TherapieOnkologische Supportivtherapie: Mehr als Antiemese

Verzögert auftretende Nebenwirkungen der onkologischen Therapie sind bei der Chemotherapie wohlbekannt – sie kommen auch bei den neuen Krebsimmuntherapien vor. Manchmal kann der Hausarzt oder die Hausärztin auch präventive Maßnahmen anregen.

Die neuen Immuntherapeutika gehören bei vielen Tumorentitäten mittlerweile zur onkologischen Standardtherapie. Aufgrund des andersartigen Wirkmechanismus unterscheidet sich ihr Nebenwirkungsprofil teilweise von dem der Chemotherapeutika. Checkpoint-Inhibitoren greifen den Tumor nicht direkt an, sondern unterstützen das körpereigene Immunsystem dabei, die Tumorzellen zu attackieren.

“Das überaktivierte Immunsystem kann jedoch auch körpereigenes Gewebe als ‚fremd‘ erkennen und angreifen”, erklärte Kathrin Heinrich, München. Folglich können die immunvermittelten Nebenwirkungen im Prinzip jedes Organsystem oder Gewebe betreffen – und jedes nach der Therapie neu auftretende Symptom kann eine potenzielle Nebenwirkung darstellen [1].

Am häufigsten sind die Haut, das Kolon, die Lunge, die Leber und endokrine Organe wie Hypophyse oder Schilddrüse betroffen. Besonders gefährdet sind PatientInnen mit vorbestehenden Autoimmunerkrankungen.

Bei frühzeitiger Intervention gut zu behandlen

CTLA-4-Inhibitoren verursachen die meisten unerwünschten Ereignisse, insbesondere Hautausschläge und Juckreiz aber auch gas-trointestinale Symptome wie Diarrhö. Bei PD-1-/PD-L1-Inhibitoren werden insgesamt etwas weniger Nebenwirkungen beobachtet, hier treten neben den Hautsymptomen häufiger Lungensymptome sowie Funktionsstörungen der Schilddrüse auf.

Viele dieser Nebenwirkungen sind leicht bis mäßig ausgeprägt und gut behandelbar. Unter einer Kombinationstherapie aus mehreren Checkpoint-Inhibitoren steigt die Rate an höhergradigen Nebenwirkungen allerdings an.

Wichtig ist, die von den Patienten geschilderten Beschwerden, ernst zu nehmen, denn

bei frühzeitiger und angemessener Behandlung sind sie oft reversibel. Dabei ist zu beachten, dass die Nebenwirkungen zwar normalerweise innerhalb der ersten 12 Wochen nach Therapieeinleitung auftreten, allerdings ist dies auch zu jedem anderen Zeitpunkt während der Therapie und sogar nach deren Abschluss möglich [1].

Die Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad. Bei leichtgradigen Nebenwirkungen lässt sich die Therapie unter engmaschiger Kontrolle und symptomatischer Behandlung häufig fortsetzen. Höhergradige Nebenwirkungen erfordern meist ein Pausieren der Therapie oder ggf. deren Absetzung. In den meisten Fällen ist die Therapie mit einem Steroid erfolgreich. Eine Reexposition ist nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung möglich.

Die Krux mit der Nervenschädigung

Neurotoxizität ist eine häufige Folge der Chemotherapie, rund 60-90 Prozent der Behandelten leiden im Nachgang unter einer Chemotherapie-induzierten peripheren Polyneuropathie (CIPN). Da die CIPN mit signifikanten Beeinträchtigungen und schlechter Regeneration einhergeht, verringert sie nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen, sondern kann zudem zur Dosisreduktion oder sogar zum Therapieabbruch führen – und ist somit von hoher klinischer Relevanz.

Je nach eingesetztem Agens werden unterschiedliche Nervenstrukturen geschädigt. So wirkt beispielsweise Paclitaxel auf das Spinalganglion, Taxane verursachen eine Demyelinisierung der Nervenfortsätze und Oxaliplatin beeinträchtigt den Ionenkanal.

Neurologische Nebenwirkungen treten zwar vor allem nach der Chemotherapie auf, können jedoch auch von zielgerichteten Substanzen und Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICPIs) hervorgerufen werden. Typische Anzeichen einer CIPN umfassen sensorische Symptome wie Kribbeln, Brennen, stechende Schmerzen oder Taubheitsgefühle sowie motorische Beeinträchtigungen wie Ataxie bzw. Ganginstabilitäten.

Bewegung zur Therapie und Prävention

Eine effektive Therapie gibt es insbesondere für die inflammatorische Neuropathie. Hier helfen Immunglobuline, Plasmapherese oder Steroide. Bei der CIPN blieben dagegen zahlreiche Interventionsversuche etwa mit Elektrotherapie, Kortikosteroiden, Vitamin E oder Pregabalin ohne wirkliche Evidenz. Einzig die Schmerzen lassen sich mit Duloxetin lindern [2].

Allerdings gibt es einen vielversprechenden Ansatz, der bislang kaum Beachtung fand – die gezielte Bewegungsintervention. “Wir haben kürzlich ein systematisches Review mit Metaanalyse über neun randomisierte, kontrollierte Studien eingereicht, das einen positiven Einfluss der Bewegungsintervention auf die Gleichgewichtskontrolle, die neuropathischen Symptome sowie die Lebensqualität belegt”, berichtete Dr. Fiona Streckmann, Basel.

Die Verbesserungen wurden nur erreicht, wenn die Übungen auch ein Gleichgewichtstraining enthielten. Laut Streckmann ist insbesondere das sensomotorische Training als Gleichgewichtstraining für PatientInnen mit CIPN geeignet [3].

Aktuelle Untersuchungen zur Prävention von CIPN machen ebenfalls Hoffnung: Wie eine noch unpublizierte Studie zeigt, scheint ein symptomorientiertes neuromuskuläres Training (Sensomotorik- oder Vibrationstraining) nicht nur bestehende Symptome zu lindern sondern auch deren Entstehung verhindern zu können.

Literatur

  1. Haanen JBAG et al. Ann Oncol 2018; 29: iv264–iv266
  2. Hershman DL et al. J Clin Oncol 2014; 32(18): 1941-67
  3. Streckmann F et al. Ann Oncol 2014; 25(2): 493-499
  4. Fabi A et al Annal of Oncol 2020; 31(6): 713-723
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