Schon bei seinem ersten öffentlichen Auftritt fand Jens Spahn (CDU) klare Worte. "Ich möchte, dass wir die nächsten dreieinhalb Jahre das Ding endlich so kriegen, dass Patienten, Ärzte, Pflegekräfte einen Mehrwert spüren", sagte er in seiner Antrittsrede als Bundesgesundheitsminister zur elektronischen Gesundheitskarte. Die Digitalisierung, betonte Spahn als Gast des DRG- Forums in Berlin, wolle er "noch stärker als es in den letzten Jahren der Fall war" in den Fokus nehmen.
Neben dem Pflegenotstand ist die Digitalisierung damit früh zum Steckenpferd des neuen Ministers geworden. Dass Spahn seine Ziele stringent verfolgen wird, daran haben Beobachter keine Zweifel: Der 37-Jährige gilt als ehrgeizig. Schon vor vier Jahren hatte er sich das Amt des Gesundheitsministers erhofft. Zuletzt war Spahn Staatssekretär im Finanzministerium, seit 2014 ist er zudem Vorsitzender des CDU-Bundesfachausschusses Gesundheit und Pflege.
Als Minister macht ihm nicht zuletzt der Koalitionsvertrag Druck: Dieser setzt für die Einführung einer elektronischen Patientenakte die Frist 2021. Dr. Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte der Bertelsmann Stiftung, findet das bemerkenswert: "Der Minister steht damit unter Lieferdruck." Bis mögliche Änderungen in der Praxis ankommen, wird es jedoch dauern: Dass Ärzte vor 2021 regelhaft mit der digitalen Akte arbeiten, gilt als unwahrscheinlich.
Link
▪ In Mecklenburg-Vorpommern ist ein bundesweites Pilotprojekt zur digitalen Patientenakte gestartet: hausarzt.link/eteQ2
▪ Ärzte in Westfalen-Lippe sollen ab Herbst die elektronische Gesundheitskarte testen: hausarzt.link/gg7Vb
Ärztetag diskutiert Reform der Fernbehandlung
Wie ist die Fernbehandlung bislang geregelt?
In der Musterberufsordnung für Ärzte, Paragraf 7 Abs. 4, heißt es: "Ärzte dürfen individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchführen. Auch bei telemedizinischen Verfahren ist zu gewährleisten, dass ein Arzt den Patienten unmittelbar behandelt."
Was ist demnach schon möglich?
"Anders als oft vermutet wird, ist die Fernbehandlung auch nach der jetzigen Regelung keinesfalls generell verboten", erklärt Dr. Franz Bartmann, Vorsitzender des Telematikausschusses der Bundesärztekammer (BÄK). Voraussetzung sei jedoch, "dass die Patienten aufgrund einer bestimmten Diagnose und Behandlung bekannt sind, das heißt ein direkter Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden hat". Schon heute ist somit etwa die Beobachtung der Wundheilung und Verlaufskontrollen bei Diabetes- oder Herzpatienten möglich.
Welche Lockerungen sind geplant?
Der BÄK-Berufsordnungsausschuss hat eine neue Formulierung für den Paragrafen 7 Abs. 4 erarbeitet, die auf dem Deutschen Ärztetag im Mai beraten werden soll (Hausarzt 1). Die Beschlussvorlage hat bei Redaktionsschluss noch nicht offiziell vorgelegen. Bartmann gibt jedoch einen ersten Einblick: Ein fester "Krankheitskatalog" zur fernmedizinischen Behandlung könne sich nicht festlegen lassen, auch sei der persönliche Kontakt bei schweren Erkrankungen unerlässlich. "Dagegen könnte eine ausschließliche Fernbehandlung durchaus bei solchen Erkrankungen zum Einsatz kommen, die sich gut am Telefon oder per Video diagnostizieren lassen", sagt Bartmann. Die Entscheidung für oder gegen eine ausschließliche Fernbehandlung liege auch in Zukunft beim Arzt. Die entsprechende Formulierung könnte lauten: "Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über elektronische Kommunikationsmedien ist erlaubt, wenn dies im Einzelfall ärztlich vertretbar ist."