Impfversäumnisse sind nicht allein auf die Coronavirus-Pandemie zurückzuführen, denn in den meisten betroffenen Ländern ist die medizinische Versorgung der Bevölkerung seit Jahren allgemein schlecht.
Allerdings hat sich leider auch bei uns – bedingt durch die Pandemiemaßnahmen, wie Schließungen der Krippen, Kindergärten und Schulen – der bedenkliche “Trend” verbreitet, Impfungen zu verschieben oder sogar ganz wegzulassen.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) plädiert daher dafür, dass grundsätzlich keine der von der STIKO empfohlenen Impfungen verschoben wird; sie können und sollen erfolgen!
Vor allem die Grundimmunisierung im ersten und zweiten Lebensjahr soll zeitgerecht beginnen und abgeschlossen werden. So werden Impflücken vermieden und Säuglinge und Kinder sind frühzeitig gegen schwere Infektionskrankheiten ausreichend geschützt.
In den ersten beiden Lebensjahren erhalten wir die meisten Impfungen (s. Abb.1). Warum ist das so? Verglichen mit älteren Kindern haben Säuglinge einen deutlich schwereren Verlauf bei bestimmten Infektionen, z. B. Pneumokokken, Hib (Haemophilus influenzae Typ b) oder Pertussis. Deshalb erfolgen die meisten Impfungen in den beiden ersten Lebensjahren.
Keine Überlastung der Immunabwehr
Viele Eltern befürchten, dass so viele Impfungen in so kurzer Zeit zu viel für ihr Baby sind, oder glauben, dass das Immunsystem noch “unreif” sei. Ein “Zuviel” für das Immunsystem (von gesunden Babys) gibt es aber nicht, denn es setzt sich täglich gleichzeitig mit einer Vielzahl an Erregern aus der Atemluft und Nahrung auseinander.
Nicht zu vergessen sind auch Antigene im Speichel, die beim Küssen des Babys beispielsweise durch Eltern und Geschwister übertragen werden. Das Immunsystem reagiert auf Antigene (Ag) und unterscheidet dabei nicht, ob es sich um echte Erreger handelt oder nicht.
Eine Impfung ahmt eine Infektion nach, ohne die Erkrankung selbst auszulösen, da sie abgetötete oder stark abgeschwächte Erreger bzw. nur einzelne Erregerbestandteile enthält.
Das medizinische Wissen wird stetig größer, es gibt immer neue Erkenntnisse und Methoden, Impfstoffe herzustellen, wie man auch gerade bei den Covid-19-Impfstoffen gesehen hat. Es ist daher schlüssig, dass Kinder heutzutage gegen mehr Krankheiten geimpft werden als früher.
Die Anzahl der im Impfstoff enthaltenen Ag jedoch hat sich gleichzeitig deutlich verringert, ebenso die Begleitstoffe; so sind alle heutigen humanen Impfstoffe frei von Quecksilberverbindungen. Der Ganzkeim-Impfstoff gegen Pertussis enthielt beispielsweise alleine 3.000 Ag.
Rechnet man alle Ag der derzeitigen Impfungen zusammen, so kommt man auf 150. Mehrfachimpfstoffe haben zudem den Vorteil, dass die Zahl der Injektionen und die Menge der Begleitstoffe reduziert werden. Eine Überlastung der Immunabwehr haben sie nicht zur Folge.
Oft werden aber auch Impfungen verschoben, weil man sich auf den Nestschutz beruft. Maternale Antikörper sind nur einige Wochen bis Monate nachweisbar und schützen bei weitem nicht gegen alle impfpräventablen Krankheiten. Lediglich gegen Masern, Mumps und Röteln sowie Varizellen ist ein längerer Nestschutz vorhanden, entsprechend später wird mit diesen Impfungen begonnen.
Der Impfkalender
Die erste Impfung, die man im Impfkalender (s. Abb. 1) findet, ist die Rotavirus-Impfung. Diese kann ab 6 Lebenswochen gegeben werden. Die Impfserie sollte bis zum Alter von 12 Wochen begonnen werden und muss spätestens bis zum Alter von 24 bzw. 32 Wochen beendet sein, da dann das Risiko für Darminvaginationen, auch unabhängig von der Impfung, steigt.
Die Grundimmunisierung besteht je nach verwendetem Impfstoff aus 2 oder 3 Dosen, die jeweils in einem Abstand von mind. 4 Wochen oral verabreicht werden. Da es sich bei beiden zugelassenen Schluckimpfstoffen um Lebendimpfstoffe handelt, müssen Kontraindikationen (Immundefizienz) berücksichtigt werden.
Seit 2020 empfiehlt die STIKO für reifgeborene Säuglinge die Grundimmunisierung ab 8 Wochen mit einem Sechsfachimpfstoff gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Haemophilus influenzae Typ b, Poliomyelitis und Hepatitis B (DTaP-Hib-IPV-HepB) im sogenannten 2+1-Impfschema in den Monaten 2, 4 und 11.
Zwischen den beiden ersten Dosen müssen mindestens 2 Monate Abstand liegen und zwischen der 2. und 3. Impfdosis mindestens 6 Monate. Nach dem gleichen Impfschema wird auch die Pneumokokken-Konjugatvakzine (PVC) verimpft. Beide Impfungen können kontralateral am selben Tag erfolgen.
Für Frühgeborene (< 37. SSW geboren) gilt weiterhin das 3+1-Impfschema: Monate 2, 3, 4 und 11. Die einmalige Impfung gegen Meningokokken C (MenC) wird ab dem 1. Geburtstag gegeben.
Im Alter von 11 Monaten steht die 1. Masern-Mumps-Röteln-Impfung (MMR) an, die 2. MMR-Dosis sollte im Alter von 15 Monaten folgen. Unbedingt einzuhalten ist der Mindestabstand von 4 Wochen zwischen den beiden Impfungen, da es sich um einen Virus-lebendimpfstoff handelt.
Die Varizellen-Impfung (V) wird ebenfalls im 2-Dosen-Schema verabreicht, im Alter von 11 und 15 Monaten. Die 1. Impfung kann daher entweder kontralateral simultan mit der 1. MMR-Impfung gegeben werden oder frühestens 4 Wochen nach dieser, denn auch bei der Varizellen-Impfung handelt es sich um einen Lebendimpfstoff. Die 2. Dosis kann mit einem MMRV-Kombinationsimpfstoff erfolgen.
Humane Papillomviren (HPV) können nach einer Infektion persistieren und Jahre später Krebs auslösen. Deshalb wird die HPV-Impfung seit 2018 für beide Geschlechter ab dem 9. Geburtstag empfohlen, bestehend aus 2 Impfungen in einem Abstand von mindestens 5 Monaten.
Wird dieser Mindestabstand unterschritten, ist eine weitere Impfung nötig. Ab dem 15. Geburtstag wird im 3-Dosen-Schema geimpft. Innerhalb eines Jahres sollte die Impfserie abgeschlossen werden.
Wichtig bei der Entscheidung, ob man nach dem 2- oder 3-Dosen-Impfschema impft, ist das Alter zu Beginn der Impfserie. Jugendliche, die zum Zeitpunkt der ersten Impfung 14 Jahre oder jünger waren und die Impfserie später fortführen, bekommen 2 Dosen. Die Grund-immunisierung muss nicht neu begonnen werden, lediglich die fehlende Dosis wird nachgeholt. Der Satz “Jede Impfung zählt” gilt auch bei der HPV-Impfung.
Früherkennungsuntersuchungen sollen weiterhin in Anspruch genommen werden, da die Impfung nicht gegen alle potenziell onkogenen HPV-Typen schützt.
Nach der Grundimmunisierung (G) folgen im Kinder- und Jugendalter zwei Auffrischimpfungen (A1 und A2) mit einem reduzierten Diphtherie- und Pertussis-Antigengehalt (d statt D und ap statt aP): Vor der Einschulung (5 – 6 Jahre/U9) wird gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussis (Tdap) aufgefrischt.
Bei der U11/J1 (9 – 16 Jahre) erfolgt eine weitere Tdap-Boosterung zuzüglich der Poliokomponente mit einem Vierfachimpfstoff (Tdap-IPV).
Grundsätzlich gilt für alle Impfungen: Mindestabstände dürfen nicht unterschritten werden. Wird eine Impfung doch zu früh gegeben, kann diese nicht gezählt werden und eine weitere Dosis im richtigen Mindestabstand ist erforderlich. Der längere Abstand zwischen der vorletzten und letzten Dosis ist wichtig für den Langzeitschutz.