126. Deutscher ÄrztetagNeue GOÄ kommt in den “Echtbetrieb”

Auf der Dauerbaustelle GOÄ scheint sich etwas zu tun: Zur Eröffnung des 126. Deutschen Ärztetags kündigt BÄK-Chef Dr. Klaus Reinhardt den Start einer neuen Testphase an – und überreicht Gesundheitsminister Lauterbach ein dazu passendes Geschenk.

Auf eine neue GOÄ warten Ärztinnen und Ärzte schon seit Jahren.

Bremen. In die Reform der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) kommt neue Bewegung. Das hat Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), zur Eröffnung des 126. Deutschen Ärztetags in Bremen angekündigt. Nach dem Ärztetag starte eine Testphase, in der „im realen Betrieb“ alte und neue GOÄ gegenübergestellt werden sollen, um die Bepreisung voranzubringen und hier konkrete Daten zu gewinnen.

Auf der Grundlage dieser Testphase „wird dann die endgültige Einigung erfolgen“, teilten Reinhardt und PKV-Chef Dr. Florian Reuther am Montag (24. Mai) flankierend mit. Die Verhandlungen über die Preise liefen derzeit „intensiv“. „Es geht darum, die Auswirkungen auf die Ärztinnen und Ärzte und die Versicherten abzusichern.“

Die Preise seien der einzige Knackpunkt, der aktuell noch fehle, sagte Reinhardt in seiner Eröffnungsrede zum Ärztetag. 5590 Leistungen und Leistungsbeschreibungen seien konsentiert.

Gastgeschenk mit Seitenhieb

Als Zeichen der Dringlichkeit des Projekts übergab Reinhardt am Dienstag (24. Mai) eine erste gedruckte Version der neuen GOÄ an Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach. Lauterbach stutzte angesichts des Wälzers zwar kurz, garantierte daraufhin jedoch die „Prüfung“.

Für seine Kritik an der Dauerbaustelle GOÄ erntete Reinhardt unterdessen tosenden Beifall. Dass sich bislang nichts getan habe, empfinde die Ärzteschaft mittlerweile als „Affront“, so Reinhardt.

Eine neue GOÄ würde die Arbeit erleichtern, Transparenz schaffen und durch Vermeidung von bürokratischen Rechnungsprüfungen mehr Zeit für die Versorgung ermöglichen, so Reinhardt. „Ein weiteres Verschleppen dieser dringend notwendigen Reform ist weder Ärztinnen und Ärzten und schon gar nicht Patientinnen und Patienten noch länger zuzumuten.“

Digitalisierung wird “verantwortungslos” durchgedrückt

Deutliche Kritik platzierte Reinhardt auch an einem weiteren Dauer-Ärgernis der Ärztinnen und Ärzte: der fehlerbehafteten Digitalisierung. „Es ist das Gegenteil von verantwortungsbewusster Gesundheitspolitik, wenn unreife Anwendungen eingeführt werden, nur damit die Verantwortlichen einen Haken auf ihrer To-do-Liste machen können“, so Reinhardt.

Wenn in einem Zeitraum, in dem 2,5 Millionen Rezepte insgesamt ausgestellt werden, nur 42 E-Rezepte fehlerfrei durchliefen, sei das eine „niederschmetternde Bilanz“. „Wir laufen große Gefahr, die Akzeptanz der Ärztinnen und Ärzte für digitale Technik zu verspielen, wenn diese nicht anwendungsbereit sind“, warnte der BÄK-Chef und unterstrich damit die Haltung des Deutschen Hausärzteverbandes, der seit Jahren für eine Digitalisierung plädiert, die echten Mehrwert in der Praxis schafft.

Lauterbach: “Werde Ärzte einbeziehen”

Lauterbach nahm die Kritik auf, widersprach an anderen Stellen jedoch deutlich. Beispielsweise mit Blick auf die jüngst von ihm ins Leben gerufene Expertenkommission zur Vorbereitung der Klinikreform: Reinhardts „Bedauern“, dass die Kommission allein mit Theoretikern besetzt ist, während ärztliche Vertreter oder Selbstverwaltung fehlen, wies Lauterbach zurück. Er sei sich „vollkommen im Klaren“, dass es die Erfahrungen aus der Praxis braucht. „Sie werden alle einbezogen sein“, sicherte er Reinhardt zu. „Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass etwas gelingen kann, ohne dass wir es ohne die Praktiker abgestimmt haben.“

Reinhardt unterstrich in diesem Zusammenhang, dass die Ärzteschaft erwarte, „regelmäßig, strukturiert und verlässlich“ in die Beratungen eingebunden zu werden.

Vorbereitung auf Corona-Herbst

Eine Stelle, in der dies in der Vergangenheit versäumt worden war, ist der Umgang mit der Corona-Pandemie, in der (haus-)ärztliche Expertise immer wieder außen vor gelassen wurde.

Aktuell bereite man mit Blick auf den Herbst „intensiv“ eine neue Impfstrategie vor, ließ Lauterbach durchblicken. „Der dritte Herbst soll nicht wie der zweite Herbst sein.“ Darüber hinaus sei jedoch besseres Wissen, eine bessere Datenlage und Strategien zum Umgang mit Long Covid erforderlich.

In Zusammenhang mit den Pandemien bat Lauterbach die deutsche Ärzteschaft, das Thema Klimawandel auf dem Schirm zu haben. Das Risiko für Zoonosen steige schon bei kleinen Klimaveränderungen an, und zwar exponentiell.

Forderung nach mehr Studienplätzen

Einigkeit zwischen Reinhardt und Lauterbach herrschte mit Blick auf die Dringlichkeit des ärztlichen Nachwuchses. Der steigende Behandlungsbedarf in der alternden Gesellschaft ist eines der Schwerpunktthemen des 126. Deutschen Ärztetages, der bis Freitag in Bremen tagt.

Lauterbach sieht eine Lösung im Schaffen von mehr Medizinstudienplätzen. „Es ist ein großer Fehler der Länder, sich hier bislang nicht mehr zu engagieren“, sagte er zur Eröffnung des Ärztetags. Auch Reinhardt spricht von einem Plus von 15 Prozent.

Für seine Mahnung, den eigenen Bedarf nicht dadurch zu decken, mit Hilfe einer besseren Bezahlung Ärztinnen und Ärzte aus ihren Heimatländern „wegzuschnappen“, erntete Lauterbach den Beifall der Anwesenden. „Das wäre unethisch“, herrschte Einigkeit.

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