Nach einer internen Statistik kommt es bei den circa 5000 Patienten unserer großen allgemeinmedizinisch-internistischen Versorgerpraxis in einer Kleinstadt zu ein bis zwei akuten Schlaganfällen pro Monat. Die generelle Inzidenz beträgt für Deutschland ca. 300 Fälle pro 100.000 Einwohner. 75 Prozent sind Erstereignisse und 25 Prozent Rezidive. 80 Prozent der apoplektischen Insulte sind ischämischer Natur, der Rest ist durch Blutungen oder andere, seltenere Ursachen bedingt. Die Tatsache der hohen Letalität (bis zu 25 Prozent) erfordert eine genaue Diagnostik, schnelles und sicheres Handeln des gesamten Praxisteams in einer schwierigen Situation, die nichtsdestotrotz von Ruhe und Besonnenheit geprägt sein muss.
Einige akute Schlaganfälle sehen wir jedoch nicht mehr in der Praxis, da die Patienten oder ihre Angehörigen aufgrund der Sensibilisierungskampagnen der letzten Jahre gerade nachts und am Wochenende sofort eine Notfalleinweisung veranlassen.
Vorgehen bei akutem Schlaganfall
Leitsymptome des Schlaganfalles sind Lähmungen, Bewusstseinstrübungen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Doppelbilder, Schluckstörungen oder Aphasien.
Kasuistik
Herr G.S., 69 Jahre alt, ein langjähriger Patient mit den Vorerkrankungen Bluthochdruck, Nikotinabhängigkeit und Diabetes mellitus sucht unsere Praxis gegen 17.00 Uhr auf. Er habe den ganzen Morgen in seinem Garten schwer gearbeitet. Vor zwei Stunden habe er urplötzlich auf einem Auge kurzfristig nichts mehr sehen können. Jetzt habe er eine Lähmung des rechten Arms. Der Patient ist blass und schwitzt ein wenig, außerdem wirkt er ängstlich, was man eigentlich von ihm nicht gewohnt ist.
Der Blutdruck beträgt 105/60 mmHg, der Puls 90 arrhythmische Schläge in der Minute. Das Ruhe-EKG zeigt eine neu aufgetretene absolute Arhythmie bei Vorhofflimmern. Die orientierende neurologische Untersuchung zeigt eine beginnende Hemiparese rechts.
Damit besteht der dringliche Verdacht auf einen frischen Schlaganfall. Ursache ist vermutlich eine vom Herzen ausgehende Embolisation.
Es erfolgt die sofortige Verlegung in das nächstgelegene neurologische Zentrum mit der Möglichkeit zur Fibrinolyse oder zur radiologischen Intervention.
Die wichtigsten Aufgaben eines Hausarztes bei einem akuten Schlaganfall sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Nachsorge
Einige Zeit nach der Akutbehandlung und der anschließenden neurologischen Rehabilitation erscheint der Patient wieder in unserer Praxis. Es geht ihm gut. So behauptet er jedenfalls. Klinisch-neurologisch bestehen allenfalls Restresiduen der akuten Symptomatik.
Hier beginnt nun die eigentliche hausärztliche Arbeit (Tab. 2). Der Schlaganfall ist das Paradigma dafür, dass aus einem bis dato gesunden und leistungsfähigen (Risiko-)Patienten mit einem „Schlag“ ein klassisch geriatrischer Patient werden kann, wenn diesem oft mit Fatalismus hingenommenen Prozess nicht gezielt gegengesteuert wird.
Das Hauptziel ist es, eine weitere „frailty“ (Gebrechlichkeit) zu verhindern. Hier setzt eine differenzierte Physiotherapie an. Zunächst muss die Muskelmasse des Patienten stabilisiert und ausgebaut werden. Ebenso wichtig ist es, die koordinativen Fähigkeiten zu verbessern, um die Sturzgefährdung auszuschalten. Diese verbesserte Mobilität erhöht die Alltagskompetenz und damit die Lebensqualität bei gleichzeitiger Verminderung des externen Hilfebedarfs.
Die Ergotherapie ist das therapeutische Mittel der Wahl, um bei Defiziten der Grob- und Feinmotorik die Wiederherstellung wichtiger Alltagsfunktionen zur reibungsfreieren Selbstversorgung zu fördern. Viele bis dahin für selbstverständlich gehaltene manuelle Tätigkeiten müssen in einem beschwerlichen Prozess wiederhergestellt werden, um allein die selbstständige und selbstbestimmte Nahrungsaufnahme und Kontinenzkontrolle zu ermöglichen.
Die Logopädie ist der Goldstandard, um nach der Frührehabilitation ansatzweise gebesserte Schluckstörungen weiter zu minimieren. Die Aspirationspneumonie ist in jeder Phase des Krankheitsgeschehens eine häufige und gefährliche Komplikation. Das weitere Feld der Logopädie besteht in der Therapie aller möglichen Formen der mit dem Schlaganfall assoziierten Sprachstörungen. Die Restitution der verbalen Kommunikation ist ein unersetzlicher Bestandteil der Reintegration des Patienten in sein soziales Umfeld.
Steuerung durch den Hausarzt
Diesen ganzen Prozess der nicht medikamentösen Therapien hat der Hausarzt zu überwachen und zu steuern. Im Falle von Bettlägerigkeit des Patienten ist die Intaktheit seiner Haut zu überwachen und gegebenenfalls das Wundmanagement durchzuführen.
Aber auch die wachsame Beobachtung des Patienten zur Erkennung weiterer Folgeerkrankungen ist unersetzlich. Neben der Wiederholung eines Ereignisses können Depression, Demenz und Delir neuropsychiatrische Folgen der erlittenen zerebralen Schädigungen sein.
Therapie der Grunderkrankungen
Die Überwachung der möglichen disponierenden Grunderkrankungen und ihre Therapie sind eine Banalität: Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung, Arteriosklerose und Herzinsuffizienz. Diagnostische Standards sind Routinelabor, Ruhe-EKG, Langzeit-EKG, Langzeitblutdruckmessung, Gefäß-Dopplersonographie und Echokardiographie.
Ein letztes Wort zur Therapie. Die Ursache des kardioembolischen Mediainfarktes unseres Patienten war wohl das gesicherte Vorhofflimmern. Obwohl der Patient wieder über einen Sinusrhythmus verfügt, ist eine weitere Antikoagulation essenziell.
Mittel der Wahl wäre, gute Steuerbarkeit und Adhärenz vorausgesetzt, eine Therapie mit einem Vitamin-K-Antagonisten. Mit den neuen oralen Antikoagulanzien stehen therapeutische Alternativen zur Verfügung.
Literatur beim Verfasser.
Mögliche Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert