ArzneiverordnungNutzen und Grenzen der frühen Nutzenbewertung

Ab Juli 2020 sollen die Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung in der Praxissoftware hinterlegt werden. Doch was sagt der Zusatznutzen überhaupt aus und was bedeutet er für die Wirtschaftlichkeitsprüfung?

Die Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung stehen ab Juli maschinenlesbar zur Verfügung, damit Ärzte sie in ihrem Arztinformationssystem (AIS) einsehen können. Dargestellt wird, bei welchen untersuchten Patientengruppen Medikamente mit neuem Wirkstoff einen (Zusatz-)Nutzen gegenüber der Standardtherapie bieten sowie die Ergebnisse zu Mortalität, Morbidität, Lebensqualität und Nebenwirkungen. Innerhalb von sechs Monaten sollen laut Gemeinsamem Bundesausschuss (G-BA) auch Beschlüsse bis 2011 eingepflegt werden. Sie werden Ärzten jedoch nicht automatisch angezeigt. So sollen Ärzte die Bewertung bei der Verordnung leichter im Blick haben. Der Deutsche Hausärzteverband hatte betont, dass die AIS-Einbindung nicht den Praxisablauf stören darf (“Der Hausarzt” 8/19). Welchen Nutzen und welche Grenzen hat die Nutzenbewertung?

Bewertung der Studien

Bei Markteinführung eines Medikaments mit neuem Wirkstoff muss der Hersteller ein Dossier mit Zulassungsunterlagen und allen verfügbaren Studien beim G-BA einreichen. Dieses wird in der Regel vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und dem G-BA bewertet, der dann ggf. das Ausmaß des Zusatznutzens (s. Kategorien) feststellt (s. Abb.). Daraus können Ärzte etwa die Studienergebnisse sowie den Zusatznutzen für Patientengruppen und dessen Aussagesicherheit herauslesen.

In etwa der Hälfte der Fälle hat der G-BA keinen Zusatznutzen zugesprochen. Dies kann am neuen Präparat liegen, aber auch am Prüfprozess: Da der G-BA die Vergleichstherapie bestimmt, kann es vorkommen, dass es dazu keine Studien gibt oder diese nicht passt, weil sie für die untersuchte Patientengruppe nicht zugelassen und so kein Vergleich möglich ist. Auch die Darreichungsform wird oft nicht berücksichtigt. So kann ein Wechsel von einer Injektion auf eine orale Einnahme für Patienten die Anwendung erleichtern, für G-BA und IQWiG jedoch keine Auswirkung auf die Nutzenbewertung haben. Wie verschieden Studien interpretiert werden können, wird daran deutlich, dass G-BA und IQWiG bei einem Drittel der 288 Verfahren das Ausmaß des Zusatznutzens unterschiedlich einschätzen: In 14 Prozent stufte der G-BA die IQWiG-Bewertung herab, in 16 Prozent herauf [1].

Frühe Nutzenbewertung in der Wirtschaftlichkeitsprüfung

Für Ärzte spielen die Ergebnisse vor allem bei der Verordnung ein Rolle. Schließlich werden sie bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen einbezogen. So können Medikamente mit geringerem Nutzen oder unbestimmbarem Zusatznutzen vor Festlegung des Erstattungsbetrags als unwirtschaftlich gelten, falls sie teurer als eine zweckmäßige Vergleichstherapie sind.

Bei Präparaten mit Zusatznutzen lohnt es sich für Ärzte hingegen, einen genaueren Blick auf den Beschluss des G-BA zu werfen. In manchen Fällen wird ein Zusatznutzen nur für bestimmte Subgruppen der Patienten zugesprochen. Eine Verordnung in einer Subgruppe ohne Zusatznutzen kann dann als unwirtschaftlich gelten. In einer Umfrage des DeutschenArztPortals gaben beispielsweise 21 Prozent der 226 Befragten an, dass bei ihnen bereits ein Prüfantrag aufgrund von verordneten Arzneimitteln für Patienten einer Subgruppe ohne Zusatznutzen eingeleitet wurde [2].

Praxistipp: Ärzte sollten die Ergebnisse der Nutzenbewertung genau lesen und differenziert bewerten. Präparate ohne Zusatznutzen können für Patienten trotzdem einen Therapievorteil bieten. Sicherheitshalber sollten grundsätzlich alle Therapieentscheidungen ausführlich begründet und in der Patientenakte dokumentiert werden.

Hinweise für die Wirtschaftlichkeit:

  • Neue Präparate, die die Nutzenbewertung noch nicht durchlaufen haben und teurer als die Vergleichstherapie sind, können als unwirtschaftlich angesehen werden.
  • Präparate mit einem Zusatznutzen nur für bestimmte Subgruppen können bei Verordnungen außerhalb der Subgruppe als unwirtschaftlich gelten.
  • Ab Juli 2020 zeigt das AIS den Zusatznutzen eines neuen Medikaments (Nutzenbewertungen ab 30.6.20) automatisch an.

Fazit

  • Ab Juli sollen Ärzte die Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung des G-BA in ihrem AIS einsehen können. Diese werden je untersuchte Patientengruppe dargestellt.
  • Ein Zusatznutzen kann auf einzelne Subgruppen von Patienten beschränkt sein. Daher lohnt es sich für Ärzte, die Ergebnisse genau zu lesen.
  • Auch ohne Zusatznutzen kann ein Medikament für den Patienten einen Vorteil bieten (z. B. andere Darreichungsform). Alle Therapieentscheidungen sollten in der Patientenakte aber grundsätzlich gut begründet werden.

Quellen

  1. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) – Zusatznutzen: Ja oder Nein? – Die AMNOG-Bewertungsergebnisse im Überblick – mit Kurzglossar und Infografik
  2. Arztumfrage im Praxis-Newsletter des DeutschenArztPortals vom 11.02.2020 bis 17.02.2020 „Wurden bei Ihnen bereits Prüfanträge aufgrund von verordneten Arzneimitteln für Patienten einer Subgruppe eingeleitet, für die kein Zusatznutzen festgelegt wurde?“ (N = 226)
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