Häusliche GewaltBetroffene entscheiden selbst!

Werden Praxisteams auf Gewalt aufmerksam, birgt das viele Herausforderungen. Nicht nur die Behandlung, sondern auch das Nichtstun. Hausärztin Anja Thiemann gibt Rat zum Umgang mit Betroffenen und Tätern und stellt eine Handlungsempfehlung für Praxen zur Verfügung.

Hausärztinnen und Hausärzte haben zu ihren Patienten oft ein jahrelanges Vertrauensverhältnis.

Gewalt kann jeden treffen: egal, welches Alter, welches Geschlecht oder welche soziale Schicht, erzählt Anja Thiemann. Nicht nur bei Bekannten, auch in ihrer Praxis hat die Allgemeinmedizinerin bereits einige Fälle erlebt.

Um Betroffene besser zu unterstützen, engagiert sie sich in der AG “Gewalt in der Häuslichkeit” des Hausärzteverbands Berlin und Brandenburg und ist dem Runden Tisch Berlin beigetreten, der unter anderem eine Handlungsempfehlung für Ärztinnen und Ärzte sowie das Praxisteam erarbeitet hat.

Zusammen mit “Der Hausarzt” hat sie die Berliner Handreichung auf eine bundesweite Fassung adaptiert (siehe Link-Tipp und PDF links).

Neben einem Muster-Vorgehen in der Praxis finden sich darin Infos zu wichtigen Laboruntersuchungen, Notfallmedikamenten und Hilfsangeboten. Zudem sollte man die Regeln von Gewaltambulanzen und Rettungsstellen kennen sowie Pädiatrie-, Gynäkologie- und Urologiepraxen in der Nähe, die sich mit (sexualisierter) Gewalt auskennen und an die ggf. überwiesen werden kann.

Idealerweise spielt man im Team alle ein bis zwei Jahre durch, wie man sich bei einem Gewaltvorfall verhält, rät Thiemann, “ähnlich wie ein Notfalltraining”.

Alarmzeichen erkennen

Aus ihrer Erfahrung sollte man besonders bei vier Zeichen an Gewalt denken:

  1. Partner/in ist grundsätzlich bei Behandlung dabei (Ausnahme z.B. Ältere mit Demenz o.Ä.)
  2. Hämatome unterschiedlichen Alters am Körperstamm (“Sichtbare Körperstellen sind meist unverletzt.”)
  3. Hand-/Schuhförmige Verbrennungen bei Kindern oder Menschen mit geistiger Behinderung an Hand oder Fuß (“Polizei und Jugendamt einbinden, ggf. zunächst anonym.”)
  4. Erzählung des Unfallhergangs passt mit den Verletzungen nicht zusammen

“Bei neuen Patientinnen und Patienten frage ich immer, ob bereits Gewalt erlebt wurde”, sagt Thiemann, deren Praxis am Berliner Stadtrand liegt. Wenn nötig, können Schutzmaßnahmen ergriffen werden wie Termine zu Rand- oder Pausenzeiten, die Ansprache nur mit der Patientennummer oder Eintritt über die Hintertür.

“Auf dem Land bin ich öfter mit komplexen Familiengeflechten konfrontiert. Hier ist es wichtig, dass wir erfragen, wer keinesfalls wissen darf, dass die Person bei uns in Behandlung ist.”

Entscheidungen akzeptieren

Gewaltfälle fordern Praxisteams in vielerlei Hinsicht, weiß die Hausärztin. So will nicht jeder behandelt werden. “Selbst wenn wir akuten Bedarf sehen, müssen wir der Person die Entscheidung selbst überlassen. Setzen wir uns darüber hinweg, tun wir es den Tätern gleich.”

Mitunter dokumentiert Thiemann dann erstmal nur in ihrer Akte, signalisiert Gesprächsbereitschaft und informiert ihr Team, dass regelmäßige Kontrolltermine vereinbart werden sollen – bis die Person selbst handeln möchte. Oft brauche es vor allem Zeit – bis zur Entscheidung, aber auch für die Behandlung selbst.

“Wir sind an unsere Schweigepflicht gebunden”, erinnert sie, “nur wenn derjenige selbst die Gefährdung nicht einschätzen kann, etwa ein Kind, dann darf ich den Fall melden.”

Praxisteam sollte auch an den Selbstschutz denken

Die Not zu kennen, aber nicht helfen zu dürfen, kann einen sehr belasten. “Der Selbstschutz sollte an erster Stelle stehen, leider vergessen das viele”, berichtet Thiemann. So sei es wichtig, sich im Team auszutauschen und ehrlich zu sein, wer sich die Betreuung zutraue. “Wer etwa schon Gewalt erfahren hat, sollte nicht an der Betreuung beteiligt sein.” Helfen könnten auch Balintgruppen oder Qualitätszirkel.

“Das Besondere an Hausarztpraxen ist, dass wir oft ebenso die Täter behandeln.” Unabhängig von Opfer oder Täter, sollte man immer zu zweit bei der Betreuung sein, rät Thiemann. Zum Selbstschutz gehöre es aber genauso, im Team von Fall zu Fall zu entscheiden, ob Täter oder Täterin weiter betreut werden oder nicht.

Meist seien sie ohnehin unflätig gegenüber dem Team, sodass man dadurch gut begründen könne, dass sie sich eine andere Praxis suchen müssen, ohne dass man seine Schweigepflicht gegenüber den Betroffenen verletze. “Wir betreuen aber zum Beispiel auch Paare, bei denen beide an sich arbeiten wollen.”

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