Fragebogen als praktische HilfeLipödeme: Wenn Arme und Beine aus der Form geraten

Lipödem-Patientinnen haben oftmals einen langen Leidensweg hinter sich, bevor die Erkrankung erkannt und professionell behandelt wird. Dabei geben Patientengespräch, Inspektion und Palpation dem Hausarzt meist frühzeitig fundierte Hinweise auf mögliche krankhafte Veränderungen des Fettgewebes. Praktische Hilfe bietet der Fragebogen "Quick check Lipödem".

Dr. Katrin Lossagk im Beratungsgespräch mit einer Patientin.

Trotz Sport und strenger Diät nehme ich einfach nicht ab – und wenn doch, dann fast gar nicht an den Beinen, sondern nur an Bauch und Brust. Bei dieser sicher nicht seltenen Klage von Patientinnen sollten Hausärzte künftig hellhöriger werden. Denn dies könnte ein deutlicher Hinweis darauf sein, dass die Patientin unter einem Lip-ödem leidet und nicht “nur” unter Adipositas, wie zunächst oft vermutet.

Denn selbst mit strengsten Diäten und viel Bewegung lassen sich diese schmerzhaften Veränderungen des Fettgewebes nicht rückgängig machen. Beides kann lediglich dabei helfen, nicht noch durch übermäßige Kalorienzufuhr das Volumen zu vergrößern und dadurch die Problematik zu verschärfen.

Mittlerweile ist jede zehnte Frau in Deutschland von dieser krankhaft veränderten Fettansammlung an Beinen und Armen betroffen. Viele von ihnen haben einen langen Leidensweg mit zahlreichen Arzt-Konsultationen hinter sich, bevor die Erkrankung endlich erkannt wird. Fundierte Detail-Kenntnisse über Symptomatik und Auswirkungen dieses Leidens würden diese Situation sicher schnell und effizient verbessern.

Dabei besonders gefragt: Hausärztinnen und -ärzte als wichtige Anlaufstelle. Je besser sie Ursachen und Beschwerdebild eines Lipödems kennen, desto größer die Chancen einer frühzeitigen und zielgerichteten Behandlung für die Patientin.

Aufschlussreiche Patientengespräche

Wie eingangs erwähnt, bietet das Patientengespräch bei genauem Hinhören einige wichtige Hinweise auf mögliche Lipödem-Erkrankungen. Im Folgenden möchte ich zur Konkretisierung und praktischen Hilfe eine Reihe ebenso alltäglicher wie symptomatischer Beispiele aus meiner langjährigen Praxiserfahrung aufführen: Erklärt eine Patientin etwa, dass ihre Beine immer dicker würden und sich schwer anfühlen, könnte das ein prägnanter Hinweis auf ein Lipödem sein.

Berichtet sie zudem, dass auch Gegenregulation – wie eben Ernährungsumstellung oder Sport – nichts gegen ihr Übergewicht bzw. die Volumenzunahme an Armen oder Beinen ausrichten würden, so verdichten sich die Anzeichen für eine entsprechende Erkrankung. Eine gründliche Anamnese sowie Inspektion und Palpation sind in diesem Fall wichtige Schritte zur weiteren Abklärung.

Dabei empfiehlt es sich, bei der Patientin nachzufragen, wann ihr erstmals die Veränderungen an Armen oder Beinen aufgefallen sind. Häufig korreliert der Beginn der Erkrankung mit einer hormonellen Veränderung, etwa durch Pubertät, Beginn der Pilleneinnahme, Schwangerschaft oder Menopause.

Inspektion, Palpation, Pinch-Test

Um einen Gesamteindruck des Körpers zu bekommen, empfehle ich, dass sich die Patienten bis auf BH und Unterhose entkleidet. Ist eine deutliche Diskrepanz zwischen Ober- und Unterkörper erkennbar, kann dies ebenfalls für eine eventuelle Lipödem-Erkrankung sprechen. Sind Hände und Füße im Gegensatz zu Beinen und Armen auffallend schlank, so untermauert dies den Verdacht.

Nicht zu vernachlässigen als typisches Lipödem-Symptom sind auch sogenannte Muffenbildung oder das Suavenhosen-Phänomen. Es zeigt sich eine tastbar vermehrte subkutane Fettschicht, die sich zu einem “säulenartigen Bein” entwickelt.

Kennzeichnend für das Lipödem sind darüber hinaus ovalförmige Fettpads am proximalen Unterschenkel. Diese sind meistens sehr gut sichtbar und/oder zu ertasten. Auch auf der Rückseite der Oberarme ist möglicherweise ein Fettpad zu erkennen sowie ein Überhang des Hautmantels mit subkutanem Fettgewebe, der sich über das Ellenbogengelenk bis zum Handgelenk zieht.

Löst der sogenannte Pinch-Test, also das Kneifen des Gewebes, Schmerzen bei der Patientin aus, so lässt auch dies Rückschlüsse auf ein Lipödem zu.

Schwere Beine und Kältegefühl

Nicht nur körperliche Veränderungen sind wichtige Bausteine der Lipödem-Diagnostik. Häufig kommt es bei einer entsprechenden Erkrankung zeitgleich oder etwas zeitversetzt zu weiteren auffälligen Beschwerden. So berichten Patientinnen häufig über schwere Beine beim Treppensteigen oder abendlichen Schmerzen in den Beinen in Ruheposi-tion. Vielfach haben sie das starke Bedürfnis, die Beine hochzulegen. Zudem klagen Betroffene oft darüber, dass sich ihre Arme oder Beine wie ein praller Luftballon anfühlen. Neben einem Druckgefühl registrieren sie eine starke Empfindlichkeit bei Berührungen. Oftmals genügt bereits das bloße Antippen des Oberschenkels, um minutenlange Schmerzen auszulösen.

Nicht selten schildert die Lipödem-Patientin auch ein auffallendes Kältegefühl im Winter. Insbesondere das Aufwärmen der Oberschenkel ist problematisch. Schwierigkeiten bereiten darüber hinaus auch sehr häufig ganz alltägliche Vorgänge wie das Haare föhnen, weil Betroffene nach eigenen Aussagen das Gerät nicht lange oben halten können. Häufig treten zudem vermehrt blaue Flecken ohne erinnerliches Trauma auf.

“Quick Check” in der Praxis

Berichtet die Patientin über Symptome dieser Art oder bejaht sie entsprechende Fragen im Arztgespräch (siehe Tab. 2 unten), so ist eine Gewichtszunahme im Sinne einer Adipositas sehr fraglich. Mit hoher Wahrscheinlichkeit liegt eine Lip-ödem-Erkrankung vor. Dabei spielt der Body-Mass-Index keine entscheidende Rolle.

Lipödeme sind nicht heilbar

Ziel der konservativen Therapie ist es, den Lymphfluss zu verbessern und die Beschwerden zu lindern. Bewährt haben sich regelmäßige manuelle Lymphdrainagen, um die Wassereinlagerungen zu reduzieren. Die Erstversorgung umfasst außerdem maßgefertigte Kompressionsstrumpfhosen (beides Kassenleistungen).

Zudem sollte den Patientinnen sportliche Betätigung ans Herz gelegt werden – etwa Schwimmen bzw. Aquajogging und Aquagymnastik: Der Wasserdruck führt zu einer sanften Entstauung der Lymphflüssigkeit. Eine basische oder ketogene Ernährung, die entzünd-ungshemmend ist, kann die Schmerz-wahrnehmung positiv beeinflussen.

Die konservative Therapie ist häufig jedoch nur eine Form der Beschwerdelinderung. Sie hält ein weiteres Fortschreiten der Erkrankung nicht auf und kann diese auch nicht zurückdrängen. Bei ausgeprägten Fettansammlungen und entsprechendem Leidensdruck sollte über eine Operation nachgedacht werden.

Spezialisten, die sich ausschließlich mit der Liposuktion von Lipödem beschäftigen, empfehlen in diesen Fällen eine sogenannte Mega-Liposuktion. Dabei wird das Fett in zwei bis drei Eingriffen gründlich an Beinen und Armen entfernt. An diesen Stellen kommt es zu keiner erneuten Lipödem-Symptomatik. Möglich ist aber eine Vermehrung des Fettgewebes an anderen, nicht operierten Körperstellen.

Schilddrüsenhormone kontrollieren

Nach dem neusten Stand der Wissenschaft gilt ein Lipödem als chronische Erkrankung. Daher muss die betroffene Patientin aufgrund der veränderten Stoffwechsellage ein Leben lang auf ihre Ernährung achten, um nicht zusätzlich zu den hormonellen Einflüssen auch noch durch Überernährung vermehrtes Fett anzusammeln.

Im Rahmen der Lipödem-Abklärung empfiehlt sich eine Kontrolle der Schilddrüsenhormone, da wir bei 30 Prozent der Lipödem-Patientinnen eine Hypothyreose oder auch Hashimoto Thyreoiditis feststellen. Des Weiteren ist bei einer bestehenden zusätzlichen Adipositas auch noch ein Diabetes Typ 2 auszuschließen.

Mögliche Interessenkonflikte: Dr. Katrin Lossagk ist Ärztliche Leiterin bei LIPOCURA in der Münchner Klinik mednord und der Kölner Beethoven-Klinik.

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