Covid-19: Wenn der Kopfschmerz bleibt
Bei bis zu 70 Prozent der Patienten ist der Kopfschmerz ein initiales Symptom der SARS-CoV-2-Infektion. Die gute Nachricht ist, dass Patienten mit starken Kopfschmerzen während der Infektion eine bessere Prognose aufweisen. Sie haben signifikant höhere Überlebenschancen und müssen rund sieben Tage kürzer im Krankenhaus bleiben.
Neben dem Infektions-begleitenden Kopfschmerz tritt jedoch bei etwa 10 Prozent der Patienten ein persistierender Kopfschmerz auf, der noch neun Monate nach Abklingen der Infektion anhält und ‚als neu aufgetretener persistierender täglicher Kopfschmerz‘ (new daily persitent headache, NDPH) klassifiziert wird.
Der Schmerz kann migräneartig oder spannungstypartig sein oder gemischte Merkmale zeigen. Die Patienten erinnern sich meist klar an das erstmalige Auftreten des Schmerzes, der sich innerhalb von 24 Stunden zum kontinuierlichen Dauerschmerz entwickelt.
Interessant ist nun, dass eine Verbindung des NDPH zum Inflammasom hergestellt werden konnte. Als Teil der angeborenen Immunabwehr ist das Inflammasom in der Lage, die Freisetzung von entzündungsfördernden Zytokinen zu veranlassen, was letztlich zu einer Sensitivierung von Trigeminusneuronen führen kann.
Erste klinische Studien bestätigen eine erhöhte Konzentration von Molekülen des Inflammasoms im Serum von SARS-CoV-2-Patienten mit Kopfschmerzen. So könnte die anhaltende Aktivierung des Inflammasoms nicht nur bei den anhaltenden Covid-19-assoziierten Kopfschmerzen, sondern auch bei der Chronifizierung von Migräne eine wichtige Rolle spielen.
Prof. Andreas Straube, München
Die Macht der Worte
Laufen im Gehirn zwei Aktivitäten parallel ab, verstärken sich die beteiligten Netzwerke gegenseitig. Passiert dies auch wenn ein Schmerzpatient von seinen Schmerzen berichtet, also Sprache und Schmerz gekoppelt werden? Um das zu überprüfen, wurde die Reaktion auf Schmerz-assoziierte Wörter im Vergleich zu negativen Wörtern anhand einer funktionellen Kernspintomographie überprüft.
Tatsächlich reagierten die beteiligten Gehirnareale (“Schmerzmatrix”) der Patienten deutlich stärker auf die Schmerz-assoziierten Wörter. Zusätzlich wurde untersucht, ob die Schmerzempfindlichkeit von Patienten mit höherer Aktivierung der Schmerzmatrix gesteigert ist.
Die Koppelung von Schmerz-assoziierten Wörtern mit realen Schmerzstimuli führte zu einer erhöhten Schmerzwahrnehmung verglichen mit negativen oder neutralen Adjektiven. Das bedeutet für die Praxis, dass z.B. die Ankündigung einer Spritze mit dem neutralen Wort “Achtung” keine erhöhte Schmerzempfindung auslöst, im Gegensatz zum Schmerz-assoziierten “Stich”.
Diese Wirkung auf die Nozizeption sollte man bei Gesprächen mit Schmerzpatienten beachten.
Prof. Thomas Peter Weiß, Jena
Riechtherapie bei Migräne-Patienten
Während der Kopfschmerzphase einer Migräne-Attacke sind viele Patienten nicht nur licht- und lärmempfindlich sondern auch geruchsempfindlich. Rund 35 Prozent reagieren etwa zwei Stunden nach einer Duftexposition mit einer Migräne-Attacke. Insgesamt weisen Migräne-Patienten jedoch ein schlechteres Riechvermögen auf.
In einer Studie wurde der Effekt eines Riechtrainings untersucht: 68 erwachsene Migräne-Patienten erhielten entweder ein Riechtraining oder ein Placebotraining. Nach drei Monaten konnten die Patienten mit Verum-Riechtraining besser riechen und zeigten eine reduzierte Schmerzempfindlichkeit.
Ein vergleichbares Ergebnis erreichte das Riechtraining auch bei Kindern- und Jugendlichen mit Kopfschmerzen. Möglicherweise könnte sich diese Methode als weitere nicht-medikamentöse Kopfschmerztherapie etablieren.
Fibromyalgie – eine herausfordernde Entität
Das Fibromyalgie-Syndrom (FMS) zeigt ein buntes klinisches Bild. Die meist weiblichen Patienten leiden unter Schmerzen, die oft als “tief-sitzend, wandernd” beschrieben werden und lokalisiert oder generalisiert auftreten.
Ein Verdacht auf FMS ist gegeben, wenn Fatigue, depressive Verstimmungen, Schlafstörungen oder gastrointestinale Beschwerden (ohne nachweisbare Ursache) hinzukommen. Da es kein spezifisches Medikament gibt, basiert die Therapie primär auf nicht-medikamentösen Maßnahmen wie etwa Wärmetherapie oder Physiotherapie kombiniert mit psychotherapeutischen Verfahren wie der kognitiven Verhaltenstherapie.
Prof. Nurcan Üçeyler, Würzburg
Cannabis bei Schmerzen: Was sagen die Patienten?
Anhand einer quantitativen Befragung wurden die Erfahrungen von Schmerzpatienten zur Einnahme von Cannabisprodukten ermittelt. Die meisten Patienten (n=13) berichteten von einer entspannenden Wirkung und Stressreduktion.
Die Schmerzwahrnehmung veränderte sich bei sechs Patienten, eine zusätzliche Entspannung trat ebenfalls bei sechs Patienten auf. Sieben Patienten berichteten von einer Schmerzreduktion. Die Lebensqualität verbesserte sich bei allen Patienten.
Dabei zeigte sich, dass die Schmerzreduktion nicht die einzige bzw. entscheidende Wirkung ist, vielmehr wurden die positiven Effekte auf Schmerz und Lebensqualität mit Entspannung und veränderter Schmerzwahrnehmung assoziiert.
Franziska Fitzner, Hannover
Kopfschmerzintervention via Internet geplant
Wie die CHAP-Studie zeigte, leiden rund ein Fünftel der Jugendlichen (10–18 Jahre) mindestens einmal pro Woche unter Kopfschmerzen. Erschreckende 79 Prozent der Jugendlichen mit wiederkehrenden Kopfschmerzen nehmen Schmerzmedikamente ein.
Als Schutzfaktor wurde die körperliche Aktivität identifiziert – vor allem für jüngere Jungen. Auf der Grundlage dieser Untersuchung wird derzeit eine Website für Schulkinder entwickelt, die altersgerecht informiert, Anleitungen zum Umgang mit Kopfschmerzen gibt und die Eigeninitiative anregt.
Dr. Julia Wager, Datteln