Berufspolitik ist was für andere, dachte ich immer. Warum sich neben Praxis und Familie noch eine weitere Verpflichtung ans Bein binden? Hannover ist weit weg von Schwanewede. Dann standen die Wahlen zur Delegiertenversammlung des Hausärzteverbandes Niedersachsen an. Mein Freund und Kollege Ruben Bernau überzeugte mich, mich auf die Liste setzen zu lassen. Eigentlich wollte ich mir "nur einmal anschauen", wie Verbandsarbeit funktioniert. Kandidatur – Wahl – und im Nu war ich im Vorstand des Hausärzteverbandes Niedersachsen, Bezirk Stade. In den ersten drei Monaten übernahm ich noch die Posten als Landes- und Bundesdelegierter für Niedersachsen. Innerhalb weniger Stunden bin ich damals also in der Berufspolitik von null auf hundert gestartet – und bereue es bis heute keine Sekunde!
Das ist keine zwei Jahre her. Seitdem habe ich viel gelernt. Ich würde zwar nie meine Praxis aufgeben wollen, aber ich habe nun eine weitere spannende Tätigkeit, die meinen Alltag bereichert. Natürlich gibt es immer noch einiges, was ich nicht verstehe, aber insgesamt erkenne ich die Zusammenhänge im Gesundheitswesen jetzt viel deutlicher. Es ist wie im Studium – mit der Zeit kommt der Überblick. Und nur so kann ich heute mitarbeiten, unseren schönen Beruf noch schöner zu machen.
Deswegen möchte ich auch Euch ermutigen, Euch zu engagieren. "Warum sollte ich?" werden sich viele fragen. Die Antwort ist einfach: Es lohnt sich! Nur wer selbst aktiv wird, kann auch etwas bewegen! Wir dürfen nicht nur jammern, sondern müssen unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen. Dabei kann sich Engagement in vielen Facetten äußern:
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Man kann selbst ein Amt aktiv ausüben,
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man kann sich aber auch als aktiver Teilnehmer bei Diskussionsveranstaltungen von Verbänden einbringen oder
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man kann selbst wählen gehen und so seiner Stimme in der Berufspolitik Gehör verschaffen.
Gerade bei der Wahlbeteiligung schneiden wir Ärzte leider immer schlechter ab. Dieses Jahr rufen alle KVen zur Wahl der Vertreterversammlung auf – einige haben bereits abgestimmt, andere stehen noch aus. Zwar haben die Hausarztlisten bisher durchweg sehr gut abgeschnitten, die Wahlbeteiligung insgesamt ist in den meisten Regionen aber rückläufig. In manchen KVen sind noch nicht einmal die Hälfte der Vertragsärzte zur Wahl gegangen – wie viel Verdruss ist daran wohl schuld?
Auch deshalb sollten sich mehr Hausärzte überlegen, ob sie sich berufspolitisch engagieren können. Seit ich nun selbst live dabei bin, sehe ich, wie viel sich derzeit ändert. Ich erlebe mit, wie Bewegung in starre Strukturen kommt und bin daher überzeugt: Die Chance auf einen Umbruch und die Hoffnung auf eine gute Zusammenarbeit zwischen Jung und Alt ist real. Wir als nachwachsende Hausärztegeneration müssen sie nur ergreifen. Jetzt ist die Zeit zusammenzuarbeiten – wir können nicht warten, bis der zunehmende Hausärztebedarf die Gewichte schon verschoben hat.
Gemeinsam können wir die Entwicklung des Gesundheitswesens für uns und unsere Patienten lenken. Auch unsere Fortbildungen "Freude mit Formularen" und der "Werkzeugkasten zur Niederlassung" haben klein angefangen. Aber wir Initiatoren und die Teilnehmer füllen die Seminare mit Leben und machen sie zu einem Erfolg. Alles lebt von unseren Ideen, Sorgen und Ängsten – auch die Berufspolitik; nur ist sie der Schlüssel, um uns allen gegenseitig zu helfen.
Wer, wenn nicht wir, sollte darüber mitreden, wie unsere Zukunft aussieht. Bitte informiert Euch bei den regionalen Hausärzteverbänden, dem Forum Weiterbildung im Hausärzteverband oder der Jungen Allgemein- medizin Deutschland (JADE), wie Ihr mitmachen könnt. Und Ihr werdet überrascht sein, wie viele Gleichgesinnte, nette Kollegen und vielleicht sogar Freunde Ihr dazugewinnt.