Corona-ImpfungAb April “flächendeckend” in die Praxis

Während Bund und Länder über ihrer Öffnungsstrategie brüten, zeichnet sich bereits ab: Nicht nur Schnelltests, auch die Impfung in den Hausarztpraxen soll schnell zurück in die Normalität führen. Die Hausärzteverbände begrüßen dies. Doch mit Blick auf Vergütung und Prozedere im Praxisalltag bleiben noch Fragen offen.

Impfung auch in der Hausarztpraxis: Ab April soll das flächendeckend der Fall sein.

Berlin. Ab April sollen Haus- und Facharztpraxen „flächendeckend“ in die Impfungen gegen das Coronavirus eingebunden werden. Das sieht der Referentenentwurf für eine abermalige Anpassung der Impfverordnung mit Datumsstempel 2.3. vor, der der Redaktion von „Der Hausarzt“ vorliegt. „Arztpraxen und Betriebsärztinnen und -ärzte können Schutzimpfungen erbringen, soweit ihnen hierfür Impfstoff zur Verfügung steht“, heißt es hierin.

Wann genau die neue Impfverordnung beschlossen wird, war am Mittwochnachmittag (3.3.) noch unklar. Es ist jedoch davon auszugehen, dass nach dem Abschluss der Bund-Länder-Beratungen, bei denen unter anderem Öffnungen dank eines breiten Einsatzes von Schnelltests diskutiert werden, sowohl Impf- als auch Testverordnung sehr zeitnah in angepasster Form in Kraft treten werden.

Die Fragen der Logistik, der Distribution, der Verfügbarkeit von Impfzubehör und der Datenübermittlung ans Robert Koch-Institut befänden sich in der finalen Abstimmung, heißt es aktuell aus dem Gesundheitsministerium.

Hausarztpraxen stehen bereit

Der Deutsche Hausärzteverband sowie zahlreiche Landeshausärzteverbände hatten in den vergangenen Wochen dafür plädiert, die Impfung schnell in die Praxen zu holen. „Es wird schon langsam skandalös, dass Menschen sterben oder schwer erkranken werden, weil große Mengen an Impfstoffen zwar vorhanden sind, aber nicht verabreicht werden“, teilte etwa der Landesvorsitzende des Sächsischen Hausärzteverbandes, Steffen Heidenreich, am Mittwoch (3.3.) mit.

Da die Impfgeschwindigkeit stark erhöht werden müsse, müssten die Hausarztpraxen schnell der zentrale Ort des Impfprogramms werden. Dies gelte umso mehr, da sich derzeit die Virus-Mutante B.1.1.7 stark ausbreite.

Impfen sei eine Kernkompetenz der Hausärzte, betonen die Hausärzteverbände unisono. Auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), Prof. Martin Scherer, rief Bund und Länder auf, „die Corona-Impfung auch dorthin zu holen, wo sie ihren natürlichen Platz hat: in den Hausarztpraxen“.

Eine Modellrechnung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) sieht andernfalls gar einen drohenden „Impfstau“, da die Kapazitäten in den Impfzentren schon bald nicht mehr ausreichen würden.

Modellprojekte zeigen erste Erfolge

Damit die Praxen regulär in die Impfkampagne eingebunden werden können, muss zuvor jedoch die Impfverordnung des Bundes geändert werden. Bislang ist die Impfung lediglich in Modellprojekten möglich, so etwa in Brandenburg, Thüringen oder Rheinland-Pfalz, wo zunächst vier Hausarztpraxen Hochbetagte bei Hausbesuchen impfen (s. Kasten am Textende).

Voranmarschiert war der Landkreis Nordwest-Mecklenburg, wo zehn Hausarztpraxen regulär in den eigenen Räumen gegen das Coronavirus impfen.

Podcast-Tipp: Im Hausarzt-Podcast „HörBesuch“ spricht der impfende Hausarzt Dr. Fabian Holbe über das Modellprojekt im Nordosten, die Organisation neben der eigenen Sprechstunde und unfassbare Reaktionen von Patienten.

Gerade mit Blick auf die Arzt-Patienten-Kommunikation jedoch zeigt sich ein bedeutendes Problem, würde weiterhin nur in Modellpraxen geimpft: Die Unterscheidung dürfte vielen Patientinnen und Patienten nicht klar sein, was zu neuer Verunsicherung führen könnte. Aus Sicht der Hausärztinnen und Hausärzte ist ein flächendeckendes Angebot daher unverzichtbar.

20 Euro pro Impfung – doch wie viel Bürokratie ist dafür nötig?

Für ein Ausrollen in die Fläche jedoch lässt die aktuelle Beschlussvorlage gerade diese praxisnahen Überlegungen offen.

Ein Beispiel: Der Beschlussentwurf sieht ein Honorar von 20 Euro pro Impfung vor. Für eine alleinige Impfberatung ohne nachfolgende Impfung sollten Ärzte zehn Euro erhalten. Eine solche Trennung von Beratung und Impfleistung hatte der Deutsche Hausärzteverband explizit gefordert.

Doch: Die 20 Euro Honorar erhalten Hausärzte laut dem Papier, „sofern die impfende Ärztin oder der impfende Arzt die Verpflichtung zur Teilnahme an der Impfsurveillance erfüllt“. Gemeint ist damit die beim Robert Koch-Institut (RKI) angesiedelte strukturierte Überwachung der Impfungen. „Die Impfzentren und die bei ihnen angegliederten mobilen Impfteams oder die durch Landesrecht bestimmte Stelle“ müssen demnach täglich verschiedene Parameter übermitteln:

  1. Patienten-Pseudonym, Geburtsmonat und -jahr sowie Geschlecht, Postleitzahl und Landkreis sowie
  2. Kennnummer und Landkreis des Impfzentrums, Impfdatum, Erst- oder Folgeimpfung und Name des Impfstoffs.

Laut Beschlussvorlage gilt für Arztpraxen und Betriebsärzte nur die Übermittlung der unter 2. genannten Angaben – doch auch dies würde neuen bürokratischen Aufwand bedeuten. Fraglich bleibt, ob einzelne Kassenärztliche Vereinigungen (KV), über die die Abrechnung laufen wird, diesen auf eine einfache „Strichliste“ eindampfen könnten.

Gerade bei Antigen-Schnelltests, etwa beim Personal befreundeter Praxen, reichte zuletzt in einzelnen KV-Regionen die formlose Übermittlung der Testzahlen ohne umfangreiche Angabe von Patientennamen, Datum etc.

Erst Attest, dann Impfung – und beides in der Praxis?

Ein weiteres Beispiel sind die Atteste zur Bescheinigung von Vorerkrankungen, die bestimmte Angehörige der Priorisierungsgruppen zwei und drei vorlegen müssen. In der Beschlussvorlage sind diese weiterhin in der Kostenrechnung aufgeführt – mit den bereits jetzt gezahlten fünf Euro pro Attest plus 90 Cent bei postalischem Versand.

Doch wenn die Impfung selbst in der Hausarztpraxis stattfinden wird, ist ein solches vorheriges Ausstellen eines Attestes wenig sinnhaft und würde sowohl für den Arzt als auch den Patienten doppelte Arbeitsschritte und Wege verursachen.

STIKO soll Astrazeneca-Empfehlung überarbeiten

Die jüngste Anpassung der Impfverordnung erfolgte übrigens erst vergangene Woche: Wer in Grund- und Förderschulen oder Kindertagesbetreuungseinrichtungen arbeitet, rückte mit Aktualisierung vom 24.2. in Prioritätsstufe zwei (zuvor drei) auf. Diese Impfungen sind in vielen Bundesländern bereits angelaufen.

Denn: Hier kann vermehrt der Astrazeneca-Impfstoff zum Einsatz kommen, was in der abermaligen Überarbeitung der Impfverordnung explizit als Ziel unterstrichen wird.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat eigenen Angaben zufolge unterdessen die Ständige Impfkommission (STIKO) gebeten, ihre Empfehlungen bezüglich der Astrazeneca-Vakzine anzupassen. Diese wird derzeit in Deutschland nur bis zu einem Alter von 64 Jahren verimpft, da Studien für ältere Gruppen zuletzt fehlten.

Neuen Studien zufolge wirke die Astrazeneca-Vakzine auch bei Menschen über 65 Jahren sehr gut, so Spahn. Sollte die STIKO seinen Wunsch befolgen, würde sich damit bereits die nächste Überarbeitung der Impfverordnung abzeichnen.

Bereitschaft zur Impfung wächst

Eine große Mehrheit der Deutschen will sich laut einer Umfrage so schnell wie möglich gegen das Coronavirus impfen lassen. 73 Prozent der Befragten beabsichtigen eine Impfung, sobald sie die Chance dazu haben, wie die am Mittwoch (3.3.) veröffentlichte Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Forsa für das RTL/ntv-“Trendbarometer” ergab.

Zum Vergleich: Mitte Februar lag der Anteil derer, die eine Impfung wollen, laut Forsa-Umfrage noch bei 68 Prozent. Zwölf Prozent gaben bei der aktuellen Erhebung an, weiterhin erstmal abwarten zu wollen. Acht Prozent verzichten lieber ganz auf ein Corona-Vakzin.

Mit Material von dpa

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