Bremen. Mit Blick auf Fehlzeiten in der ärztlichen Weiterbildung soll an der Musterweiterbildungsordnung (MWBO) gefeilt werden – jedoch nur minimal. So hat der Deutsche Ärztetag am Donnerstag (26. Mai) beschlossen, den entsprechenden Passus um das Wort „grundsätzlich“ zu ergänzen.
Es handelt sich dabei um einen juristischen Kniff, um die Problematik der Fehlzeiten zu adressieren. Denn: Bislang werden diese nicht auf die Weiterbildung angerechnet; nur einzelne Kammern haben dies bereits verankert. In der Folge bedeutet das, dass angehende Ärztinnen und Ärzte Krankheitstage oder Wochen, die als Elternzeit genommen wurden, prinzipiell per neuem Vertrag an die reguläre Weiterbildungzeit dranhängen müssen. Hausärztinnen und Hausärzte im Deutschen Hausärzteverband hatten dies schon in der Vergangenheit kritisiert.
Das nun eingeschobene Wort „grundsätzlich“ mag im Ohr von Laien klingen, als verschärfe es die Situation. In der Tat verbessert es die Situation jedoch insofern, als dass es die Tür für Ausnahmen öffnet. Der Antrag wurde von den Delegierten des Deutschen Ärztetags mit nur wenigen Enthaltungen und ohne Gegenstimme angenommen. „Die Änderung (…) soll Ausnahmen ermöglichen. Damit können individuelle Sachverhalte und Anliegen der Ärztinnen und Ärzte für die Weiterbildung Berücksichtigung finden sowie flexiblere, sachgerechte und einzelfallbezogene Entscheidungen getroffen werden”, heißt es in der Begründung.
Hitzige Debatte um “Sechs-Wochen-Grenze”
Für eine Debatte sorgte daran anknüpfend, inwiefern die möglichen Ausnahmen konkretisiert werden sollten. In zwei Anträgen wurde angeregt, bis zu sechs Wochen Fehlzeiten regelhaft als Weiterbildungszeit anzuerkennen. Auch Vertreter verschiedener Landeshausärzteverbände unterstützten diesen Vorstoß, um die Weiterbildung einerseits nicht durch organisatorische Hürden zu erschweren, andererseits eine gesunde Einstellung zu Gesund- und Krankheit vorzuleben.
Die Diskussion spaltete die anwesenden Ärztinnen und Ärzte. In mehreren Redebeiträgen kritisierte ein Lager, dass sechs Wochen „irgendwie freigenommen werden könnten, ohne Kontrolle“ – hochgerechnet auf die Weiterbildungszeit von sechs Jahren seien das 36 Wochen und damit viel zu lang.
Gegen diesen „Generalverdacht“ wehrte sich das andere Lager entschieden. „Die Leute wollen doch eine gute Weiterbildung, es bleibt doch niemand einfach so sechs Wochen daheim“, betonte Carsten Mohrhardt (Baden-Württemberg). Dr. Helene Michler (Berlin) brachte es knapp auf den Punkt: „Elternzeit, Schwangerschaft, Kranksein – das sind doch keine Notlagen, die es in einer Einzelfallprüfung zu prüfen gilt!“
In der Tat argumentierte Mohrhardt, der auch Vorsitzender des Weiterbildungsausschusses der Bezirksärztekammer Nordbaden ist, mit einer Vereinfachung der organisatorischen Abläufe auf allen Seiten. Baden-Württemberg hat als Vorreiter bereits einen entsprechenden Passus in der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer aufgenommen. „In der Corona-Pandemie war das ein Segen“, so Mohrhardt. „Wir waren – ganz gleich, ob wegen einer Infektion oder Quarantäne – doch alle irgendwann ein, zwei Wochen daheim.“
Beide Anträge, die sich für eine konkrete Nennung einer solchen „Sechs-Wochen-Grenze“ aussprachen, wurden jedoch mehrheitlich abgelehnt.
“Evaluation jetzt!”
Einen klaren Arbeitsauftrag hingegen gibt es mit Blick auf die Evaluation der Weiterbildung. In einem von Ruben Bernau (Niedersachsen) und anderen Hausärzten eingebrachten, mit deutlicher Mehrheit angenommenen Antrag wird der BÄK-Vorstand aufgefordert, “nochmals auf die Vorstände der Landesärztekammern einzuwirken, dass diese eine bundeseinheitliche, regelmäßige anonymisierte Evaluation der Weiterbildung, z. B. unter Nutzung des eLogbuchs, durchführen”.
Der Deutsche Ärztetag hatte bereits in der Vergangenheit auf die Bedeutung einer strukturierten Evaluation hingewiesen. Aktuell wird erarbeitet, wie diese aussehen kann. Auf dem Deutschen Ärztetag 2023 sollen Ergebnisse aus allen Landesärztekammern (LÄK) vorgelegt werden.
“Weiterhin fehlen die Konsequenzen und damit einhergehende notwendige Veränderungen, die sich aus den erhobenen Daten ergeben”, heißt es in dem Antrag der Vertreter verschiedener Landeshausärzteverbände. “Es sollten regelmäßige Rückmeldungen an die Weiterbildenden erfolgen, um nicht zuletzt Verbesserungen, aber auch Zuspruch für Best-Practice-Modelle motivierter Weiterbildender zu kommunizieren.”
MWBO-Umsetzung bis Ende 2022 erledigt
Insgesamt zeigten sich Dr. Johannes Gehle und Prof. Henrik Herrmann, die seitens der BÄK mit der MBO betraut sind, zufrieden. Unter die Umsetzung der MWBO könne mit Ende des Jahres ein Strich gesetzt werden. In 15 Landesärztekammern sei sie bereits in Kraft getreten, die übrigen zwei folgten noch 2022, so Gehle und Herrmann.
Insgesamt, so Hermmann, sei man mit der Reform der Weiterbildung zufrieden. Das Ziel, mit der kompetenzbasierten Ausrichtung näher an die Praxis zu kommen, sei gelungen.
Ein großes Thema sei nun, wie die Befugnisse künftig (neu) erteilt würden. Auch an dieser für weiterbildende Hausärztinnen und Hausärzte relevanten Stelle zeigt sich abermals der regionale Flickenteppich, den der Deutsche Hausärzteverband an verschiedenen Stellen rund um die Umsetzung der MWBO kritisiert hat. Denn: Auch die Erteilung der Befugnisse wird kammerspezifisch umgesetzt. Fragen etwa der Übergangsregelungen seien also von Kammer zu Kammer unterschiedlich gelöst, kritisierten auch Gehle und Herrmann in ihrem Sachstandsbericht.