Hiermit loggen Sie sich bei DocCheck-Login aus.
Abbrechen

Hausarzt MedizinPalliative Versorgung im Fokus

Der 9. Tutzinger Palliativtag befasste sich mit der Begleitung von Menschen in ihrer letzten Lebensphase. Dabei wurde deutlich: Palliativmedizin ermöglicht keine Wunder – ist aber doch eine große Erleichterung für den einzelnen Patienten.

Prof. Ostgathe, Erlangen schilderte den Fall eines Kollegen, der gerade eine Professur erhalten hatte, als er einen Schlaganfall erlitt. Danach wies er ein schweres neurologisches Defizit auf, ohne Einschränkung seiner geistigen Leistungsfähigkeit. Als sich trotz verschiedener Maßnahmen keinerlei Besserung einstellte, äußerte der Mann den Wunsch zu sterben und setzte seine Familie immer stärker unter Druck, ihm dabei zu helfen. Nach über zwei Jahren fast täglicher Auseinandersetzung wandte sich die Familie an die Palliativstation in Erlangen. „Wir haben ihn in einem längeren Gespräch darüber aufgeklärt, dass es ihm jederzeit freisteht zu sterben. Er müsse uns lediglich die Erlaubnis entziehen, seine lebenserhaltenden Maßnahmen aufrechtzuerhalten, dann würde er – palliativmedizinisch gut begleitet – sterben. Doch es kam anders: Mit dieser Möglichkeit im Hinterkopf entschied sich der Patient dafür, weiterzuleben. Er wollte dabei sein, wenn seine Tochter das Studium beendet.

Wie aus dem Fallbeispiel hervorgeht, ist der Sterbewunsch nicht statisch sondern veränderlich. Häufig verbirgt sich hinter dem Wunsch zu sterben, dass der Patient so nicht weiter leben möchte. Sehr oft wird der Wunsch auch damit begründet, den Angehörigen nicht zur Last fallen zu wollen. „Früher gingen wir davon aus, dass bei einem hohen Lebenswillen, der Todeswunsch gering ist und umgekehrt. Viele Interviews mit Patienten führten jedoch zu der Einsicht, dass Lebenswille und Todeswunsch gleichzeitig in einem Menschen vorhanden sein können“, erklärte der Palliativmediziner. Diese Erkenntnis eröffnet die Möglichkeit zu einer Intervention, die zunächst darin besteht, den Patienten zum Sprechen aufzufordern, ihm wertungsfrei zuzuhören und nicht sofort in Aktionismus zu verfallen.

Alleine, dass die Patienten die Erlaubnis haben, alles denken und aussprechen zu dürfen, stellt laut Ostgathe für viele schon eine enorme Entlastung dar. Zugleich entwickelt sich dadurch eine Basis, auf der sich das weitere Vorgehen bzw. mögliche Alternativen besprechen lassen. Ostgathe plädierte eindringlich dafür, den brutalen Satz: „Wir können nichts mehr für Sie tun!“, aus dem Vokabular zu streichen. Denn bereits das vertrauensvolle Gespräch und die Zuwendung helfen den Patienten. „Wenn wir Behandlung auch als Beziehung verstehen, gibt es immer etwas zu tun“, betonte Ostgathe.

Das Lebensende als Tabuthema

In anderen Ländern gelten der Tod und das Sterben als Tabuthemen. Das sollte der Hausarzt wissen, wenn er etwa mit albanischen Patienten oder ihren Angehörigen darüber sprechen möchte. In dem lange Zeit kommunistisch geprägten Land untersagen die Familien den Ärzten oftmals, die Patienten über eine letale Krankheit aufzuklären. „Die Ärzte der mobilen Hospizdienste richten sich danach, um überhaupt zu den Patienten vorgelassen zu werden“, berichtete die Psychologin Dr. Claudia Wenzel aus Wien, die mehrere Jahre lang einen mobilen Hospizdienst als Seelsorgerin begleitete.

Wie gut die palliative Versorgung hierzulande ist, zeigt der Vergleich mit Albanien, einem der ärmsten Länder Europas. Lediglich in wenigen Landesteilen gibt es in größeren Städten so etwas wie eine palliative Grundversorgung. Allerdings existiert nur eine einzige „Palliativstation“ (ein Zimmer mit vier Betten in Durres) und kein Hospiz in ganz Albanien. Da nur 80 professionell Ausgebildete im Bereich Palliative Care arbeiten, werden laut Wenzel nicht einmal zehn Prozent des Basisbedarfs abgedeckt. Ein Grund dafür ist, dass Palliativmedizin an den Universitäten nicht gelehrt wird und es auch keine Ausbildung für Fachkräfte im Bereich der palliativen Versorgung gibt. Mit einem im Jahr 2014 verabschiedeten Gesetz möchte die albanische Regierung die Situation nun verbessern.

Muslimische Patienten – eine transkulturelle Herausforderung?

Im Islam sind Körper und Gesundheit von Gott für eine bestimmte Zeit zur Bewahrung und zum Nießbrauch überantwortet. Es besteht die Pflicht, die Gesundheit zu bewahren und für ihre Wiederherstellung zu sorgen. Wurde diesbezüglich alles unternommen, ist der Zeitpunkt gekommen, sein Schicksal in Gottes Hand zu legen. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland hat eine Handreichung zur Sterbehilfe und Sterbebegleitung vorgelegt. Darin spricht er sich gegen die direkte aktive Sterbehilfe, die Selbsttötung und die ärztliche Beihilfe zum Suizid aus. Als zulässig wird hingegen eine hohe Dosierung schmerzlindernder Medikamente und die passive Sterbehilfe erachtet.

„Ich warne davor, sich ein Rezept zurecht zu legen, wie muslimische Menschen am Lebensende zu behandeln sind“, betonte Christian Fischer, München. Da es auch im Islam viele verschiedene Einstellungen zum Lebensende gibt, seien alleine die individuellen Wünsche des einzelnen Patienten maßgeblich. „Ist man sich unsicher, wie man mit dem Menschen umgehen soll, hilft es, ihn einfach zu fragen und dadurch gleichzeitig das eigene Interesse zu bekunden“, empfahl Fischer.

Der neue Paragraf 217 zur Sterbehilfe

Vor kurzem billigte der Bundesrat ein neues Gesetz zur Sterbehilfe, welches auch die hausärztliche Tätigkeit betrifft. Demnach bleiben der Suizid und der ärztlich assistierte Suizid straffrei. Strafbar ist hingegen die geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung. „Damit ist jedoch nicht der Arzt gemeint, der aufgrund einer individuellen Gewissensentscheidung einen Patienten beim Suizid unterstützt. Vielmehr sind davon solche Vereine und Ärzte betroffen, die gegen teilweise hohe Gebühren bei der Selbsttötung eines Patienten helfen“, erklärte Prof. Christoph Ostgathe, Erlangen.

Unklarheit herrscht häufig bei den Begrifflichkeiten: passive oder indirekte Sterbehilfe, Beihilfe zum Suizid oder aktive Sterbehilfe. Daher hat der Deutsche Ethikrat eine neue, besser verständliche Terminologie vorgeschlagen (Abb.1).

Quelle: 9. Tutzinger Palliativtag am 28.11.2015 in Tutzing bei München

E-Mail-Adresse vergessen? Schreiben Sie uns.
Passwort vergessen? Sie können es zurücksetzen.
Nur wenn Sie sich sicher sind.

Sie haben noch kein Passwort?

Gleich registrieren ...

Für Hausärzte, VERAH® und ÄiW (Allgemeinmedizin und Innere Medizin mit hausärztlichem Schwerpunkt) ist der Zugang immer kostenfrei.

Mitglieder der Landesverbände im Deutschen Hausärzteverband profitieren außerdem von zahlreichen Extras.

Hier erfolgt die Registrierung für das Portal und den Newsletter.


Persönliche Daten

Ihr Beruf

Legitimation

Die Registrierung steht exklusiv ausgewählten Fachkreisen zur Verfügung. Damit Ihr Zugang freigeschaltet werden kann, bitten wir Sie, sich entweder mittels Ihrer EFN zu legitimieren oder einen geeigneten Berufsnachweis hochzuladen.

Einen Berufsnachweis benötigen wir zur Prüfung, wenn Sie sich nicht mittels EFN autorisieren können oder wollen.
Mitglied im Hausärzteverband
Mitglieder erhalten Zugriff auf weitere Inhalte und Tools.
Mit der Registrierung als Mitglied im Hausärzteverband stimmen Sie zu, dass wir Ihre Mitgliedschaft überprüfen.

Newsletter
Sie stimmen zu, dass wir Ihre E-Mail-Adresse für diesen Zweck an unseren Dienstleister Mailjet übermitteln dürfen. Den Newsletter können Sie jederzeit wieder abbestellen.

Das Kleingedruckte
Die Zustimmung ist notwendig. Sie können Sie jederzeit widerrufen, außerdem steht Ihnen das Recht zu, dass wir alle Ihre Daten löschen. Jedoch erlischt dann Ihr Zugang.
Newsletter abbestellen

Wenn Sie den Newsletter abbestellen wollen, geben Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse an und wählen Sie die gewünschte Funktion. Wir senden Ihnen dann eine E-Mail zur Bestätigung.