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Der FallLuftnot bei Bronchialkarzinom

„Nicht dem Leben mehr Tage geben, sondern den Tagen mehr Leben“ lautet das Motto der Hospiz- und Palliativbewegung. Hiernach die für einen Patienten besten Entscheidungen zu treffen, fällt im hausärztlichen Alltag nicht immer leicht. Wir fragten einen hausärztlichen Internisten und einen Onkologen zu ihren Ideen im Fall „Frau K.“.

Das sagt der Hausarzt

Dass wir solche Patienten wenig kennen, ist typisch. Sie werden hauptsächlich von den Onkologen behandelt, und zu Hause wurschteln sie sich so durch. Meine erste Reaktion bei dieser Patientin ist, sie einzuweisen, wenn es für sie und den Ehemann in Ordnung ist. Meistens bleiben Patienten für eine Pleurapunktion stationär. Falls Frau K. das nicht möchte, stelle ich ihr eine Überweisung zum Röntgen aus, und bitte sie, mich danach anzurufen. Außerdem bekommt die Patientin von mir Sprays: Salbutamol als Bedarfsmedikation, und zusätzlich das länger wirksame Formoterol mit Kortison. Wenn die Sättigung niedrig ist, habe ich ein Messgerät immer dabei, erhält sie eventuell auch eine Sauerstoff-Therapie. Vielleicht spritze ich auch Morphin, je nachdem, wie unruhig, ängstlich oder aufgeregt die Patientin ist. Manchmal lasse ich auch Lorazepam unter der Zunge zergehen. Nach fünf bis zehn Minuten bessert sich die Situation dann normalerweise merklich. Patienten mit Luftnot hilft auch, sich ans offene Fenster zu stellen. Wenn jemand frische Luft atmet, lassen die Dyspnoe- Symptome nach. Ein Ventilator mit einem Tuch kann das imitieren.

Unabhängig davon, ob die Patientin ins Krankenhaus geht oder nicht, würde ich ihr meine weitere Hilfe anbieten und ein längeres Gespräch mit dem Ehepaar führen. Es kann auch mal eine Stunde dauern, das ist mir dann egal. Meine erste Frage lautet: Was wissen Sie über Ihre Krankheit? Ich will heraus finden, wo die Patientin sich sieht – hat sie Todesangst oder denkt sie an den nächsten Urlaub nach Teneriffa. Wie die Patientin sich selbst sieht, wie der Ehemann sie sieht, wie ich sie wahrnehme, das unterscheidet sich häufig. Ich werde bei dieser Patientin auch versuchen, sie in die spezialisierte ambulante Palliativversorgung, SAPV, einzuschließen. Manche Kollegen sehen das kritisch, betrachten es eher als Doppelstruktur, aber ich habe in dem Netzwerk mehr Möglichkeiten, auch mehr Kontakte zu Spezialisten. Die Patienten erhalten eine Telefonnummer, auf der sie rund um die Uhr anrufen können und sind in engerer Kontrolle. Egal, ob es um Symptome oder darum geht, dass eventuell die ehrenamtliche ambulante Hospizhilfe bei der Patientin bleiben kann, während der Ehemann mal einkaufen geht. Es stärkt meiner Erfahrung nach die Familien, auch wenn diese viele Krisen durchlaufen.

Das sagt der Facharzt

Das hier ist eine Situation für Best-Supportive-Care, laut der offiziellen Definition: alle Maßnahmen zur Symptomlinderung mit Ausnahme spezifischer antineoplastischer Therapie. Die Patientin hat neurologische Symptome, vor allem aber hat sie Luftnot, am ehesten durch den Pleuraerguss, der die Lunge komprimiert. Außerdem weist das exspiratorische Giemen darauf hin, dass die Bronchien eng sind, ich hätte hier den Verdacht auf eine Lymphangiosis carcinomatosa. Gleichzeitig sehe ich bei der Patientin aber auch noch einen Lebenswunsch – sie macht ja noch Ausflüge. Die Situation scheint also nicht so schlimm zu sein, dass eine palliative Sedierung in Frage kommt.

Bei dieser Patientin hätte ich auf jeden Fall eine Pleuradrainage veranlasst. Häufig laufen Pleuraergüsse nach einer Punktion ja wieder nach. Da ich Frau K. nicht gut kenne, würde ich sie in diesem Fall stationär einweisen. Schlimmstenfalls, wenn es ein großer Pleuraerguss ist, punktiere ich auch zur Akutentlastung zu Hause, maximal zwei Liter; ich beende die Punktion ggf. eher, sobald Schmerzen oder Hustenreiz aufteten, da eine tumorös befallene Pleura nicht sehr elastisch ist und einreißen könnte. Pleura-drainagen (z.B. ein PleurX™-System) haben einen Drainageschlauch mit einer antibakteriellen Dracon-Manschette unter Hautniveau und sie werden chirurgisch implantiert, was einen eintägigen stationären Aufenthalt verlangt. Der Patient kann sich dann ganz einfach selbst bei zunehmender Dyspnoe drainieren mit einer mit dem Drainageschlauch zu verbindenden Vakuumflasche.

Gegen die Bronchienenge bei Lymphangiosis carcinomatosa hilft auch eine Erhöhung des Dexamethasons, initial zum Beispiel 4 mg dreimal täglich. Eine etwa 30 bis 50 Prozent höhere Dosis von Opioiden als zur Schmerztherapie notwendig, wirkt gegen Luftnot. Wenn nicht eine COPD bekannt ist, würde ich der Patientin keine Sprays verordnen. Solange sie oder der Ehemann nicht danach fragen, würde ich ihr auch keinen Sauerstoff geben. Der stärkste Dyspnoe-Inductor ist der erhöhte pCO₂, nicht ein Abfall des pO₂. Aber wenn Angehörige oder Patientin Angst haben und danach verlangen, dann würde eine Verweigerung die Angst der Patientin eskalieren und natürlich bekommt sie dann Sauerstoff, ich starte mit 2l/min.

Das sagt die Evidenzbasierte Medizin

Zur Palliativversorgung erschien schon 2010 im New England Journal of Medicine eine Studie, in der Patienten mit nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom entweder eine onkologische Standard-Therapie oder die Standard-Therapie plus eine frühe palliative Versorgung erhielten. Das Ergebnis: Die Patienten mit palliativer Versorgung hatten nicht nur eine bessere Lebensqualität und waren besserer Stimmung – sie lebten auch länger.

In Deutschland trat 2015 das Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland (Hospiz- und Palliativgesetz–HPG) in Kraft. Danach gehört zur Krankenbehandlung ausdrücklich auch die palliative Versorgung der Versicherten.

Im August 2019 ist die neueste Version der S3-Leitlinie “Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung” der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin erschienen. Sie geht nicht nur auf häufige Symptome, wie Atemnot, Tumorschmerz, Obstipation und Übelkeit und Erbrechen ein, sondern auch auf Strategien in der Kommunikation, zum Beispiel bei Themen wie Sterben und Tod oder bei Todeswünschen von Patienten.

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