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Hausarzt MedizinUrologen: Nicht nur Ärzte für die Männer

Der alters- und geschlechterübergreifende Therapieauftrag von Urologen wird nur wenig wahrgenommen. Das muss sich ändern, fand die Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU): Ihr 67. Kongress war der Auftakt zur Imagepflege, um auch andere Fachbereiche und Hausärzte zu informieren.

Zur Abgrenzung gegenüber fachfremden Disziplinen etablierten sich Urologen auch als Männerärzte. Dies erweist sich nun als Problem. Denn mit der einstigen Betonung des andrologischen Fokus steckt die DGU heute in der Sackgasse. Deshalb, so DGU-und Kongresspräsident Prof. Dr. Stephan Roth, „müssen wir gezielt für unseren immanenten Therapieauftrag, die Behandlung von Nieren-, Blasen- und Genitalerkrankungen beider Geschlechter und aller Altersgruppen, werben“.

Entsprechend stellte die DGU ihren 67. Kongress in Hamburg auch unter das Motto „Urologie umfasst mehr“. Denn die zentrale Botschaft sollte sein: Wir behandeln auch urologisch erkrankte Frauen und Kinder. Weg vom Männerarzt-Image zu kommen, ist laut Prof. Roth auch wichtig, „um organbezogene Diagnose- und Therapiekompetenzen verstärkter herauszustellen“. So muss unter anderem bei den benignen funktionellen urologischen Erkrankungen der Frau die Kompetenz der Urologie klar erkennbar bleiben: „Kein freiwilliger Verzicht des therapeutischen Anspruchs bei urogynäkologischen Erkrankungen“.

Ebenso ist die Behandlung der Belastungsinkontinenz, der häufigsten Blasenfunktionsstörung, „eine elementare urologische Therapiesäule, die nicht aufgegeben werden darf“. Dass Urologen nicht länger auf Ärzte für den Mann und die Prostata reduziert werden, soll auch verhindern, dass „vorhandenes Fachwissen zum Nachteil der Betroffenen verloren geht“.

Initiativen für kleine Patienten

Auf dem Sektor Kinder- und Jugendurologie gab es gleich mehrere Initiativen. So eine internetbasierte Aufklärungskampagne zum Hodenhochstand. Gemäß einer Untersuchung von über 1.800 Jungen mit Hodenhochstand an sieben kinderchirurgischen Zentren im Zeitraum von 2009 und 2102 wurde nur jeder fünfte von ihnen zeitgerecht bis Ende des ersten Lebensjahres behandelt [1]. Wird diese eindeutige Empfehlung der Leitlinien missachtet, drohen Einschränkungen der Zeugungsfähigkeit, erhöhtes Risiko für Hodentumore sowie Hormonmangel im fortgeschrittenen Alter.

Weitere Aktionen in Sachen urologische Beschwerden bei Kindern und Jugendlichen sind Broschüren zum nächtlichen Einnässen und zu Infektionen der Harnwege, zu Phimose und zu den selteneren kinderurologischen Erkrankungen vesiko-ureteraler Reflux und Harntransportstörungen.

Mehr Kompetenz für Inkontinenz

Ein Schwerpunkt des verstärkten Engagements für urologisch erkrankte Frauen und Kinder ist auch die Verbesserung der Versorgung bei Blasenfunktionsstörungen. Davon sind allein in Deutschland bis zu sechs Millionen Menschen betroffen; Frauen bis zu viermal häufiger als Männer. Das typische Frauenleiden, so Prof. Roth, ist jedoch auch unter Kindern häufig: Zehn Prozent der Siebenjährigen, „fast eine halbe Million Kinder“, leiden unter Enuresis.

Die Palette an Behandlungsstrategien ist zwar inzwischen breit. Allerdings sind diese Maßnahmen nach den Worten von Prof. Roth „meist sehr beratungs- und zeitintensiv und somit schwer in den Praxis alltag zu integrieren“. Deshalb haben DGU und BDU gemeinsam ein ergänzendes Curriculum entwickelt: Die Ausbildung zum „Assistenten für Urologische Kontinenztherapie“. Das neue Weiterbildungsmodul, ein zweitägiger „Crash-Kurs am Wochenende“ richtet sich an Praxis- und Klinikmitarbeiter. Start der ersten Ausbildungsstaffel ist im April 2016.

Support auf dem Weg zum Mann

Die Pubertät wartet mit reichlich Turbulenzen auf. Wohin mit all den Fragen und Problemen? Zur Mädchen-Sprechstunde beim Gynäkologen. Wohin aber gehen die Jungs? Das fragen sich oftmals auch Hausärzte. Für sie und ihre jungen männlichen Patienten gibt es einen guten Tipp: Die Jungen-Sprechstunde beim Urologen. Ziel dieser Initiative der Deutschen Urologen (www. jungensprechstun.de) ist es, einen vertrauenswürdigen Ansprechpartner für körperliche und psychische Konflikte anzubieten.

Der nämlich fehlt männlichen Jugendlichen in der Pubertät meist, so Dr. Wolfgang Bühmann, Pressesprecher des Berufsverbandes der Deutschen Urologen e.V. (BDU): „Die Jungensprechstunde ist in dieser schwierigen Lebensphase ein hilfreicher Begleiter“. Zumal Informationen aus den modernen Medien keine Alternative darstellen. Ganz im Gegenteil sind sie laut Dr. Bühmann sogar „kontraproduktiv, da sie Unsicherheiten fördern und häufig zu Minderwertigkeitsgefühlen bis hin zu Angststörungen führen können“. Gerade im Internet treffen ratsuchende Jungen vielfach auf „eine belastende Scheinwelt“.

Im Rahmen der Jungensprechstunde können männliche Jugendliche auch über die Risiken von HP-Viren und die hohe Notwendigkeit der Impfung dagegen aufgeklärt werden. Die weltweit häufigsten sexuell übertragbaren Erreger verursachen nach den Worten von Dr. Bühmann achtzig Prozent der Gebärmutterhalskarzinome sowie immer mehr Anal-, Mund- und Rachenkarzinome. „Entsprechend unerlässlich sind eine konsequentere Durchimpfung und die HPV-Impfung für Jungen“. Dazu, so Dr. Bühmann weiter, müssen die Krankenkassen „endlich ihre Pflicht tun und auch die Impfung für Jungen bezahlen“.

Was hat der Urologe mit Gicht zu tun?

Eine ganze Menge, denn symptomatische Hyperurikämie ist ein renaler Risikofaktor: Erhöhte Serumharnsäure wirkt direkt nephrotoxisch. In Folge dessen leiden bis zu vierzig Prozent der Gichtpatienten unter eingeschränkter Nierenfunktion. Weiterhin haben die Betroffenen ein mehr als dreifach erhöhtes Risiko für eine chronische Nierenerkrankung (CKD). Was den Nieren zu schaffen macht, sind nicht Ablagerungen von Urat-Kristallen, sondern vielmehr durch die Harnsäure induzierte entzündliche Prozesse. Sie führen unter anderem zum Untergang von Nephronen und zur interstitiellen Fibrose. Vor diesem Hintergrund empfehlen die aktuellen Leitlinien zur Therapie der symptomatischen Hyperurikämie Harnsäurezielwerte von unter sechs mg/dl.

Hilfe für Flüchtlinge

Dass Urologie tatsächlich mehr umfasst, unterstreicht auch der Einsatz der DGU für die Flüchtlingshilfe: Sie hat sich mit einer Spende der Til-Schweiger-Stiftung angeschlossen. Der Schauspieler hat sich persönlich „mit sehr großer Freude“ dafür bedankt.

Quellen: Vorträge im Rahmen des 67. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) vom 23. bis 26.9.2015 in Hamburg. Literatur: 1 Dtsch Ärztebl Int 2014; 111: 649–657.

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