Die Große Koalition hat für Ärzte einige Verbesserungen angestoßen, sagen 90 Prozent der befragten Hausarzt-Leser, nicht aber für Patienten (73 Prozent) oder das Gesundheitswesen insgesamt (85 Prozent). Das ist ein Ergebnis unserer nicht repräsentativen Umfrage zur Bundestagswahl, an der sich 107 Hausärztinnen und Hausärzte beteiligt haben.
Von den Parteien sind die meisten (90 Prozent) enttäuscht, dabei schnitten alle etwa gleich ab, egal, ob konservatives oder linkes Spektrum. Abgefragt wurden die aktuell im Bundestag vertretenen Parteien: CDU CSU, SPD, Bündnis 90/ Die Grünen, Die Linke. Als Gesundheitsminister wünschen sich die meisten einen Mediziner oder geben an, dass dieser „kompetent“ sein muss. Es überrascht daher nicht, dass am häufigsten Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) oder SPD-Experte Karl Lauterbach genannt wurden.
Im letzten Jahr wurde das öffentliche Bild der Ärzte von Zwist und Klüngelei geprägt. Dennoch zeigen einige Ergebnisse, dass die Hausärzte grundsätzlich die ärztliche Selbstverwaltung befürworten. So meint mehr als die Hälfte (57 Prozent), die Regierung hätte die Selbstverwaltung ihre Probleme selbst lösen lassen müssen. Knapp zwei Drittel sprechen sich sogar für mehr Autonomie aus. Erst im Februar 2017 hat die Regierung noch das Selbstverwaltungsstärkungsgesetz auf den Weg gebracht. Es verschärft die Aufsichtsrechte über KBV, GKV-Spitzenverband und Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).
Patienten besser koordinieren
82 Prozent sind zwar dagegen, die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) abzuschaffen. Fast alle Hausärzte (94 Prozent) wünschen sich aber, dass die Parität für Haus- und Gebietsärzte in allen KVen eingeführt wird. Bisher gilt die Vorgabe zur Parität nur auf der Bundesebene für die KBV. Mehr Mitsprache für die Patienten lehnen die Befragten ab: Nur ein Drittel stimmt der These zu, dass Patienten in den KVen stärker eingebunden werden sollen.
Genauso wie eine Stärkung ihrer Interessen innerhalb der KV wünschen sich viele, dass die Allgemeinmedizin innerhalb des Gesundheitswesens einen höheren Stellenwert erhält. Was sich vor allem in den Antworten zum Punkt Primärarztsystem spiegelt. Hier kann man mitunter herauslesen, dass viele eine bessere Steuerung der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen für sinnvoll halten.
So befürworten 88 Prozent, dass Versicherte eine „Gebühr“ zahlen sollten, wenn sie ohne Überweisung Spezialisten konsultieren. Trotzdem sprechen sich nur knapp zwei Drittel (60 Prozent) dafür aus, dass alle gesetzlich Versicherten verpflichtet werden, immer erst ihren Hausarzt aufzusuchen. Mehr als die Hälfte (55 Prozent) hält es für eine gute Idee, wenn die Krankenkassen eine Prämie an die Versicherten zahlen, die sich freiwillig bereiterklären, bei einem Problem ihren Hausarzt als ersten Ansprechpartner zu konsultieren.
Pflege professionalisieren
Der Wunsch nach mehr Koordination der Patienten drückt sich auch dadurch aus, dass medizinische Angebote teilweise anders organisiert werden müssen, um speziell Hausärzte zu entlasten. So meinen mehr als zwei Drittel der Befragten, Pflege und Assistenzberufe sollten professionalisiert werden, jedoch nicht akademisiert (Abb. 1). Ebenso viele würden gerne mehr Aufgaben delegieren können. Substitution ärztlicher Leistungen durch Assistenzberufe lehnt aber gut die Hälfte (54 Prozent) ab. Mehr Entlastung beim umstrittenen Thema Notdienst will die Regierung mit ambulanten Portalpraxen an Kliniken erzielen, so sollen „Notfall“-Patienten besser zwischen Bereitschaftsdienst und Klinik gesteuert werden. Geht es nach den Hausärzten (57 Prozent), sollten Portalpraxen aber nicht an jeder Klinik eingerichtet werden.
Ein großes Thema in dieser Legislatur war die Medizinerausbildung. Hier meint die Mehrheit der Befragten, dass die Allgemeinmedizin schon im Studium präsenter sein muss. 88 Prozent finden, dass das Fach vom ersten bis zum zwölften Semester eingebunden werden soll. Bei den anderen Thesen gehen die Meinungen deutlicher auseinander: So sind 52 Prozent dafür, eine Landarztquote einzuführen, 48 Prozent dagegen. Den Numerus Clausus abschaffen würden 59 Prozent, 40 Prozent würden den NC als Auswahlkriterium behalten. Ebenso würden fast zwei Drittel (60 Prozent) zehn Prozent mehr Medizinstudienplätze einrichten, 40 Prozent lehnen dies ab.
Was ihr Honorar angeht, sind sich die Hausärzte nur in zwei Punkten einig: Jeweils 80 Prozent sagen, die GOÄ-Bewertungen sollen deutlich steigen und Ambulante Kodierrichtlinien müssen verhindert werden.
Unschlüssig sind sich die Befragten, ob EBM und GOÄ angeglichen werden sollen (51 Prozent) oder nicht (49 Prozent). Das deckt sich auch damit, dass gut die Hälfte (54 Prozent) für eine Konvergenz von GKV und PKV sind. Immerhin 61 Prozent befürworten es, auch niedergelassene Ärzte nach Qualität zu vergüten. Dies hat die Regierung bisher nur für Krankenhäuser vorgesehen; seit geraumer Zeit arbeitet nun der G-BA daran, geeignete Qualitätsindikatoren zu finden.
Arzneipreise begrenzen
Im Fokus der Politik steht auch immer die Finanzierung. Hierzu dient etwa das Wirtschaftlichkeitsgebot. Dies soll erhalten bleiben, sagen 55 Prozent der Befragten. Zudem sollen Arzneimittelpreise stärker begrenzt (61 Prozent) und die von Kassen und Herstellern vereinbarten Preise transparent gemacht werden (96 Prozent). Erst jüngst wurde festgestellt, dass eine gute Nutzenbewertung sich nicht im Verordnungsverhalten spiegelt, sondern das Marketing hier doch eine große Rolle spielt. Hierzu passt, dass 66 Prozent dafür plädieren, dass Hersteller die Zuwendungen an Ärzte veröffentlichen müssen. Zwei Drittel meinen zudem, dass die öffentliche Hand noch stärker die Arzneiforschung finanzieren sollte.