UmfrageGewalt: Sicherheitspersonal begleitet MFA zum Parkplatz

Beschimpfungen, Beleidigungen, Bedrohungen bis hin zur körperlichen Gewalt – Aggressionen gegenüber Praxisteams bereiten zunehmend Sorge. Das belegen auch die Ergebnisse einer aktuellen Blitzumfrage unter Praxisteams in Westfalen-Lippe.

Online-Pressekonferenz der KVWL in Dortmund: (v. l.) Sven Ludwig (Leiter Kommunikation), Dr. Dirk Spelmeyer (Vorstandsvorsitzender) und Dr. Volker Schrage (stellv. Vorstandsvorsitzender).

Dortmund. 34 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte gaben bei einer früheren Umfrage an, sich im Fahrdienst schon mal in einer gefährlichen Situation befunden zu haben. “Mit so einer hohen Zahl hatten wir nicht gerechnet”, erklärte Dr. Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der KV Westfalen-Lippe (KVWL) bei einer Pressekonferenz am Montag (9.9.).

Über eine Blitzumfrage, die vom 28.8. bis 4.9. unter Arztpraxen in Westfalen-Lippe durchgeführt wurde, wollte die KVWL mehr erfahren und wissen, inwieweit Praxisteams mit aggressiven Patienten und Gewalt konfrontiert sind. Die Ergebnisse dieser Umfrage, an der sich 760 Praxen beteiligten, “haben uns sehr nachdenklich gemacht”, sagte Spelmeyer.

Jeder vierte überlegt, Praxis aufzugeben

Die Praxisteams berichteten von Beleidigungen und Drohungen, Diffamierungen im Internet, körperlicher Gewalt, sexueller Belästigung, Beschädigungen des Praxisinventars (viele gaben hier zum Beispiel Tritte gegen Türen an), Bedrohungen mit Messern und anderen gefährlichen Gegenständen bis hin zu Morddrohungen – meist gegen die Familie der Ärztin bzw. des Arztes gerichtet. Oft rasteten Patienten aus, weil es bei irgendetwas nicht schnell genug geht.

Knapp jede vierte Ärztin/Arzt gab an, aufgrund der verbalen oder körperlichen Gewalt bereits darüber nachgedacht zu haben, die eigene Praxis aufzugeben. 18 Prozent glauben, dass die Gewaltprobleme in den Praxen auch zunehmend dazu führen, nicht mehr ausreichend Personal finden zu können.

Um Praxisteams zu unterstützen, bietet die KVWL, die auch Personal in den Notfallpraxen vor Gewalterfahrungen schützen will, nicht nur Trainingsprogramme zur Deeskalation an.

MFA-Parkplätze dürfen nicht weit weg sein

„Wir denken schon viel kleinteiliger“, so Spelmeyer. So suche man zum Beispiel in der Nähe einer Notfallpraxis Parkplätze für die MFA, damit diese vor allen Dingen in der dunkleren Jahreszeit nicht weit zu ihrem Auto laufen müssen. Teilweise werde sogar Sicherheitspersonal in Praxen eingesetzt, die die Mitarbeiter unter anderem auch zum Auto begleiten.

Allerdings, geben Spelmeyer und KVWL-Vize Dr. Volker Schrage zu bedenken, dass das Problem nur bundesweit gelöst werden könne. Der Gesetzgeber sei gefordert, strafrechtliche Konsequenzen zu formulieren und umzu setzen. Außerdem appellieren Spelmeyer und Schrage: “Wir alle müssen dringend wieder zu einem respektvollen Umgang zurückkehren. Wir müssen für uns als Gesellschaft klar definieren, dass es beim Thema Gewalt null Toleranz geben darf. Diese Werte und Regeln müssen wir leben. Und zwar jeden Tag im Jahr. Jeder für sich, alle gemeinsam. Dann können wir wieder in ein ruhigeres Fahrwasser zurückfinden.”

Drei MFA hätten in den letzten sechs Jahren bereits gekündigt, bestätigt Hausärztin Anne Greiwe, die in Rheine-Mesum im Münsterland in der Praxis Dr. Brekel arbeitet. Der Druck gerade am Empfang sei zu hoch gewesen. Die MFA hätten ihre Kündigung mit ständigen Kopfschmerzen und schlaflosen Nächten aufgrund des Stresses begründet.

Offener Brief schlug Wellen

2022 wurde es der Hausärztin zu viel. Sie schrieb einen offenen Brief, den sie in das Wartezimmer legte, und der regional hohe Wellen schlug (der Brief wurde der Redaktion von der Praxis Brekle, Rheine freundlicherweise zur Verfügung gestellt, siehe unten).

In diesem beschrieb sie, was die Praxisteams erleben (etwa lautstark an der Rezeption vermeintliche Rechte einfordern oder Drohungen mit juristischen Konsequenzen etc.).

“Eigentlich wollten wir uns mit diesem Brief bei unseren netten Patienten bedanken”, erklärt Greiwe. Viele seien sehr erschrocken gewesen und hätten gezeigt, dass sie hinter dem Team stehen. Von dem Brief hätten Kolleginnen und Kollegen aus anderen Praxen gehört und danach gefragt, um ihn in der eigenen Praxis auszulegen, so Greiwe.

Geholfen hat der offene Brief schon ein bisschen, meinte Greiwe. Vielleicht sei es aber gefühlt wegen des Endes der Pandemie auch nicht mehr ganz so schlimm.

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