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Suizidalität und TodeswünscheWenn ein Patient nach Hilfe bei der Selbsttötung fragt

Die Bundesärztekammer hat im Juni Hinweise "zum ärztlichen Umgang mit Suizidalität und Todeswünschen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu § 217 StGB" veröffentlicht.*

Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 26. Februar 2020 hat eine längere Vorgeschichte. Am Beginn stand ein Beschluss auf dem 114. Deutschen Ärztetag im Jahr 2011 in Kiel, den § 16 (“Beistand für Sterbende”) der Musterberufsordnung für Ärzte (MBO-Ä) der Bundesärztekammer (BÄK) strenger zu fassen:

“Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.” (Hervorhebung durch den Autor)

Der umstrittene § 217

Die Verschärfung der MBO-Ä war eine Reaktion auf die zunehmend hitzig geführte Debatte um Sterbehilfe, wie sie von Vereinen angeboten, aber auch von Einzelpersonen praktiziert wurde. Im weiteren Verlauf der Diskussionen beschloss der Bundestag im November 2015 das “Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung” und führte den neu gefassten § 217 in das Strafgesetzbuch (StGB) ein:

(1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht.

Damit sollte die Tätigkeit von Vereinen wie “Sterbehilfe Deutschland” oder “Dignitas Deutschland”, aber auch Suizidhilfe durch Einzelpersonen, eingeschränkt werden. Mit “geschäftsmäßig” ist im Paragrafen gemeint, dass das Tun auf Wiederholung angelegt ist.

Gegen den § 217 legten betroffene Vereine, schwerkranke Menschen, die ihr Leben mit der Hilfe solcher Vereine beenden wollten, und mehrere Ärzte Beschwerde ein. Im Februar 2020 schließlich erklärte das BVerfG den § 217 für nichtig, weil er die Möglichkeiten, sich mit professioneller Hilfe das Leben zu nehmen, so sehr einenge, dass dem Einzelnen faktisch kein Raum zur Wahrnehmung seiner verfassungsrechtlich geschützten Freiheit verbleibe.

Dies sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht.

Strafrecht versus Berufsrecht

Das Urteil hob für Ärzte zwar die strafrechtlichen Folgen einer Hilfe bei Selbsttötung auf, das berufsrechtliche Verbot durch die MBO-Ä der BÄK und einiger Landesärztekammern bestand aber weiterhin.

Erst die im Mai 2021 revidierte Fassung der MBO-Ä der BÄK enthält das Verbot nicht mehr. § 16 lautet nun: “Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen.

Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten.” Auch wenn Landesärztekammern ihre MBO-Ä (noch) nicht in diesem Sinne angepasst haben, dürfte Hilfe zur Selbsttötung heute keine berufsrechtlichen Folgen mehr haben.

Eine Orientierungshilfe

Die im Juni veröffentlichten Hinweise der BÄK sollen Ärzte bei der Suche nach einer eigenen Position unterstützten, wenn sie mit dem Wunsch nach Hilfe bei einer Selbsttötung konfrontiert werden. Hervorgehoben wird gleich zu Beginn, dass die Entscheidung in der konkreten Situation in der Verantwortung des Arztes liege und es keine Verpflichtung zur Hilfe beim Suizid gebe.

Äußert ein schwerkranker oder sterbender Patient einen Todeswunsch, sollte der Arzt empathisch und wertfrei über Ausprägung und Hintergründe dieses Wunsches sprechen und dies dokumentieren, rät die BÄK. Erlebt der Patient seine Situation als sehr belastend, sollte der Arzt gemeinsam mit ihm nach Wegen suchen, wie sich das Leid mindern lässt.

Der Arzt ist u.a. zur Aufklärung über verfügbare Therapien verpflichtet, um den Patienten eine selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen. In End-of-life-Situationen gehören zu den Optionen auch Therapiebegrenzung und palliative Sedierung.

  • Behandlungsbegrenzung (früher “passive Sterbehilfe”) bedeutet das Unterlassen, Begrenzen oder Beenden lebensherhaltender Maßnahmen wie künstliche Ernährung oder Beatmung. Dies ist nicht nur zulässig, sondern auch geboten, wenn die lebenserhaltenden Maßnahmen nicht mehr indiziert sind oder dem aktuellen bzw. früher erklärten Willen des Patienten widersprechen.
  • Sterbebegleitung umfasst insbesondere palliative Maßnahmen. Diese sind bei vorliegender Indikation und in Übereinstimmung mit dem Willen des Patienten auch dann zulässig, wenn sie das Leben möglicherweise verkürzen (früher “indirekte Sterbehilfe”).
  • Verboten ist dagegen die Tötung auf Verlangen (früher “aktive Sterbehilfe”), z.B. durch eine bewusst überdosierte Injektion mit dem Ziel, das Sterben zu beschleunigen. Erfolgt die Tötung nicht auf Verlangen des Getöteten, macht sich der Arzt wegen Totschlags oder im Einzelfall sogar Mordes strafbar.
  • Hilfe zum Suizid liegt vor, wenn ein Arzt einen Menschen dabei unterstützt, den Suizid selbst zu begehen, z.B. indem er ihm ein geeignetes Medikament beschafft oder ihm konkrete Anleitungen gibt.
  • Ob diese Hilfe straffrei bleibt, hängt davon ab, ob die Freiverantwortlichkeit des Patienten gegeben ist. Dazu müssen vier Kriterien erfüllt sein: Einwilligungsfähigkeit (= Einsichts- und Urteilsfähigkeit für die konkrete Entscheidung); Kenntnis aller für die Entscheidung wichtigen Gesichtspunkte, insbesondere von Alternativen zum Suizid; Abwesenheit von Zwang, Drohung oder Täuschung; Ernsthaftigkeit des Suizidwunsches.

Wichtig: Inzwischen hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass sich Ärzte nicht wegen einer Tötung durch Unterlassen oder wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar machen, wenn sie den Tod ihres Patienten nach einem freiverantwortlichen Suizid nicht verhindern und auch nicht eingreifen, nachdem dieser bewusstlos geworden ist.

Wie kommt der Patient an das BtM?

Ungeklärt ist die Rechtslage nach wie vor hinsichtlich der Beschaffung eines Betäubungsmittels (BtM) für den Suizid, z.B. Pentobarbital. Theoretisch können die Patienten das Mittel entweder selbst beim BfArM beantragen oder versuchen, es über einen Arzt zu bekommen.

Der erste Weg ist aufgrund einer Weisung des Bundesministeriums für Gesundheit an das BfArM blockiert. Sie verbietet den Erwerb eines BtM zur Selbsttötung. Aber auch die Verordnung durch einen Arzt ist ausgeschlossen, weil ein BtM nur zu therapeutischen Zwecken bei bestehender Indikation verschrieben werden darf, nicht aber für eine geplante Selbsttötung.

Umstritten ist, ob diese Regel nach dem Fall des § 217 noch uneingeschränkt gilt. Das BVerfG hat inzwischen die Möglichkeit angedeutet, dass ein Zugang zu Pentobarbital durch ärztliche Verordnung eröffnet werden könnte. Nach derzeit geltendem BtM-Recht ist die Verordnung eines Mittels zur Selbsttötung aber mit juristischen Risiken verbunden, warnt die BÄK.

Primat der Suizidprävention

Abschließend hebt die BÄK die vorrangige Bedeutung der Suizidprävention hervor. Die ärztliche Position zum Suizid und damit auch zur Hilfe beim Suizid folge daher generell dem Grundsatz der Hilfe und Unterstützung für leidende Menschen in allen Lebenslagen.

Unabhängig davon, ob ein Suizidwunsch aus einer psychischen oder körperlichen Notlage heraus geäußert werde, müssten Ärzte direkte, persönliche und professionelle Zuwendung anbieten. Es bestehe ein breites Angebot an Hilfsmöglichkeiten und Behandlungen.

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