Forum PolitikHausärzte von morgen müssen heute lernen

Akademische Lehrpraxen bilden Studenten aus: lehrreich für die einen, zeitaufwändig für die anderen. Aber es lohnt sich für beide Seiten!

Nein, mit der Allgemeinmedizin habe er nichts am Hut. Er werde Psychiater! Dr. Beate Büttner aus dem unterfränkischen Kleinost-heim erinnert sich noch an den Blockpraktikanten, der ihr erklärte, die zwei Wochen Hausarztpraxis im zehnten Semester nur abzusitzen. Zum Glück gehen nicht alle Medizinstudenten so radikal an die Allgemeinmedizin heran. Oft seien auch skeptische Praktikanten hinterher begeistert, beobachtet sie. Jan-Peter Konrad musste niemand überzeugen. Schon sein Blockpraktikum absolvierte der Sohn eines unterfränkischen Hausarztes in der Gemeinschaftspraxis Dres. Beate und Dieter Büttner und Dr. Iris Hilber, ein gutes Jahr später kehrte er fürs Wahltertial im Praktischen Jahr (PJ) zurück. Er lobt die Vielseitigkeit der Aufgaben, die Einblicke in den Praxisalltag und das Team, das sich Zeit nehme. Ob er selbst Hausarzt wird, hat der 29-Jährige aber noch nicht entschieden.

Studierende nachhaltig begeistern: eine wichtige Aufgabe Akademischer Lehrpraxen. Die Gemeinschaftspraxis in dem 8.000-Seelen-Ort, der zum Einzugsgebiet der Uni Würzburg gehört, widmet sich ihr seit sechs Jahren. Äußerst lehrreich sei das Tertial, findet Jan-Peter Konrad. Äußerst zeitaufwändig, sagt Dr. Beate Büttner (s. Interview), im Interesse der Nachwuchssicherung aber wichtig. Frei nach dem Motto: Einer muss es machen. Wer, wenn nicht wir?

Strukturiert mit Beschwerden umgehen, abwendbar gefährliche Verläufe einschätzen, Erkrankungen aufgrund von Anamnese und körperlicher Untersuchung erkennen: Die Hausärzte von morgen müssen es heute lernen. Das funktioniert am besten über eine Eins-zu-Eins-Betreuung im PJ. Wenn man sie denn leisten kann.

"Lust und Freude an der Arbeit mit den künftigen Kollegen" nennt Christoph Müller, Lehrkoordinator Allgemeinmedizin am Dekanat der Medizinischen Fakultät der Uni Würzburg, deshalb nicht von ungefähr als Voraussetzung für eine Akademische Lehrpraxis – neben der Erreichbarkeit und dem eigenen Sprechzimmer für Studierende. Er findet aber auch: "Die Lehrärzte profitieren vom "frischen Wind", wenn unsere Studierenden am Ende ihres theoretischen Studiums mit hohem Wissensstand praktisch, engagiert und lernbereit mitarbeiten." Die Praxen würden unter anderem mit Lehrärztetreffen und einem "Logbuch" für die Ausbildung im PJ unterstützt.

Da 2006 die Approbationsordnung für Ärzte novelliert wurde, dürfen Studierende ein PJ-Tertial in einer Lehrpraxis ableisten: Von den um die 130 Kommilitonen eines Jahrgangs der Uni Würzburg wählen laut Müller bis zu zehn die Allgemeinmedizin. Nicht einmal zehn Prozent. Mit Informationsveranstaltungen gehe man deshalb regelmäßig aktiv auf Studierende zu. Mit der Werbung stehen die Universitäten nicht alleine da. Der Bayerische Hausärzteverband zum Beispiel engagiert sich mit der Nachwuchsinitiative "Ihre Chance: Zukunft Praxis – Junge Medizin in Bayern". Die Stiftung Perspektive Hausarzt fördert Akademische Lehrpraxen und Studierende, die sich für ein PJ-Tertial in einer Praxis in Orten mit weniger als 10.000 Einwohnern wie Kleinostheim entscheiden, das trotz Bahnanschluss nicht mit Semesterticket erreichbar ist.

Ein Umstand, auf den Studierende achten (müssen), wenn sie nicht wie Jan-Peter Konrad ohnehin in der Gegend wohnen. Mehr als die Hälfte der 60 Lehrpraxen der Uni Würzburg – acht davon sind PJ-Praxen – sind deshalb in Stadt und Umland. "Wir hatten bereits mehrere Praxen in ländlichen entfernten Gebieten, bei denen sich die Studierenden über die Zuweisung beschwert haben", sagt Müller. Förderprogramme scheinen vor diesem Hintergrund so wichtig wie persönliches Engagement.

Lehrpraxis werden

Seit der Novellierung der Approbationsordnung 2006 dürfen Studierende ein Tertial ihres Praktischen Jahrs im ambulanten Sektor absolvieren. Eine Praxis darf nur dann einen Studierenden beschäftigen, wenn sie Akademische Lehrpraxis der Universität ist, zu deren Bezirk sie gehört. Voraussetzungen sind je nach Universität unter anderem eine gute Erreichbarkeit, ein eigenes Sprech-/Behandlungszimmer für die Studierenden und die Teilnahme an Lehrärztetreffen. Entsprechende Informationen erteilen die Dekanate der Medizinischen Fakultäten.

Auswahl an Infos im Netz für Praxen und Studierende:

  • www.stiftung-perspektive-hausarzt.de

  • www.perspektive-hausarzt-bw.de

  • www.bhaev.de

  • www.degam.de (Famulaturbörse, Muster-Logbuch PJ)

"Wir müssen uns engagieren"

Warum haben Sie eine Akademische Lehrpraxis?

Dr. Beate Büttner: Als Allgemeinmediziner müssen wir uns dafür engagieren, dass wir Nachwuchs bekommen und deshalb bilden wir Studenten und PJler aus.

Wie viel Aufwand ist für Sie mit der Beschäftigung von Studenten verbunden?

Sehr viel. Der Student darf zwar selbst impfen, er darf Blut abnehmen oder ein EKG schreiben, was sonst unsere Fachangestellten übernehmen. Aber er darf nicht alleine behandeln. Konkret sieht das bei uns so aus, dass der Student zunächst alleine mit dem Patienten Anamnese, Diagnostik und einen Therapievorschlag macht. Anschließend gehen wir mit ihm zusammen zum Patienten und machen das Gleiche noch einmal. Der Student präsentiert uns seine Ergebnisse, wir untersuchen nochmals und besprechen, was er untersucht und vorgeschlagen hat, erörtern alternative Therapien oder Medikationen. Das bedeutet für uns großen zeitlichen Aufwand, den wir nur deshalb leisten können, weil wir zu dritt in unserer Gemeinschaftspraxis arbeiten. Von uns geht derjenige mit zum Patienten, der als nächstes Zeit hat oder der den Patienten gut kennt. Und natürlich bedeutet es auch für den Patienten mehr Zeitaufwand.

Wählt die Praxis die Patienten für den Studenten aus?

Unsere Angestellten fragen an der Anmeldung, ob es in Ordnung wäre, wenn auch ein Student untersucht. Manche lehnen das von vorneherein ab, zum Beispiel Patienten mit psychischen Problemen, die sich nicht einem Fremden anvertrauen wollen.

Gibt es positive Aspekte, die Sie dem Status als Lehrpraxis abgewinnen können?

Generell ist damit eine ständige persönliche Fort- und Weiterbildung verbunden. Wir schauen häufig in den DEGAM-Leitlinien nach, was Stand der Dinge ist, denn wir möchten dem Studenten natürlich nichts Falsches beibringen.

Würden Sie Kollegen empfehlen, sich um den Status als Lehrpraxis zu bemühen?

Einem Kollegen mit einer Einzelpraxis nicht. Dafür ist der Arbeitsaufwand einfach zu hoch. Als Gemeinschaftspraxis sollte man sich überlegen, ob man an der Nachwuchssicherung mitarbeitet. Wer sich für ein Praktisches Jahr in der Allgemeinmedizin entscheidet, hat ein hohes Interesse an diesem Fach und schlägt vielleicht diesen beruflichen Weg ein.

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