht die Testverordnung wöchentlich zu wiederholende Antigentests vor.
Die Krux: Da Antigentests im Vergleich zur PCR-Testung eine geringere Sensitivität aufweisen und damit eher falsch-negative Ergebnisse liefern, ist der nur wöchentliche Rhythmus gerade bei direktem Patientenkontakt zumindest zu hinterfragen.
Denn beginnende Infektionen mit noch niedriger Viruslast werden durch Antigentests in der Regel nicht entdeckt, ebenso bereits abklingende Erkrankungen. Doch insbesondere in Situationen, in denen ein falsch-negatives Ergebnis gravierende Konsequenzen nach sich ziehen könnte – das Robert Koch-Institut (RKI) nennt das Hineintragen einer nicht erkannten Infektion in ein Altenpflegeheim, jedoch muss hierzu wohl auch eine falsche “Entwarnung” in der Praxis zählen –, ist dem Antigentest laut RKI “durch PCR-Bestätigungstest oder hochfrequente Nachtestungen” Rechnung zu tragen.
Zu bedenken ist andererseits, dass sich bei einer höher frequentierten Testung nicht zuletzt aufgrund der vergleichsweise hohen Quote falsch-positiver Tests die Gefahr erhöht, nach einem positiven Testergebnis Teile des Teams isolieren oder den Betrieb temporär gar komplett schließen zu müssen.