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InterviewRheumatoide Arthritis: Frühe Therapie rettet die Gelenke

Der Verlauf einer rheumatoiden Arthritis (RA) wird wesentlich in den ersten 9 bis 15 Monaten geprägt. Je früher die Diagnose gesichert und mit der Basistherapie begonnen wird, desto größer sind die Chancen, die Zerstörung der Gelenke zu verhindern, erklärt der Rheumatologe Prof. Dr. med. Gerhard Anton Müller, Göttingen, im Expertengespräch.

Alles im Griff: Gelenke im Blick

Wie häufig ist die RA?

Betroffen sind 1 bis 1,5 Prozent der Bevölkerung, Frauen erkranken etwa dreimal so häufig wie Männer. Der Erkrankungsgipfel liegt um das 40. Lebensjahr.

Welche Beschwerden sollten an eine RA denken lassen?

Charakteristisch ist die Morgensteifigkeit der Gelenke, die länger als eine Stunde anhält und vor allem die Handgelenke sowie die Grund- und Mittelgelenke der Finger betrifft, in der Regel symmetrisch. Ein Unterschied zur Arthrose ist, dass die Schmerzen nicht nur bei Belastung, sondern auch in Ruhe und nachts auftreten. Oft geben die Patienten zusätzlich Müdigkeit und eine allgemeine Leistungsminderung an.

Welche Labor- und bildgebende Diagnostik sollte der Hausarzt bei Verdacht auf RA einleiten?

Blutbild, Blutsenkung und CRP zeigen die Entzündung an. Üblich ist auch die Bestimmung des Rheumafaktors. Er ist aber mit zunehmendem Alter häufiger positiv, ohne dass eine RA vorliegt. Dagegen weisen Antikörper gegen zyklische citrullinierte Peptide/Proteine (ACPA, auch als CCP-Ak bezeichnet) eine sehr hohe Spezifität für die RA auf. Mithilfe der Gelenksonographie in der Hand des erfahrenen Rheumatologen lassen sich schon früh Zeichen einer akuten Entzündung erkennen. Auch die MRT kann sehr frühe Formen der RA aufdecken. Sind dagegen auf Röntgenaufnahmen der Hände die in Lehrbüchern beschriebenen gelenknahen Erosionen erkennbar, handelt es sich nicht mehr um eine frühe RA. So weit darf es nicht kommen!

Die Umsetzung der Empfehlung, Patienten mit Verdacht auf RA frühzeitig einem Rheumatologen vorzustellen, scheitert nicht selten an sehr langen Wartezeiten.

Wenn der Patient auf längere Sicht keinen Termin beim Rheumatologen bekommt, sollte der Hausarzt versuchen, telefonisch Kontakt mit einem entsprechenden Fachkollegen aufzunehmen, um den Fall zu besprechen. Ich kann mir übrigens vorstellen, dass sich die Telemedizin gut für diese Beratung eignet, denn die wesentlichen Zeichen der RA betreffen die in einer Videokonferenz gut beurteilbaren Hände.

Vor Beginn einer Basistherapie sollte die Diagnose aber gesichert sein. Woran können Hausärzte sich hier orientieren?

Die ACR/EULAR-Kriterien (siehe Tabelle 1) lassen die Diagnose RA alleine anhand des Musters des Gelenkbefalls und weniger Laborwerte recht zuverlässig stellen. Werden mindestens 6 Punkte erreicht, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine RA vor.

Ist Methotrexat (MTX) immer noch Mittel der ersten Wahl? Wie behandelt man in der Initialphase symptomatisch, bis die Basistherapie greift?

Ist die Diagnose RA hinreichend sicher, muss mit der Basistherapie, das heißt einem DMARD (Disease-Modifying Anti-rheumatic Drug), begonnen werden. Mittel der ersten Wahl ist immer noch MTX. Ist es kontraindiziert oder wird es nicht vertragen, kommen unter anderem Leflunomid und Sulfasalazin infrage. Initial werden gegen die Schmerzen und die Entzündung NSAR und Glukokortikoide eingesetzt. Für Glukokortikoide gilt die Regel: “so wenig wie möglich”!

Wie wird die Basistherapie mit MTX überwacht?

Unter MTX müssen die Leberwerte in den ersten sechs Wochen in 14-tägigem Abstand gemessen werden, um einen Anstieg der Leberenzyme rechtzeitig zu erkennen und MTX ggf. abzusetzen. Auch auf die Nierenfunktion muss geachtet werden, weil bei Niereninsuffizienz Metaboliten des MTX kumulieren können. Die anschließende Routineüberwachung sieht neben Befragung und klinischer Untersuchung alle vier Wochen ein Blutbild einschließlich Differenzialblutbild und Thrombozyten sowie die Bestimmung von GOT, GPT, alkalischer Phosphatase und Kreatinin vor.

Bei längerer guter Verträglichkeit können die Kontrollen quartalsweise erfolgen. Einmal jährlich sollte eine Lungenfunktionsprüfung erfolgen, weil sich unter MTX eine Pneumonitis entwickeln kann. Klagt der Patient über Dyspnoe und unproduktiven Husten, ist eine sofortige Abklärung nötig. Wichtig: Die Patienten müssen über die möglichen Nebenwirkungen von MTX aufgeklärt werden. Die DGRh stellt dafür einen Aufklärungsbogen zur Verfügung. Ferner müssen die Patienten 24 Stunden nach der MTX-Gabe 5 bis 10 mg Folsäure bekommen, weil MTX ein Folsäureantagonist ist.

Welche Biologicals stehen heute zur Verfügung, wenn die Basistherapie mit den genannten Wirkstoffen die Krankheitsaktivität nicht ausreichend dämpfen kann?

Biologicals werden in der Regel nur vom Rheumatologen verordnet. Neben Antikörpern gegen Tumor-Nekrose-Faktor-alpha (TNF-alpha) gibt es eine Reihe von Antikörpern gegen verschiedene Interleukine sowie gegen B-Zellen. Ziemlich neu ist der Ansatz, intrazelluläre Enzyme zu hemmen, die an der Signalübertragung durch Zytokine beteiligt sind. Diese Januskinase-Inhibitoren haben den Vorteil, dass sie als Tabletten eingenommen werden können. Bislang sind 2 Substanzen bei RA zugelassen, Baricitinib und Tofacitinib. Sie blockieren nicht nur die Wirkung eines einzelnen Zytokins, sondern einer ganzen Reihe solcher Botenstoffe für Entzündungsreaktionen.

Wie überwacht man eine Therapie mit Biologicals?

Hierzu gehören Blutbild, Leber- und Nierenwerte sowie die Lungenfunktion. Wichtig ist ferner, dass man an das jährliche Screening der Haut durch den Dermatologen denkt. Insgesamt scheint das Risiko durch Biologicals aber gering zu sein, denn es zeichnet sich ab, dass Menschen, die solche Wirkstoffe erhalten, eine höhere Lebenserwartung haben als die vergleichbare Allgemeinbevölkerung.

Welche Bedeutung haben Physiotherapie und Reha bei der RA?

Beide haben auch im Zeitalter hochwirksamer Biologicals einen großen Stellenwert. Ich empfehle den Kranken ferner, bei dem von der Rheumaliga entwickelten Funktionstraining mitzumachen. An die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen habe ich die Bitte, gemeinsam mit ihren Patienten Widerspruch gegen abgelehnte Reha-Anträge einzulegen – auch wenn das für sie in der Regel zusätzliche Arbeit zum Nulltarif bedeutet.

Vielen Dank für das Gespräch.

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