Der Deutsche Hausärztetag hat dem Aushöhlen hausärztlicher Kompetenzen eine klare Absage erteilt. Im Leitantrag (S. 24) fordern die Hausärzte, alle Anstrengungen zubündeln, um den hausärztlichen Nachwuchs zu sichern. Gleichzeitig lehnen sie ab, dass hausärztliche Aufgaben an dafür nicht weitergebildete Gebietsfachärzte oder Arztassistenten (Physician Assistant) übertragen werden. Der Hausärzteverband verlangt zudem von der ärztlichen Selbstverwaltung, sich dazu zu bekennen, dass nur Hausärzte eine qualitative Primärversorgung leisten können.
„Wir fühlen uns beraubt“
Vorausgegangen war eine lebhafte Debatte nach der Rede des Bundesvorsitzenden Ulrich Weigeldt. „Ohne uns würden die Kosten explodieren und die Qualität der Versorgung in den Keller rauschen“, verwies er auf Forschungsergebnisse. Die genannten Bestrebungen gefährdeten, dass sich Studierende und Ärzte in Weiterbildung für die Allgemeinmedizin entscheiden. Das bestätigte Dr. Jens Lassen. „Jeder, der sich für die Allgemeinmedizin entscheidet, tut dies bewusst. Wir wollen Patienten ganzheitlich und langfristig begleiten.“ Mit Blick auf die Vorstöße, die Geriatrie und Palliativmedizin aus der Hausarztmedizin herauszulösen, sagte der neue stellvertretende Sprecher des Forums Weiterbildung im Hausärzteverband: „Wir fühlen uns unserer Kompetenzen beraubt.“
Dennoch gebe es stets neue Ideen, wer hausärztliche Aufgaben übernehmen könne, so Weigeldt, „immer unter dem Vorwand, damit die hausärztliche Versorgung zu entlasten“. Jüngstes Beispiel sei der Arztassistent, bei dem betont würde, dass er primär Aufgaben im stationären Bereich erfülle. Am Ende werde aber wieder schnell das ambulante Feld und besonders die hausärztliche Versorgung entdeckt, warnte Weigeldt. „Statt irgendwelche neuen Berufsgruppen zu propagieren, sollten wir die eigenen Mitarbeiterinnen in den Praxen fördern“, verwies er auf die für die Hausarztpraxis speziell fortgebildete VERAH. Auch bvmd-Vizepräsidentin Isabel Molwitz fragte kritisch: „Wo ist noch Platz für uns PJ-ler, wenn es Physician Assistants in der Praxis gibt?“
Politiker stünden nun vor der Herausforderung, dass die ärztliche Tätigkeit geschützt wird, aber auch andere Gesundheitsberufe sich weiterentwickeln können, sagte Lutz Stroppe beim Festabend, der bisher Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium ist. Er wünschte sich, dass medizinische Assistenzberufe künftig stärker in die Versorgung eingebunden werden.
Ganz oben auf der Agenda der nächsten Regierung stehe die Bedarfsplanung, besonders um die Versorgung in ländlichen Regionen zu sichern, kündigte Stroppe an. Bis Ende 2018 soll ein Konzept vorliegen, der Gemeinsame Bundesausschuss arbeitet derzeit an einem Gutachten. Um die Versorgung zu sichern, sei es nötig, das Medizinstudium zu reformieren, so Stroppe. Er kritisierte die Hängepartie bei der Finanzierung des Masterplans Medizinstudium 2020 und appellierte an die Ärzte: „Unterstützen Sie das Ansinnen auch bei den Wissenschaftsministern, damit diese die Reform finanzieren.“ Weigeldt stellte klar, dass für die Finanzierung nicht einmal 0,1 Prozent der GKV-Einnahmen nötig sind.
Kein gutes Haar ließ Weigeldt am Vorschlag des Sachverständigenrats zur Notfallversorgung (s. Der Hausarzt 16). Er bezeichnete es als „Ohrfeige“ für alle Hausärzte, dass sie abends und samstags länger arbeiten sollen, um die Notfallambulanzen zu entlasten. Dafür erntete er Zuspruch seitens der Studierendenvertreterin Molwitz. Sie begrüße die Ablehnung von ausgedehnten Sprechzeiten, da dies den Beruf unattraktiv mache. Der Hausärzteverband will nun erfolgreiche regionale Ansätze zusammentragen, um eigene Konzepte zur Verbesserung der Notfallversorgung zu präsentieren.
Am zweiten Tag diskutierten die Delegierten unter anderem über ihre Forderungen an die neue Bundesregierung. Der Hausärzteverband setzt sich dafür ein, dass Versicherte, die freiwillig an der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) teilnehmen, von den Kassen einen Bonus erhalten oder von Arzneimittelzuzahlungen befreit werden. Von einem verpflichtenden Primärarztsystem für alle Versicherten nahm die Mehrheit der Delegierten wie in der Vergangenheit erneut Abstand. Eine freiwillige Einschreibung habe mehr Vorteile. So sei weniger Gegenwind von Spezialisten zu erwarten und Patienten könnten könnten selbst wählen, lauteten zwei der zahlreichen Argumente.