Seit rund 15 Jahren steht sie bei Aortenklappenstenosen als Op-Alternative zur Verfügung: TAVI. Das Akronym steht für Transcatheter Aortic Valve Implantation – eine biologische Herzklappe wird in einem Stent verankert und über einen Katheter ins Herz eingeführt (s. Video-Tipp). Zugangsweg ist meist die Leistenarterie, die Herzklappe kann jedoch auch durch die Herzspitze (transapikal) eingesetzt werden. Die neue Klappe drückt die defekte Aortenklappe in die Schlagaderwand und nimmt deren Platz ein.
Wie die optimale antithrombotische Therapie nach TAVI aussieht, ist noch unklar – bisher liegen laut Deutscher Gesellschaft für Kardiologie (DGK) keine Ergebnisse von randomisierten Studien vor. In ihrem Kommentar zu den Leitlinien der ESC/EACTS von 2017 empfiehlt sie derzeit, dass bei niedrigem Blutungsrisiko eine duale Plättchenhemmung über drei bis sechs Monate erwogen werden sollte, gefolgt von einer Monotherapie, wenn keine sonstige Indikation für eine Antikoagulation besteht. Bei erhöhtem Blutungsrisiko kann auch eine Monotherapie ab Implantation erwogen werden.
Wichtig: Wie nach einer Klappenersatz-Op sollte auch nach TAVI in allen Fällen potenzieller Bakteriämien eine Endokarditisprophylaxe gemäß der Leitlinien erfolgen.
Warum TAVI?
Welche Vorteile bietet TAVI? Sie kann im Gegensatz zum herkömmlichen Aortenklappenersatz (AKE) ohne Herz-Lungenmaschine stattfinden, auch eine Vollnarkose ist oft nicht nötig. Somit kann TAVI auch bei Patienten angewendet werden, für die das Risiko einer Op mit Öffnung des Brustkorbs zu hoch ist.
Als Therapie der Wahl stuften Experten TAVI bisher bei mittlerem bis hohem Operationsrisiko (STS-SCORE ≥4 Prozent) sowie bei einem Alter > 75 Jahre ein. Bei Patienten mit niedrigem Op-Risiko galt jedoch weiter AKE als Mittel der Wahl. Aufgrund zweier Studien ist dies jetzt fraglich: Das Evolut Low Risk Trial zeigte die Nicht-Unterlegenheit von TAVI gegenüber AKE bei Niedrigrisikopatienten, die PARTNER 3-Studie wies die Überlegenheit von TAVI bei dieser Patientengruppe nach.
Laut DGK müssen die Leitlinien an die neue Datenlage angepasst werden. Prof. Helge Möllmann von der Arbeitsgruppe Interventionelle Kardiologie der DGK forderte im April 2019, die Altersgrenzen kritisch zu hinterfragen: Es liege nahe, die Altersgrenze für TAVI zumindest auf 70 Jahre zu senken. Außerdem sollte TAVI – wenn anatomisch gut machbar – als Standardbehandlung erwogen und der chirurgische Klappenersatz bei Patienten ab 70 nur als Alternative in Erwägung gezogen werden. Die neuen Daten bestätigten ohnehin, was in Deutschland längst Realität sei: Ein erheblicher Teil der mit TAVI behandelten Patienten zählten schon jetzt zur Niedrigrisikogruppe.
Was spricht gegen TAVI?
Doch noch bleiben Fragen offen: Experten kritisieren, dass verlässliche Daten zur Langzeithaltbarkeit der TAVI-Prothesen fehlen. Die Studienergebnisse wurden zudem ausschließlich bei Patienten mit transvaskulär eingebrachter Klappe erzielt – unklar ist, ob sie auf Patienten mit transapikal eingesetzter Klappe übertragbar sind. Fraglich ist außerdem, was für Patienten im 5. oder 6. Lebensjahrzehnt die beste Lösung ist.
Auch bei Patienten mit bikuspiden Aortenklappen (BAV) bestehen noch Unklarheiten hinsichtlich des optimalen therapeutischen Vorgehens. Definitiv der Herzchirurgie vorbehalten bleiben Eingriffe an Patienten mit Endokarditis.
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Die 1.468 Teilnehmer der randomisierten Studie waren durchschnittlich 74 Jahre alt und trugen ein niedriges Op-Risiko. Die TAVI-Gruppe erhielt eine selbstexpandierende Klappenprothese, die AKE-Patienten eine biologische Klappenprothese.
Die Inzidenz von Tod oder behinderndem Schlaganfall nach zwei Jahren (primärer Endpunkt) war in der TAVI-Gruppe niedriger als in der AKE-Gruppe (5,3 versus 6,7 Prozent). Zudem war nach 30 Tagen die Zahl von schweren Schlaganfällen, schweren Blutungskomplikationen, akutem Nierenversagen und neu aufgetretenem Vorhofflimmern bei TAVI-Patienten geringer als bei AKE-Patienten. Häufiger waren in der TAVI-Gruppe paravalvuläre Aortenklappeninsuffizienzen. Auch brauchten TAVI-Patienten erheblich öfter einen Schrittmacher (s. Tab.).