Was raten Sie Kollegen, wenn im Arzt-Patienten-Gespräch Suizidwünsche thematisiert werden?
Ulrich Weigeldt: Wichtig ist, individuelle Bedürfnisse wahr- und vor allem ernstzunehmen. Eine Vielzahl von Suizidwünschen ist depressionsbedingt. Doch eine pauschale Lösung für den Umgang verbietet sich. Uns Hausärzten kommt die Aufgabe zu, den autonomen Willen des Patienten zu ermitteln. Natürlich zeigen wir Alternativen auf, etwa aus Schmerztherapie oder Palliativmedizin; unsere Beratung ist lebensorientiert, aber nie paternalistisch.
Ich sage meinen Patienten: Egal wie du dich entscheidest – ich bleibe dein Arzt. Dieses Wissen gibt vielen Menschen die Kraft, weiterzuleben.
Der Bundestag beschäftigt sich mit einer Neuregelung der Sterbehilfe. Warum ist das so wichtig?
Ärzte brauchen Rechtssicherheit. Es kann nicht sein, dass ein Arzt, der seinem Patienten in einer existenziellen Krise beisteht, riskiert, dafür ins Gefängnis zu wandern. Unsere Profession vermag die Freiwilligkeit, Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit des Suizidwunsches weitaus besser zu beurteilen als medizinische Laien oder selbst ernannte Sterbehelfer, deren zum Teil fragwürdige Dienste in Vereinen unterbunden gehören.
Wie stehen Sie zur Anpassung der Musterberufsordnung?
Das Verbot der ärztlichen Suizidhilfe in der Musterberufsordnung, dem aber nicht alle 17 Landesärztekammern gefolgt sind, ist aus meiner Sicht berufsethisch nicht haltbar. Zugleich ist unstrittig: Keine Ärztin und kein Arzt darf dazu gezwungen werden, Suizidhilfe zu leisten. Aus Umfragen wissen wir allerdings: Zwei Drittel der Bürger befürworten die Sterbehilfe. Die Ärzteschaft muss darauf reagieren – und diese zwei Drittel ernstnehmen.