Berlin. Die eigentlichen Impfungen gegen das Coronavirus sollen zunächst zwar in den Impfzentren, die aktuell in ganz Deutschland entstehen, stattfinden – nichtsdestotrotz kommt auch auf Hausärztinnen und Hausärzte in ihren Praxen schon bald eine neue Aufgabe zu: Sie sollen per Attest bescheinigen, ob Patienten die Anspruchskriterien für eine Impfung erfüllen.
Vergütet werden soll dies pauschal mit fünf Euro. Ist der Anspruchsberechtigte „unmittelbar persönlich bekannt“, so kann das Zeugnis auch telefonisch angefordert und per Post versendet werden. Das geht aus dem Entwurf für eine Coronavirus-Impfverordnung (CoronaImpfV) aus dem Bundesgesundheitsministerium vor, der der Redaktion von „Der Hausarzt“ vorliegt.
Hausärzteverband sieht einige Kritikpunkte
Dass die Politik damit offenbar plant, Priorisierungsentscheidungen „durch die Hintertür“ bei den Hausärztinnen und Hausärzten abzuladen, weist der Deutsche Hausärzteverband entschieden zurück. „Es belastet nicht nur das individuelle Arzt-Patienten-Verhältnis auf unzumutbare Weise, wenn der einzelne Hausarzt darüber entscheiden soll, ob sein Patient zu einer impfberechtigten Gruppe gehört oder nicht“, sagte Bundesvorsitzender Ulrich Weigeldt in einer ersten Stellungnahme am Montag (7.12.). Viele Praxen arbeiteten zudem schon jetzt „jenseits der Belastbarkeitsgrenze“.
Die Rechtsverordnung könnte bereits am 15. Dezember in Kraft treten, wie aus den Inhalten hervorgeht. Jedoch ist neben der entschiedenen Kritik aus den Hausarztpraxen auch mit politischem Gegenwind zu rechnen: Nach Auffassung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags braucht es für die Priorisierung von Impfungen ein Gesetz statt einer Verordnung. Damit wäre der 15. Dezember wohl kaum zu halten.
Offene Fragen ergeben sich auch aus dem Entwurf der Impfverordnung. So soll das Attest beispielsweise auch einen Code zur Terminvergabe enthalten können; Details hierzu fehlen jedoch. Auch, ob die Vergütung von fünf Euro zusätzlich zur Versicherten-, Grund- oder Vertreterpauschale abgerechnet werden darf, ließ das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage von “Der Hausarzt” bislang offen.
STIKO sieht Hausärzte an Platz 2
Ob eine Person Anspruch auf die Corona-Impfung hat, soll direkt in den Impfzentren vor Ort abgefragt werden. Als Nachweis sind neben dem ärztlichen Attest (bei Vorerkrankungen) auch Personalausweis oder Pass (für Risikogruppen nach dem Alter) oder ein Tätigkeitsnachweis (bei beruflicher Indikation) denkbar, wie die Impfverordnung frühere Überlegungen verfestigt.
Laut einem kursierenden Beschlussentwurf zur STIKO-Empfehlung, datiert auf Montag (7.12.), könnten in der ersten Runde vor allem die letzteren beiden Nachweise von Bedeutung sein. Denn aufgrund begrenzter Impfstoffverfügbarkeit sieht die STIKO folgende Personengruppen zu Beginn als vorrangig an:
- BewohnerInnen von Senioren- und Altenpflegeheimen
- Personen im Alter von ≥ 80 Jahren
- Personal mit “besonders hohem Expositionsrisiko” in medizinischen Einrichtungen (z.B. in Notaufnahmen, in der medizinischen Betreuung von Covid-19 Patienten – siehe Tabelle unten)
- Personal in medizinischen Einrichtungen mit engem Kontakt zu vulnerablen Gruppen (z.B. in der Hämato-Onkologie oder Transplantationsmedizin)
- Pflegepersonal in der ambulanten und stationären Altenpflege
- andere Tätige in Senioren- und Altenpflegeheimen mit Kontakt zu den BewohnerInnen
Hausärztliche und pädiatrische Praxen sind demnach nicht in der ersten Gruppe der zu impfenden Personen enthalten; ihr Risiko wird lediglich als “hoch” eingestuft. Es ist anzunehmen, dass sie damit sofort im zweiten Schritt geimpft werden sollen.
Noch bleibt aber abzuwarten, ob das Gesundheitsministerium die STIKO-Kriterien eins zu eins in die Rechtsverordnung übernimmt. Zudem erklärte STIKO-Mitglied und stellvertretende DEGAM-Vorsitzende Prof. Eva Hummers am Dienstag (8.12.) im “Morgenmagazin”, dass die STIKO zu ihrem Vorschlag nun auch noch Stellungnahmen der Fachgesellschaften erwarte. Auch hier könnten sich bis zur finalen Empfehlung also noch Änderungen ergeben.
Zudem werden Impfverordnung wie STIKO-Empfehlung im Laufe der kommenden Monate immer wieder angepasst werden, je nachdem wie sich die Zulassungskriterien für weitere Impfstoffe und deren Verfügbarkeit verändern.
Für den Januar geht Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zunächst von drei Millionen Impfdosen von Biontech aus. Allein die oben aufgeführten, als Hochrisikogruppen definierten Personen beziffert die STIKO auf 8,6 Millionen. 6,7 Millionen weitere sind dann in jener Gruppe mit “hoher” Priorität enthalten, zu der auch Hausärztinnen und Hausärzte zählen.
Keine Impfpflicht geplant
„Bei zunehmender aber weiterhin limitierter Impfstoffverfügbarkeit sollen weitere von der STIKO definierte Personengruppen mit besonderen Risiken vorrangig geimpft werden“, heißt es weiter. Die Evidenz zu diesen Risikogruppen werde fortlaufend neu bewertet. Im nächsten Schritt sieht die STIKO dabei “Gruppen mit geringerem Risiko und systemrelevante Personen”.
In einer digitalen Gesprächsrunde betonte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Samstag (5.12.), dass es für medizinisches Personal keine Impfpflicht geben werde, auch wenn dies manche Wissenschaftler empfehlen würden. Er bitte das Gesundheitspersonal jedoch zu berücksichtigen, dass sie sich nicht nur zum eigenen, sondern vor allem auch zum Schutz ihrer Patienten impfen lassen sollten.
Wichtig: Diejenigen, die eine Infektion mit SARS-CoV-2 nachweislich durchgemacht haben (positive PCR), müssen laut STIKO zunächst nicht geimpft werden. “Ob, und wenn ja, wann Personen mit nachgewiesenermaßen durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion ggf. später eine Impfung angeboten werden sollte, ist noch nicht entschieden.”
Einzel-Atteste statt zentraler Einladung
Mit einer größeren Menge an zur Verfügung stehendem Impfstoff werden in der Definition von Risikogruppen dann vor allem Vorerkrankungen relevant sein, unterstreicht die STIKO in ihrer Beschlussvorlage. Konkret steht dazu in der Impfverordnung, dass Impfwillige zum Nachweis ihrer Anspruchsberechtigung „ein ärztliches Zeugnis über das bei ihnen krankheitsbedingt erhöhte Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf in Bezug auf die Coronavirus-Krankheit-2019“ vorlegen müssen.
Ein bundeseinheitliches Einladungsverfahren für die Impfungen zum Beispiel über die Krankenkassen, wie es der Deutsche Hausärzteverband seit Wochen fordert, sieht die Verordnung hingegen nicht vor. “Dass dieser Appell bislang ungehört geblieben ist, ist ein Schlag ins Gesicht der Kolleginnen und Kollegen im ambulanten Gesundheitssektor”, so Weigeldt.
Wichtig in der Praxis: Ärzte werden mit der Impfverordnung verpflichtet, die Leistungen zu dokumentieren und bis Ende 2024 zu speichern.
“Einzelberatungen übersteigen Kapazitäten”
Dass „millionenfach Einzelgespräche und Untersuchungen für Atteste zur Impfberechtigung durchgeführt werden sollen“, übersteige die Kapazitäten in den Hausarztpraxen, betonte Weigeldt. „Wir Hausärztinnen und Hausärzte werden nicht zulassen, dass dies zu Lasten unserer vielen anderen, oft chronisch kranken Patientinnen und Patienten geht, die uns ebenso brauchen!“
Tatsächlich hat jüngst eine andere Einschätzung bezüglich Risikogruppen gezeigt, wie groß die angesprochenen Risikogruppen in den nächsten Schritten sein könnten: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte Risikogruppen definiert, die Anspruch auf vergünstigte FFP2-Masken haben sollten.
Aus der Stellungnahme geht auch hervor, dass knapp 24 Millionen Menschen über 60 Jahre sowie weitere rund 3,5 Millionen Menschen mit Vorerkrankungen als Risikogruppen definiert werden könnten – für letztere wäre dann ein Attest nötig, was der G-BA wenn auch in anderem Zusammenhang, aber doch explizit als “unpraktikabel” zurückgewiesen hatte.
Hausärzte spielen Schlüsselrolle in der Beratung
Einig sind sich Spahn und Hausärzte jedoch in der Schlüsselrolle der Praxen bei der Aufklärung und Beratung. Sie sind – wie in vielen anderen Fragen – erste Ansprechpartner für Patientinnen und Patienten rund um Testung und nun auch Impfung, wie nicht zuletzt die Erfahrungen der vergangenen Monate gezeigt haben. „Hausärzte und Apotheker werden mehr als andere Berufsgruppen ausschlaggebend sein, dass sich die Menschen impfen lassen”, brachte es Spahn im digitalen Talk auf den Punkt.
Und auch wenn die eigentliche Impfaufklärung laut Impfverordnung in den Zentren, als Bestandteil der dort erbrachten Impfleistung, stattfinden soll, so werden sich Hausärztinnen und Hausärzte sowohl als dort Engagierte als auch in ihren Praxen selbstverständlich an den Beratungen beteiligen, unterstreicht Weigeldt aktuell. “Wir erleben täglich in unseren Praxen, wie groß das Bedürfnis nach wissenschaftlich gesicherten Informationen unter den Patientinnen und Patienten ist.”
STIKO gibt erste praktische Hinweise zur Impfung
Noch stärker gefragt werden Hausärztinnen und Hausärzte dann im weiteren Verlauf der breiten Impfung. Denn wie bereits bekannt sollen sie in einer späteren Phase von den Impfzentren “übernehmen” und die Impfungen dann in den Praxen stattfinden.
Spahn hoffe darauf, dass ab dem zweiten oder dritten Quartal keine Priorisierung mehr nötig sei, weil dann ausreichend Impfstoffe vorhanden seien, erklärte er nun. Ziel sei es, spätestens wenn weitere Impfstoffe verfügbar seien, diese als Sprechstundenbedarf verfügbar zu machen. “Die Arztpraxen zeigen ja gerade bei der Grippeimpfung, dass sie in wenigen Wochen 20 Millionen Personen impfen können”, so der Bundesgesundheitsminister.
Geplant ist laut Impfverordnung eine zentrale Impfsurveillance. Das Robert Koch-Institut (RKI) soll dafür ein elektronisches Meldesystem einrichten, an das die Impfzentren täglich die Datensätze der Geimpften übermitteln sollen.
Wichtig: Die bisher vorliegenden Daten erlauben laut STIKO nicht die Schlussfolgerung, dass die Covid-19-Impfung die Erregerübertragung reduziert oder verhindert. Bis zum Vorliegen neuer Daten müssen deshalb auch nach einer Impfung die allgemein empfohlenen Schutzmaßnahmen (“AHA”) weiterhin eingehalten werden.