Montgomerys AbschiedEin Hamburger für Europa

Prof. Frank Ulrich Montgomery hat das Amt als Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) abgegeben. Ein Blick auf acht Jahre an der Spitze – und das, was der 67-Jährige nun noch vorantreiben will. PLUS: "Monti" im Abschieds-Podcast.

Münster. “Es gibt auch ein Leben nach der Bundesärztekammer.” Beifall wird im Saal laut, die 250 Delegierten des Deutschen Ärztetags erheben sich von ihren Plätzen – doch verabschieden sie in diesem Moment nicht ihren Präsidenten Prof. Frank Ulrich Montgomery, sondern die BÄK-Justiziarin Marlis Hübner, die die Kammer verlassen wird. Die Worte, die Montgomery zu ihrem Abschied findet, sind gleichwohl bezeichnend für seinen Tag.

Denn nur wenige Stunden später wird der 66-Jährige nach acht Jahren an der Spitze der BÄK sein Amt abgeben. Bereits im vergangenen Jahr hatte er angekündigt, nicht mehr kandidieren zu wollen – in Münster stehen dafür vier andere Kandidaten in den Startlöchern. Das zu bekleidende Amt ist kein unbedeutendes. Die Bundesärztekammer ist die Spitzenorganisation der ärztlichen Selbstverwaltung, sie vertritt die Interessen von knapp 500.000 Medizinern in Deutschland.

100 Journalisten zum Start ins Amt

Dass man in dieser Position etwas bewegen kann, hat Montgomery in seiner Amtszeit gespürt, findet er. “Wir haben viel erreicht”, meint er bei einem Blick auf die letzten Jahre. Aber: “Wir haben auch viele Aufgaben neu dazubekommen seit meinen Anfängen.”

Sein größter persönlicher Erfolg: die Aufarbeitung des Organspende-Skandals. “Da war ich gerade frisch gewählt”, erinnert sich Montgomery an den turbulenten Start. “Bei der ersten Pressekonferenz war ich mit 100 Journalisten konfrontiert.” In den folgenden Jahren hat er sich immer wieder für mehr Transparenz und eine konsequente Aufarbeitung starkgemacht – mit Erfolg, wie er als Bilanz bei seiner letzten Pressekonferenz im Amt befindet. “Heute sind bei der Vorlage unserer jährlichen Berichte gerade mal eine Handvoll Journalisten vor Ort. Dass wir es also geschafft haben, weg vom Skandal und hin zur Transparenz als Normalität zu kommen, erfüllt mich mit Stolz.”

Dabei sind es gerade diese ethischen Themen, bei denen der mit einer Ärztin verheiratete Vater von zwei Kindern klar Stellung bezieht: Montgomery ist Befürworter der Widerspruchlösung für die Organspende sowie des Verbots der Präimplantationsdiagnostik (PID). Und: Ärztliche Beihilfe führt aus seiner Sicht direkt zur Tötung auf Verlangen. Jüngstes Beispiel für ein ethisch wichtiges Thema ist die Debatte um Paragraf 219a. Die BÄK werde ihre Aufgabe, über das Angebot von Schwangerschaftsabbrüchen zu informieren, verantwortungsvoll übernehmen, kündigt Montgomery auch für die Zeit nach seinem Abschied an. “Wir machen das völlig wertfrei und erfüllen hier eine gesellschaftliche Aufgabe, die uns gestellt wurde.”

“Danke für die ironischen Seitenhiebe”

Um seine Positionen zu platzieren und die BÄK als Interessenvertretung in der Politik zu platzieren, hat Montgomery – von langjährigen Kollegen auch bei offiziellen Anlässen meist liebevoll “Monti” genannt – stets auf eine Mischung aus Stringenz und Humor gesetzt. “Danke für die ironischen Seitenhiebe, die die Sitzungen des Deutschen Ärztetags immer besonders gemacht haben”, lobte in seinem Redebeitrag am Mittwoch (29. Mai) ein Delegierter. Gleichzeitig hat er auch vor klaren Worten nie zurückgeschreckt: Als er die “Antragsflut” des vergangenen Ärztetages gegenüber “Der Hausarzt” etwa als “absurd” bezeichnete, oder als er als eine seiner letzten Amtshandlungen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) klare Kritik an seinem Verständnis der Selbstverwaltung mit auf den Weg gegeben hat.

Dabei sieht Montgomery durchaus, welche Baustellen er nicht fertigstellen konnte – die Reform der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) etwa. Der Status Quo sei eine Zumutung: “Wir arbeiten noch immer mit der gleichen Gebührenordnung wie vor 35 Jahren. Zahlreiche Leistungen sind darin nicht mehr abgebildet.” Dass er hier nicht mehr geschafft hat, “schmerzt”, gibt Montgomery im Gespräch zu.

Gleichwohl: Sein Selbstverständnis ist klar. “Ich habe mich immer als Sprachrohr und Diskussionspartner für die Politik gesehen”, fasst er zusammen. Dass ihm das – trotz noch offener Baustellen – doch oft gelungen ist, schreiben Wegbegleiter auch der hanseatischen Art Montgomerys zu.

Sorge vor mehr Dienstreisen

Seine Erfahrungen – zuvor stand Montgomery von 1989 bis 2007 an der Spitze des Marburger Bundes (MB) – will der Hamburger nun auf die europäische Ebene tragen. „Ich werde nicht in den Orbit verschwinden“, bekräftigte Montgomery bei seiner letzten Pressekonferenz der Amtszeit, „sondern in Europa weitermachen.“ Seit Mitte November ist er Präsident der Generalversammlung des Ständigen Ausschusses der Ärzte der europäischen Union (CPME), außerdem Vorsitzender des Weltärztebundes.

Eines seiner großen Themen sei nun, den Zugang aller Menschen zu medizinischer Versorgung zu verbessern. Dazu wird er wohl regelmäßig reisen, sagt er – ein Teil seiner neuen Tätigkeit, den er explizit fürchte. Aber: Auch aus der Ferne werde er beobachten, was sich in Deutschland weiterhin tut, kündigte er jüngst vor Journalisten an. Notfalls eben aus den “Lufthansa Lounges”, wo er künftig viel Zeit verbringen werde. Als Ehrenpräsident – ernannt zum Abschluss des Ärztetages am Freitag (31. Mai), nach einem Geburtstags-Kanon der 250 Delegierten zu seinem 67. Geburtstag – wird er der BÄK auch ganz offiziell verbunden bleiben.

Nichtsdestotrotz: Dass es nun zu neuen Ufern geht, sieht Montgomery klar. Das zeigt sich auch beim Abschied der Justiziarin vor den Delegierten. Ihr murmelt Montgomery während des abebbenden Applauses lächelnd zu: „Du wirst hier jetzt nicht mehr gebraucht.“

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