Medizin KompaktMigräne erkennen

Migräne ist ein häufiger Beratungsanlass. "Der Hausarzt" fasst alle wichtigen Fakten in diesem Infoblatt übersichtlich zusammen.

Definition

  • Attacken heftiger, häufig einseitiger pulsierend-pochender Kopfschmerzen, die bei körperlicher Betätigung an Intensität zunehmen

Prävalenz

  • Ein-Jahres-Prävalenz: 10–15 Prozent
  • Höchste Prävalenz vom 20. bis 50. Lebensjahr
  • Bei Erwachsenen: Frauen sind bis zu dreimal häufiger betroffen als Männer

Symptome

  • Holokranielle Kopfschmerzen (bei einem Drittel der Patienten)
  • Begleitsymptome:
  • Appetitlosigkeit
  • Übelkeit
  • Erbrechen
  • Lichtscheu
  • Lärmempfindlichkeit
  • Überempfindlichkeit gegenüber bestimmten Gerüchen
  • Leichtes Augentränen
  • Dauer der Attacken: 4 – 72 Stunden

Diagnose

  • Anamnese
  • Neurologische Untersuchung: Befund muss unauffällig sein
  • Zusatzdiagnostik und Bildgebung nur bei Kopfschmerzen mit ungewöhnlicher Klinik und bei persistierenden neurologischen oder psychopathologischen Auffälligkeiten

Therapie akuter Migräneattacken

Analgetika

  • Empfohlen bei leichteren und mittelstarken Migräneattacken
  • Analgetika mit der am besten belegten Wirksamkeit: Acetyl- salicylsäure und Ibuprofen

Triptane (5-HT1B/1D-Agonisten)

  • Empfohlen bei starken Kopfschmerzen und bei Migräneattacken, die nicht auf Analgetika oder NSAR ansprechen
  • Wirkstoffe: Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Nara-triptan, Rizatriptan, Sumatriptan, Zolmitriptan (siehe Tab. 1)
  • Bessere Wirksamkeit bei frühzeitiger Einnahme
  • Nicht einsetzen bei schwerwiegenden kardiovaskulären Erkrankungen wie Angina pectoris, koronarer Herzkrankheit, nach Herzinfarkt, transienter ischämischer Attacke, Schlaganfall oder fortgeschrittener peripherer arterieller Verschlusskrankheit
  • Bei unzureichender Wirksamkeit: Kombination eines Triptans mit einem NSAR

Mutterkornalkaloide

  • Nur ausnahmsweise einsetzen (wg. schlechterer Wirkung und vermehrten Nebenwirkungen), z.B. bei Patienten, die von der längeren Wirkdauer der Ergo-tamine profitieren

Schwelle für die Entstehung von Medikamentenübergebrauch- Kopfschmerz

  • Triptane ≥ 10 Einnahmetage/Monat
  • Monoanalgetika ≥ 15 Einnahmetage/Monat
  • Kombinationsanalgetika ≥ 10 Einnahmetage/Monat

Notfallbehandlung

  • ASS
  • Metoclopramid und andere Dopaminantagonisten
  • Metamizol
  • Triptane
  • Steroide

Nicht medikamentöse Verfahren

  • Nicht ausreichend untersucht

Bei Übelkeit und Erbrechen

  • Antiemetika, z.B. Metoclopramid, Domperidon
  • Gezielter Einsatz bei starker Übelkeit oder Erbrechen
  • Nicht generell mit Analgetika oder Triptanen kombinieren

Prophylaxe

Indikation

  • Besonderer Leidensdruck, Einschränkung der Lebensqualität und Risiko eines Medikamentenübergebrauchs

Ziele

  • Reduktion von Häufigkeit, Schwere und Dauer der Migräneattacken
  • Prophylaxe des Kopfschmerzes bei Übergebrauch von Schmerz- und Migränemitteln

Maßnahmen

  • Auswahl eines Migräneprophylaktikums je nach Attackenhäufigkeit, Begleiterkrankungen und individuellen Bedürfnissen des Patienten
  • Medikamente langsam ein-schleichen
  • Kombination der medikamen-tösen Prophylaxe mit nicht medikamentösen Verfahren empfohlen
  • Kopfschmerzkalender zur Dokumentation von Erfolg bzw. Misserfolg der jeweiligen Maßnahme

Medikamentöse Prophylaxe

  • Betablocker, z.B. Propranolol, Metoprolol
  • Flunarizin
  • Antikonvulsiva: Valproinsäure*, Topiramat
  • Amitriptylin
  • Onabotulinumtoxin A nur bei chronischer Migräne**
  • Monoklonale Antikörper (Erenumab, Fremanezumab, Galcanezumab): Zulassung bei Migräne mit mindestens 4 Migränetagen/Monat; Verordnung möglich, wenn mindestens 5 Substanzen aus den 4 (bei episodischer Migräne) bzw. 5 (bei chronischer Migräne) verfügbaren, zugelassenen medikamentösen pharmakologischen Gruppen nicht wirksam waren, nicht vertragen wurden oder wenn gegen deren Einnahme Kontraindikationen oder Warnhinweise bestehen

Nicht medikamentöse Verfahren

  • Akupunktur (bei Patienten, die eine medikamentöse Prophylaxe ablehnen oder nicht vertragen)
  • Regelmäßiger aerober Ausdauersport
  • Verhaltenstherapie, z.B. Entspannungsverfahren, kognitive Verhaltenstherapie, Biofeedback
  • Psychologische Schmerztherapie (Schmerzbewältigung, Stressmanagement, Entspannungsverfahren) bei hochfrequenter Migräne und erheblicher Einschränkung der Lebensqualität
  • Biofeedbacktherapie
  • Vasokonstriktionstraining

Quellen:

Deutsche Gesellschaft für Neurologie: Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, S1-Leitlinie, Oktober 2019

Deutsche Gesellschaft für Neurologie: Prophylaxe der Migräne mit monoklonalen Antikörpern gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor, Dezember 2019

*Valproinsäure darf wegen ihrer teratogenen Eigenschaften bei Frauen im gebärfähigen Alter nur nach Aufklärung über eine sichere Verhütung verordnet; Verordnung nur noch von Fachärzten für Nervenheilkunde, Psychiatrie oder Neurologie.

**Onabotulinumtoxin A darf nur von in der Diagnose und Therapie chronischer Kopfschmerzen erfahrenen Neurologen eingesetzt werden..

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