KBV-VertreterversammlungGassen dringt auf Entbudgetierung

Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Dr. Andreas Gassen ist empört: Politiker werfen Ärzten vor, GKV-Patienten nicht ordentlich zu behandeln. Gleichzeitig verschärfen sie durch ihre Vorhaben aber selbst die Lage. Eine KBV-Resolution schärft die Position der Vertragsärzte.

KBV-Vorsitzender Dr. Andreas Gassen. Foto: KBV

Berlin. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) spielt den schwarzen Peter an die Politik und die Krankenkassen zurück: Vor der Vertreterversammlung (VV) sagte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen am Freitag (2. März), dass diejenigen die Versorgung gefährdeten, „die durch die Budgetierung Gelder für Behandlungen vorenthielten”.

Er kritisierte in seiner Rede vor der VV einen “führenden Gesundheitspolitiker”, der während der Koalitionsverhandlungen bemängelt habe, dass Ärzte schwer kranke Kassenpatienten nicht ordentlich behandelten. Ohne ihn namentlich zu nennen, bezog er sich damit wohl auf Prof. Karl Lauterbach (SPD), der mehrfach die “Zwei-Klassen-Medizin” anhand längerer Wartezeiten für GKV-Versicherte kritisiert hatte.

Gassen warnte davor, dass das im Koalitionsvertrag festgehaltene Vorhaben von Union und SPD, die Mindestsprechstundenzeit auf 25 Stunden die Woche anzuheben, die Situation nur verschärfen würde. Schon jetzt arbeiteten Vertragsärzte im Schnitt 52 Stunden pro Woche. Wo sollen wir die zusätzlichen fünf Stunden hernehmen, fragte Gassen. „Was sollen wir dafür nicht mehr machen? Haus- und Heimbesuche?”

“Eine Leistungsausweitung, wie sie der Koalitionsvertragsentwurf ankündigt, ist mit den in der ambulanten Versorgung geltenden Budgets nicht vereinbar”, heißt es dazu in einer am Freitagmittag verabschiedeten Resolution der VV. Darin weisen die Delegierten die “Scheindebatte” um die Zwei-Klassen-Medizin zurück und fordern die Politik auf, “den notwendigen Spielraum für die Selbstverwaltung zu erhalten”.

Konfrontation mit den Kassen

Andererseits ging Gassen in seiner Rede auf Konfrontation mit den Krankenkassen. Schon jetzt unterlägen zehn bis 20 Prozent der Leistungen der Budgetierung. Die gesetzlichen Kassen (GKV) „prellt regelhaft die Zeche”, so Gassen. Die GKV verfüge derzeit über ein Finanzpolster von 28 Milliarden Euro. „Mit nur 450 Millionen pro Jahr könnten die Grundleistungen ausbudgetiert werden”, forderte er.

Darüber hinaus benannte er Aufgaben, um die sich KBV und Kassenärztliche Vereinigungen nun kümmern müssten: die Versorgung von Notfällen im Bereitschaftsdienst, die intersektorale Versorgung, die Digitalisierung und die Laborreform.

Die Laborreform tritt zum 1. April in Kraft. Als ersten Schritt habe man sich geeinigt, die Laborleistungen nicht mehr getrennt nach Versorgungsbereichen zu betrachten, so Gassen. Als zweiten Schritt kündigte er an, die Mengenbegrenzung durch Qualitätskriterien abzulösen. „Wenn wir uns um eine indikationsgerechte Laborbeauftragung einigen, wird es dem GKV-Spitzenverband nicht mehr so leicht möglich sein, eine Aufhebung der Budgets für diese Leistungen zu verweigern.”

Hofmeister bemängelt „Geisterdebatte”

Wie Gassen betonte auch KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister, dass es sich bei der allgemeinen Diskussion um das Gesundheitswesen in der Krise um eine „Geisterdebatte” handelt. Die Politik sollte sich um die „wahren Probleme” wie Bildung, Verwaltung und Infrastruktur kümmern. Die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems solle der Selbstverwaltung obliegen. Zuvorderst müsse man die ungezügelte Inanspruchnahme medizinischer Leistungen besser kanalisieren. Diese federe derzeit der Bereitschaftsdienst ab.

Als Lösung forderte Hofmeister, die Rufnummer 116 117 auszubauen. Sie müsse mit einem einheitlichen Triagesystem gekoppelt werden, damit man vor jedem Arztkontakt das Anliegen einschätzen und in die richtigen Bahnen lenken kann. Einen ähnlichen Vorschlag haben bereits die Gesundheitsweisen gemacht. Zusätzlich zur Rufnummer soll es eine Bereitschafts- und Notfall-App sowie eine Website 116117info.de geben.

Auch die Bereitschaftsdienstangebote und Portalpraxen müssen „zwingend” ausgebaut werden, forderte Hofmeister, dabei sei aber die Zusammenarbeit mit den Klinikärzten wichtig. Der Gesetzgeber hatte mit dem Krankenhausstrukturgesetz die KVen ab 2016 verpflichtet, an Krankenhäusern Portalpraxen einzurichten oder bestehende Notaufnahmen in den Bereitschaftsdienst einzubinden. So sollen die Notaufnahmen der Kliniken von Patienten entlastet werden, die auch ambulant versorgt werden können.

Hofmeister machte am Freitag daher auch deutlich, dass nicht alle 1.600 Kliniken für die Abrechnung ambulanter Leistungen zugelassen werden können. Bei der Entscheidung, welche Standorte den Zuschlag erhalten, forderte er ein Mitspracherecht. Auch können nicht an allen 1.600 Kliniken Portalpraxen eingerichtet werden, zeigte Ende 2016 eine Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi). Wäre dies der Fall, müssten alle rund 55.400 Hausärzte zusätzlich zu den Bereitschaftsdiensten im Schnitt 21 Dienste pro Jahr absolvieren, so das Fazit.

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