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Hausarzt MedizinNichtopioide: Alle Nebenwirkungen im Blick?

Alle Schmerzmedikamente, die keine Opioide und keine Koanalgetika sind, werden im WHO-Stufenschema der Stufe 1 (Nichtopioide) zugeordnet. Aufgrund von Nebenwirkungen bestehen für viele dieser Medikamente Anwendungsbeschränkungen.

Zu den Nichtopioiden gehören unterschiedliche Medikamentengruppen:

  • Nicht saure antipyretische Analgetika,

  • Saure antiphlogistische, antipyretische Analgetika

  • Nicht antiphlogistische, nicht antipyretische Analgetika

Kein Schmerzmedikament der WHO-Stufe 1 unterliegt der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV). Fälschlicherweise nannte man diese Gruppe früher auch periphere Analgetika, weil man glaubte, dass diese Medikamente nicht im Zentralnervensystem, sondern in der „Peripherie“ wirken. Im Gegensatz dazu nannte man Opioide fälschlicherweise zentrale Analgetika. Heute ist bekannt, dass sowohl Opioide als auch Nichtopioide meist zentrale und periphere Wirkmechanismen haben.

Nicht saure antipyretische Analgetika

Paracetamol hat eine eher schwache schmerzstillende Wirkung und nur eine kurze Wirkdauer von ca. 4 Stunden. Es wirkt gut fiebersenkend, aber nicht entzündungshemmend. Als Mechanismus wird eine Wirkung über unterschiedliche Rezeptorsysteme, darunter das zentrale Prostaglandinsystem und ggf. auch Cannabinoidrezeptoren, vermutet. Die maximale empfohlene Tagesdosis liegt bei 60 mg/kg Körpergewicht. Selbst unter den üblichen maximalen Tagesdosen von 4 g wurden Leberschädigungen beschrieben. Dehydratation und hepatozelluläre Insuffizienz steigern das Risiko schwerer Leberschädigungen.

Metamizol (z. B. Novalgin®) hat in der Gruppe der Nichtopioide die stärksten analgeti­schen Eigenschaften. Bei guter antipyretischer Wirkung hat es keine antiphlogistischen Eigenschaften. Zusätzlich besteht durch seine Wirkung auf die glatte Muskulatur eine spasmolytische Komponente, die bei viszeralen Nozizeptorschmerzen vor teilhaft ist. Auch über 90 Jahre nach der Einführung des Medikaments ist der genaue Wirkmechanismus immer noch unbekannt. Postuliert wird eine Wirkung als zentraler Cyclooxygenasehemmer und Cannabinoid­rezeptorligand.

Die Wirkdauer ist mit ca. 4 Stunden kurz, so dass das Präparat (4–) 6 × täglich gegeben werden muss. Manche Patienten kommen eher mit Tropfen, manche eher mit Tablet ten zurecht. Metamizol eignet sich gut zur subkutanen Dauerinfusion insbesondere in fortgeschrittenen Krankheitsphasen bzw. der Sterbephase.

Wegen Blutbildnebenwirkungen (Reversible Agranulozytose) wurde das Medikament in einigen Ländern(z. B. Skandinavien, USA) aus dem Verkehr gezogen. Tatsächlich ist diese Nebenwirkung aber selten (zwischen 1:1,1 Million und 1:1500, je nach untersuchter Population und Definition) und nach dem Absetzen des Medikaments wieder rückläufig. Die klinische Ini­tialsymptomatik ist durch eine Tonsillitis, eine Stomatitis aphtosa und Fieber geprägt, die daher auch als Warnsymptome für diese Nebenwirkung herangezogen werden können. Im weiteren Verlauf der Agranulozytose kann es zu einer Generalisierung dieser vor nehmlich oropharyngealen Symptome bis hin zur Sepsis kommen.

Viele Patienten schwitzen unter diesem Medikament stark. Vor allem bei intravenöser Gabe und schneller Infusionsgeschwindig keit kann es zu Blutdruckabfällen kommen, die durch die Wirkung auf die glatte Gefäßmuskulatur begründet sind. Überempfindlichkeitsreaktionen treten gehäuft bei in travenöser Gabe auf. Auch das Risiko von Agranulozytosen ist unter intravenöser Gabe erhöht.

Saure antiphlogistische, antipyretische Analgetika

Die Medikamente dieser Gruppe werden nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) genannt. NSAR hemmen in der Regel unspezifisch das Schmerz und Entzündungsreaktionen vermittelnde Prostaglandinsystem über die beiden Unterformen des Enzyms Cyclooxygenase (COX). Über die Hemmung der COX-2 führen sie zu analgetischen und antiphlogistischen Effekten, über die Hemmung der COX-1 zu renalen und gastrointestinalen Nebenwirkun gen sowie thrombozyten­ aggregations hemmenden Wirkungen. Die antiphlogistische Wirkung der NSAR ist vorteilhaft bei rheumatischen Beschwerden.

Um die über die COX-1 vermittelten Nebenwirkungen zu vermindern, wurden spezifische COX-2-Hemmer entwickelt. Leider finden sich trotz reiner COX-2-Hemmung gastrointestinale Neben wirkungen, und die Thrombozytenaggrega­tionshemmung wird durch eine reine COX-2-Hemmung negativ beeinflusst. Anstatt einer Thrombozyten aggregationshemmung kommt es zu einer Förderung der Thrombozytenaggregation, die zu einem erhöhten Schlaganfall oder Herzinfarktrisiko führt.

Die Rate gastrointestinaler Nebenwirkungen, z. B. Gastritis, Ulkus oder gastrointestinale Blutungen, ist erheblich. Gerade bei älteren Patienten, Patienten mit Anamnese eines Magengeschwürs oder Komedikation mit Antikoagulanzien, Thrombozyten aggregationshemmern und Steroiden ist das gastrointestinale Risiko deutlich erhöht. Da her sollte bei diesen Risikopatienten der Einsatz der NSAR nur unter strengen Nutzen-Risiko-Abwägungen erfolgen. Zumindest bei allen diesen Risikopatienten sollten generell Protonenpumpenhemmer (z. B. Omeprazol) als Magenschutz gleichzeitig verordnet werden.

Das Risiko einer Niereninsuffizienz steigt mit der Dauer der Anwendung. Deshalb sollten NSAR nicht länger als sechs Monate verordnet werden.

Immerhin ein Drittel der Fälle eines durch Medikamente bedingten Nierenversagens sind auf diese Medikamentengruppe zurückzuführen. Besondere Risikofaktoren für renale Nebenwirkungen sind Niereninsuffizienz, Herzinsuffizienz oder Leberzirrhose, Hypovolämie und Begleitmedikamente mit ungünstigem Einfluss auf die Nierenfunktion (z. B. Diuretika, ACE-Hemmer, AT-1-Rezeptorblocker). Da das Risiko der Niereninsuffi zienz durch Dehydratation und Multimorbidität aufgrund der Organinsuffizienzen erhöht wird, haben viele Patienten in palliativer Versorgung ein besonders hohes Risiko.

Diclofenac wird mit unterschiedlich langer Wirkdauer hergestellt. Neben dem Retardpräparat sind kurz wirksame Tabletten im Handel. Da die verfügbaren Daten auf ein erhöhtes Risiko arterieller thrombotischer Ereignisse, vergleichbar mit dem von COX-2-Hemmern hinweisen, hat die EMA 2013 die Anwendung von Diclofenac bei Patienten mit Herzinsuffizienz (NYHA II–IV), KHK, PAVK und Schlaganfall als kontraindiziert eingestuft. Die Behandlung mit Diclofenac sollte bei Patienten mit signifikanten kardiovaskulären Risikofaktoren nur nach sorgfältiger Abwägung begonnen werden.

Ibuprofen: Auch hier ist die recht lange Wirkdauer (acht Stunden) vorteilhaft. Ibuprofen ist häufiger als andere NSAR Auslöser einer aseptischen Meningitis.

Naproxen hat ebenfalls eine recht lange Wirkdauer (zwölf Stunden). Es gibt Hinweise darauf, dass Naproxen von den NSAR eventuell das geringste kardiovaskuläre Risiko hat.

Coxibe sind selektive Hemmer der COX-2 und haben daher ein geringeres Risiko bezüglich der durch COX-1 vermittelten Nebenwirkungen an Magen und Niere. Gleichzeitig ist aber das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse erhöht, so dass sie für Patienten mit entsprechenden Risikofaktoren nicht geeignet sind. Derzeit zugelassen sind Celecoxib und Etoricoxib.

Nichtantiphlogistische, nicht anti pyretische Analgetika

Flupirtin: Der Wirkmechanismus ist eine selektive Öffnung von neuronalen Kaliumkanälen. Es wirkt weder entzündungshemmend noch fiebersenkend, sondern über eine Verminderung der Schmerzstimulierbarkeit. Es hat auch eine die Skelettmuskulatur entspannende Wirkung und ist daher bei Schmerzen mit gleichzeitigen Muskelverspannungen vorteilhaft.

Nebenwirkungen sind vor allem Müdigkeit und gastrointestinale Beschwerden, weshalb die Dauer der Anwendung begrenzt werden sollte. Wegen gravierender hepatischer Nebenwirkungen, die vom Anstieg der Leberenzyme bis zum Leberversagen reichten, wurde 2013 die Anwendungsdauer auf zwei Wochen beschränkt und eine regelmäßige Kontrolle der Leberwerte zur Auflage gemacht. Außerdem sollte die Anwendung nur noch erfolgen, wenn andere Analgetika kontraindiziert sind.

Fazit

  • Nichtopioide haben eine begrenzte Schmerzwirksamkeit und zahlreiche potenzielle Nebenwirkungen.

  • Insbesondere bei längerer Anwendung sind Organschäden zu befürchten (z. B. Niereninsuffizienz unter NSAR, Leber­ insuffizienz unter Paracetamol). Opioide verursachen dagegen in der Regel selbst bei Langzeitanwendung keine Organ­ schäden.

Fallbeispiel

Frau Meier erhält wegen Bauchschmerzen infolge eines Kolon karzinoms Metamizol. Unter 3 × 20 Tropfen Metamizol (morgens, mittags und abends) ist sie tagsüber schmerzfrei, nachts ist sie dagegen von heftigen Schmerzen geplagt.

Therapievorschlag

Die Dosis wird erhöht auf je 20 Tropfen um 7, 11, 15 und 19 Uhr und weitere 40 Tropfen um 23 Uhr. Nun ist sie auch nachts schmerzfrei. Später als die Schmerzen trotz Metamizol schlimmer werden, wird ein Opioid (Tilidin 50 mg alle 8 Stunden, anschließend Titration bis zur Schmerzfreiheit) ergänzt. In weiter fortgeschrittenen Krankheitsphasen wird Tilidin unter Beibehalten von Metamizol durch das stärker wirksame Hydromorphon ersetzt. In der Sterbephase erhält Frau M. eine kontinuierliche subkutane Dauerinfusion mit Metamizol (5 g/24 Stunden) und Hydromorphon. Sie ist darunter schmerzfrei.

Literatur: Gerhard C. Praxiswissen Palliativmedizin. Thieme Verlag, Stuttgart 2015

Interessenkonflikte: Keine

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