Die Bonner Venenstudie machte die hohe Prävalenz von Venenerkrankungen in der deutschen erwachsenen Bevölkerung deutlich [1]. Nur 10 Prozent zeigten keinerlei Veränderungen, 23 Prozent wiesen Krampfadern auf, 17 Prozent hatten das Krankheitsbild einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI). Über Beinbeschwerden wurde besonders häufig berichtet (56 Prozent).
Eine Nachbeobachtung sieben Jahre später (Bonner Venenstudie II) ergab einen Anstieg der Prävalenz von Varikosen und CVI. Die Inzidenz der Entwicklung von Krampfadern oder einer CVI betrug 2 Prozent pro Jahr [2]. Außerdem konnte gezeigt werden, dass bei Vorliegen von Krampfadern die Wahrscheinlichkeit, eine CVI zu entwickeln, erheblich (1,5- bis 5-fach) steigt.
In einer weiteren Studie berichteten 26,5 Prozent der Befragten über besondere Belastung in den Sommermonaten, die Hälfte (50,8 %) beschrieb keine Schwankungen der Symptome im Jahresverlauf [3].
Ursachen
Das Risiko, an einer CVI zu erkranken, ist den meisten Patienten in die Wiege gelegt. Nebender erblichen Veranlagung spielen auch das Alter sowie in geringerem Maße das Geschlecht bzw. die Einnahme von Hormonen eine Rolle. Verstärkend wirken sich Adipositas und Bewegungsmangel, z. B. durch vorwiegend stehende oder sitzende Tätigkeiten, oder das Tragen von Schuhen mit hohen Absätzen aus. Sekundär kann eine CVI z.B. nach Thrombosen oder Venenklappendefekten entstehen.
Symptome
Für Betroffene sind es zu Beginn die müden, schweren Beine, die die Lebensqualität enorm beeinträchtigen – Beschwerden, die im Tagesverlauf oder bei höheren Temperaturen zunehmen, sich aber durch Hochlagern der Beine vorübergehend bessern. Zudem klagen viele Patienten über Beinschmerzen, Hautjucken oder -spannen. Die klinischen Zeichen der CVI sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Therapieziele
Der Leidensdruck bei der chronischen venösen Insuffizienz beginnt recht früh. Aufgrund der hohen Zahl der betroffenen Patienten und der insbesondere anfangs saisonalen Beschwerden wird das Leiden meist banalisiert. Viele Patienten suchen oft lange und vergeblich nach einem Ansprechpartner für ihre Beschwerden.
Ziel ist es, frühzeitig zu behandeln, um die Lebensqualität zu verbessern, die Progression zu verhindern und schweren Verläufen vorzubeugen. Vorrangige Therapieziele bei chronischen Venenerkrankungen sind die Verbesserung der Lebensqualität, die Linderung subjektiver Symptome, die Beseitigung von Ödemen, die Besserung von Hautveränderungen sowie die Abheilung bzw. Verhinderung von Unterschenkelgeschwüren. Zusätzlich sollen thromboembolische Ereignisse und postthrombotische Komplikationen verhindert werden [4].
Therapie
Gemäß der aktuellen praktikablen Empfehlung ruht die Therapie nach der Diagnosestellung auf drei Säulen [4].
❶ Invasive Therapie (Krossektomie, Stripping, Phlebektomie, Sklerosierung, Laseroder Radiofrequenztherapie etc.): Sofern durchführbar, steht die invasive Sanierung einer symptomatischen Varikose an erster Stelle der Therapie. Die Auswahl des Verfahrens richtet sich sehr individuell nach dem Patienten.
❷ Kompressionstherapie (medizinische Kompressionsstrümpfe, phlebologischer Kompressionsverband): Bereits niedrige Kompressionsstärken (20 mmHg) können ausreichen, um Beinbeschwerden effektiv zu lindern, eine Erhöhung des Kompressionsdrucks scheint hingegen keinen weiteren Nutzen zu bringen. Allerdings muss die mitunter sehr schlechte Compliance des Patienten berücksichtigt werden. Obwohl die Compliance für Strümpfe höher ist als für Verbände, werden etwa die Hälfte der verordneten Kompressionsstrümpfe nicht getragen. Als Gründe hierfür werden Unverträglichkeit, Unbequemlichkeit und Schwierigkeiten beim Anziehen angegeben. Viele Patienten klagen über Hautjucken und trockene, schuppende oder gerötete Haut. Daher ist eine gute Hautpflege, darüber hinaus ein gut sitzender, leicht anzuziehender Strumpf eine wichtige Voraussetzung, um die Compliance zu steigern [5].
In erster Linie bilden die Strümpfe oder Verbände durch Druck von außen ein Gegenlager zur Wadenmuskulatur und erzeugen bei Beinbewegung einen verbesserten, beschleunigten Rücktransport des venösen Blutes. Eine gleichzeitige Verminderung des Gefäßdurchmessers kann zur Verbesserung noch funktionstüchtiger Venenklappen führen [6].
❸ Medikamentöse Therapie mit Ödemprotektiva (Roter-Weinlaub-Extrakt, Rosskastaniensamen- Extrakt, Oxerutin): Zur oralen medikamentösen Therapie der CVI stehen in Deutschland drei Wirkstoffe mit evidenzbasierter Wirksamkeit zur Verfügung, zwei davon pflanzlichen Ursprungs. Klinische Studien mit Rote-Weinlaub-Extrakt, Rosskastaniensamen-Extrakt und Oxerutin zeigen einen signifikanten Rückgang der Unterschenkelödeme bei CVI-Patienten. In Studien mit dem flavonoidreichen Rote-Weinlaub-Extrakt und dem semisynthetischen Flavonoid Oxerutin wurde darüber hinaus auch eine Verbesserung der Symptome, z. B. der Beinschmerzen, gezeigt. Das Wirkprinzip der Flavonoide ist eine Abdichtung der Venenwand durch Eingriff in den entzündlichen Prozess [7]. Eine Studie mit dem Rote-Weinlaub-Extrakt zeigte sogar eine Besserung der Mikrozirkulation [8].
Unterschiede zwischen diesen Therapeutika bestehen vor allem in der Anzahl der durchgeführten Studien und dem Dosierungsintervall (1 × oder 2 × täglich). Zu beachten ist, dass die Wirkung der oralen Venenmedikamente erst nach einigen Tagen bis Wochen für den Patienten spürbar wird, er also am Ball bleiben muss, um einen Therapieerfolg zu erzielen. Zudem sollte die Einnahme langfristig erfolgen, da die Beschwerden nur symptomatisch gelindert werden und bei Absetzen der Behandlung zurückkehren. Welche Therapie bei einem Venenpatienten zum Einsatz kommt, ist individuell zu entscheiden. Dabei können die therapeutischen Maßnahmen auch kombiniert angewendet werden und sogar additive Effekte zeigen [4].
Wer profitiert von oralen Ödemprotektiva?
Diese Frage wurde in einer retrospektiven Studie in der Praxis Dr. med. Larenz, Königswinter, untersucht [9]. In die Studie aufgenommen wurden alle 82 erwachsenen Patienten (73 Frauen, 9 Männer), für die in der Praxissoftware die Verordnung von standardisiertem rotem Weinlaubextrakt AS 195 aufgrund von Beschwerden im Rahmen einer CVI (schwere Beine, Ödeme, Spannungsgefühl, Schmerzen) im Zeitraum 2002 bis 2013 eingetragen worden war. Das Alter lag im Mittel bei 59 Jahren, der BMI im Mittel bei 28,3 kg/m2, also im Bereich der Präadipositas.
Mit der Diagnosestellung einer symptomatischen CVI wurde dem Patienten aufgrund der subjektiven Beschwerden sowohl eine Kompressionstherapie als auch roter Weinlaubextrakt AS 195 verordnet. Die Behandlungsdauer lag im Mittel bei 3,72 Jahren. Da Venenmedikamente ohne ärztliche Verordnung in der Apotheke gekauft werden können, ist die Gesamttherapiedauer möglicherweise höher als die hier dokumentierte Dauer der Verordnung.
Die Patienten berichteten von einer Verbesserung ihrer venös bedingten Beschwerden durch die Einnahme des Ödemprotektivums.
Fazit
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Bei chronisch venöser Insuffizienz ist der Hausarzt der Lotse beim Herausfinden der für den Patienten am besten geeigneten Behandlung.
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Ödemprotektiva sind eine von vielen Menschen genutzte und akzeptierte Möglichkeit zur Therapie von Stauungsbeschwerden. In einer Studie wurden sie besonders von Patienten genutzt, die adipös sind, deshalb zu Stauungsbeschwerden neigen und Schwierigkeiten beim Anziehen von Kompressionstrümpfen haben.
Mögliche Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.
Literatur:
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1 Rabe E et al. Bonner Venenstudie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie. Phlebologie. 2003; 32: 1-4)
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2 Rabe E, Pannier F, Ko A, et al. Incidence of Varicose Veins, Chronic Venous Insufficiency, and Progression of Disease in the Bonn vein Study II. J Vasc Surg. 2010;51(3):791.
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3 Dimakakos E et al. Prevalence, risk and aggravating factors of chronic venous disease: an epidemiological survey of the general population of Greece. Phlebology. 2013 Jun;28(4):184-90
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4 Stücker et al., Konsensuspapier zur symptomorientierten Therapie der chronischen Venenerkrankungen, JDDG 06/2016
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5 Reich-Schupke Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (4) Seite 34-39
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6 Partsch, H. (1984). Improvement of venous pump function in chronic venous insufficiency by compression. role of compression pressure and material. Vasa 13, 58-64
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7 Nees et al. Protective effects of flavonoids contained in the red vine leaf on venular endothelium against the attack of activated blood components in vitro. Arzneimittelforschung. 2003;53(5):330-41.
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8 Kalus et al. Improvement of cutaneous microcirculation and oxygen supply in patients with chronic venous insufficiency by orally administered extract of red vine leaves AS 195: a randomised, double-blind, placebo-controlled, crossover study. Drugs R D. 2004;5(2):63-71.
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9 Stücker, Larenz, Welche Patienten nehmen nach ärztlicher Empfehlung Ödemprotektiva ein? : Eine retrosprektive, deskriptive Studie. Hautarzt. 2015 Sep;66(9):686-90. doi: 10.1007/s00105-015-3654-5.