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Hausarzt MedizinWegweisende Stress-Diagnostik

Eine klar definierte und gezielte Stressdiagnostik gibt es im Bereich der ambulanten und klinischen Versorgung von stressbedingt erkrankten Patienten bisher nicht. Die anerkannten diagnostischen Standards registrieren zwar typische Stress-Symptome oder stressbedingte Erkrankungen, wie etwa die Essentielle Hypertonie, die Koronare Herzerkrankung oder den Diabetes mellitus Typ II, eine differenzierte Untersuchung der zu Grunde liegenden Ursache aber erfolgt nicht.

Sowohl diagnostisch als auch therapeutisch verharren wir auf einer rein Symptom- orientierten Vorgehensweise und übersehen so die eigentliche Ursache dieser Erkrankungen und Funktionsstörungen. Es verwundert deshalb nicht, dass eine rein konservative Vorgehensweise weder in der Prävention noch in der effektiven Therapie stressbedingter Erkrankungen erfolgreich ist. Erst die Berücksichtigung der Komplexität und der eigentlichen Ursachen dieser Stresserkrankungen, die deswegen auch eine andere, eben komplexere diagnostische Vorgehensweise verlangt, kann uns dem Ziel einer effektiven Prävention und Therapie näher bringen. Eine Stress-spezifische, kausal-orientierte Diagnostik besteht deswegen aus einer klar definierten Stress-spezifischen Anamnese, einer ebenso Stress-spezifischen Labordiagnostik, Stress-spezifischer Genanalytik und ausgesuchten technischen Untersuchungen.

Die Stress-Anamnese

Die Erhebung einer ausführlichen Anamnese ist von herausragender Bedeutung, gerade wenn es um die Beurteilung und Einstufung chronischer Stresserkrankungen geht. Die Stressforschung konnte nachweisen, dass schon der Verlauf einer Schwangerschaft und die dabei evtl. bestehende Stressbelastung der Mutter von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung einer erhöhten Stress-Sensitivität des Kindes sein kann. Auch frühkindliche Traumatisierungen – schon ein Krankenhausaufenthalt mit Entzug der mütterlichen Gegenwart stellt eine potenzielle Traumatisierung dar – sind von wesentlicher Bedeutung. Sie können zu epigenetischen Fixierungen in Form von DNA-Methylierungen führen, die zudem über mehrere Generationen weiter vererbt werden. Derartige traumatische Erfahrungen können die Stress-Sensitivität der Betroffenen erheblich erhöhen und damit Ihre Stresstoleranz entscheidend reduzieren. Ihre anamnestische Erfassung vermittelt ein vertieftes Verständnis für die individuell reduzierte Belastbarkeit eines Patienten.

Stress-spezifische Labordiagnostik

Patienten mit chronischen Stresserkrankungen weisen in der Regel ein völlig unauffälliges Standardlabor auf. Bei tiefergehender Labordiagnostik finden sich aber eine Vielzahl charakteristischer, pathologischer Befunde.

Besonders charakteristische und markante Stressparameter, die sich nahezu bei jedem Patienten finden sind:

  • Erhöhtes Interleukin 6
  • Reduzierte NK-Zellgrundaktivität
  • Abgeflachte oder im Frühstadium überhöhte Kortisol-Tageskurve im Speichel
  • Verminderter Adrenalinspiegel, später auch Noradrenalinspiegel, pathologische Noradrenalin/Adrenalin Ratio
  • Verminderter DHEA-Spiegel
  • Pathologischer Homa-Score-Index
  • Erhöhte Lipidperoxide
  • Erhöhtes Oxidiertes LDL-Cholesterin
  • Erhöhte DNA Oxidation
  • Erhöhte Nitrotyrosin, 4-Hydroxyniptrophenylsäure oder Citrullinspiegel
  • Erhöhte Methylmalonsäure (Zeichen für intrazellulären Vitamin-B12-Mangel)
  • Testosteronmangel oder pathologische Östradiol/Progesteron Ratio mit potenziell sekundärer Infertilität, Dysmenorrhoe, Libidoverlust, erektiler Dysfunktion
  • Pathologischer Omega 3-Index
  • 25 (OH) Vitamin-D (Calcidiol)-Mangel
  • Mangel an Magnesium, Natrium, Kalium, Zink, Selen, Kupfer, Molybdän oder Mangan
  • Erniedrigter BDNF (Brain-Derived-Nervegrowth-Faktor) als Hinweis auf eine potenzielle Hippokampusatrophie
  • Störungen des Tryptophanstoffwechsels mit Bildung von toxischen Abbauprodukten des L-Kynurenin Stoffwechsels.

Genetische Diagnostik

Wer mit chronischen Stresspatienten arbeitet, wird erst in der Folge einer differenzierten Gen-Analytik verstehen, wieso manche Patienten unter gleichen Stressbelastungen wesentlich gravierendere Erkrankungsformen entwickeln oder überhaupt krank werden, während andere keine oder wesentlich geringere Symptome aufweisen. Aus meiner persönlichen Erfahrung ist die Gen-Analytik in der Diagnostik von chronischen Stresserkrankungen nicht mehr wegzudenken.

In Zusammenarbeit mit dem Humangenetischen Labor Genosense in Salzburg, das qualitativ hochwertige Gen-Analysen anbietet, wurden zwei Stress-Profile entwickelt. Die Zellproben für die DNA-Analysen werden mit Stieltupfern durch intensives Reiben an der Mundschleimhaut gewonnen, und können von den Patienten auch alleine zu Hause entnommen werden. Die Ergebnisse der Untersuchung werden in einer ausführlichen Befundmappe dargestellt und diskutiert.

Der Stress-Sensor ist ein genetisches Profil aus 14 Genen und 19 Polymorphismen. Eine bewusste Auswahl einer Kombination aus drei genetischen Problemzonen:

  1. Polymorphismen von Genen, die zu chronischem Stress und zu gravierenden Stresserkrankungen führen können: Depression, ADHS, erhöhte Gewaltbereitschaft, schwere Gedächtnisstörungen, Angst und Panikattacken, Hyperkortisolämie und chronische Sympathikotonie mit gravierenden Langzeitfolgen.
  2. Polymorphismen von Genen die evtl. erhöhten Oxidativen Stress hervorrufen können und deswegen die ohnehin stressbedingt vermehrte Bildung von Sauerstoff- und Stickstoffradikalen in ihrer Auswirkung in geradezu fataler Weise verstärken können.
  3. Polymorphismen der Phase I-und Phase II-Entgiftungsenzyme, die in der Konsequenz zu vermehrter intrazellulärer und intra- mitochondrialer bzw. interstitieller Toxineinlagerung mit funktionellen und strukturellen mitochondrialen Zytopathien und erhöhtem Oxidativen Stress führen können. Dieser Gruppe wird auch die außerordentlich wichtige Catechol-O-Methyltransferase (COMT), ebenfalls ein Entgiftungsenzym, zugerechnet, deren Minderaktivität zu deutlicher Anhebung der Katecholaminspiegel, einem komplexen Symptomenbild und langfristig zu schweren Mitochondriopathien und Erschöpfungszuständen führen kann.

Technische Untersuchungen

Neben den Standards, wie gründliche körperliche Untersuchung, EKG, Lungenfunktion, Ultraschalluntersuchung des Herzens, des Abdomens und der Schilddrüse sind ergänzend vor allem folgende diagnostische Verfahren wichtig:

a. Untersuchung des Autonomen Nervensystems mittels Herzratenvariabilität (HRV).

b. Die Body Impedanzanalyse (BIA).

c. Die Stoffwechseluntersuchung mittels Atemgasanalytik (Indirekte Kalorimetrie).

d. Der Laktat-Stufentest evtl. kombiniert mit Spiroergometrie.

Mit diesen Untersuchungen lässt sich in der Regel die vorzufindende Erschöpfung des Parasympathischen Bremssystems und eine Störung der nächtlichen Regeneration des Zentralnervensystems durch intermittierende oder persistierende Sympathikotonie im 24 Stunden- HRV-Test nachweisen.

Auch eine stressbedingte deutlich erhöhte Kohlenhydratverbrennung bei typischerweise deutlich erhöhtem Ruheumsatz, eine häufig stark reduzierte Sauerstoffaufnahme in die Zelle bei sehr guter Sauerstoffsättigung, eine chronische Hyperventilation bei stressbedingtem Zwerchfellspasmus, eine gestörte Zellfunktion bei stressbedingter Verschiebung der Körperkompartimente (Stress-Bauch, Störungen des Wasserhaushalts, Muskelabbau etc.) und eine deutlich reduzierte körperliche Belastbarkeit mit schnellem Erreichen der anaeroben Schwelle schon bei geringen Belastungsstufen, sind eindrucksvoll nachweisbar. So lassen sich auch Trainingsprogramme ausarbeiten, die dem reduzierten Belastungszustand der Patienten entsprechen.

Der AVEM Test

Der Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster-Test (AVEM) ist ein psychologisches Testverfahren, bei dem sich sozialisationsbedingte Risikotypen herausfiltern lassen, bei denen charakteristische Muster wie hohes Perfektionsstreben, überhöhte Verausgabungsbereitschaft, sehr hoher Ehrgeiz, eine Überbetonung der Bedeutung des Berufs bei gleichzeitig fehlender Distanzierungsfähigkeit, Resignationstendenz bei Misserfolg und meist schlechten emotionalen Werten für innere Ruhe und Ausgeglichenheit, Lebenszufriedenheit, Erfolgserleben im Beruf und soziale Unterstützung im Vordergrund stehen.

Gerade weil die subjektive Wahrnehmung einer chronischen Stressbelastung häufig nicht vorhanden ist, kann dieser über ein Softwareprogramm sehr leicht auszuwertende Test, außerordentlich hilfreich sein.

Service

Stress-spezifische Labor-Untersuchungen können bei der Ganzimmun Diagnostics AG in Mainz durchgeführt werden (Tel.: 06131-72050). Hier kann der Auftragsbogen Stress-Profile angefordert werden. Er enthält die mind-up-Programme:

  • Stressprofil Basic I
  • Stressprofil Basic II
  • Stressprofil Complete

Weitere Informationen auch unter www.persoenlichkeitspsychologie-potsdam.de, Prof. Dr. Uwe Schaarschmidt, Institut für Psychologie, Universität Potsdam.

Literatur beim Verfasser.

Mögliche Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.

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