Ein neues Medikament könnte in der Behandlung der KHK “interessant sein”. Darauf wies Dr. Stefan Grenz, Hausarzt im hessischen Königstein, in seinem Vortrag zur Koronaren Herzkrankheit im Rahmen der Digitalen Woche des IhF hin.
Der Wirkstoff Inclisiran des im Februar zugelassenen Präparates senkt den Spiegel des LDL-Cholesterins. Inclisiran erzeugt eine gezielte Wechselwirkung mit der RNA, um die Produktion des Proteins PCSK9 einzuschränken, und verfolgt damit ein anderes Prinzip als bisherige Lipid-Senker.
Konkret induziert der siRNA-Wirkstoff einen mRNA-Abbau.Dadurch wird die Proteinsynthese von PCSK-9 verhindert. Der Mangel an PCSK-9 erhöht die Konzentration von LDL-C-Rezeptoren auf die Leberzellen, es wird mehr LDL-C aufgenommen und das LDL-C-Serum sinkt.
Eingesetzt werden könne das neue Präparat begleitend zur cholesterinsenkenden Therapie bei Hochrisikopatienten mit primärer Hypercholesterinämie oder gemischter Dyslipidämie zusätzlich zur bestehenden lipidsenkenden und diätetischen Therapie, so Grenz.
Das Präparat senkt einer Studie zu Folge das LDL-C signifikant um etwa die Hälfte. Mehr als 90 Prozent aller Studienteilnehmer waren statinbehandelt, etwa 70 Prozent in Maximaldosierung. Nach 18 Monaten konnte bei etwa zwei Drittel der Behandelten ein LDL-C unter 100 Milligramm erwartet werden.
Harte kardiovaskuläre Ereignisse wie Infarkt, Apoplex oder Versterben wurden in der Studie nicht endpunktbezogen untersucht. Die dazu laufende Erhebung soll erst Ende 2024 Ergebnisse liefern. Inclisiran müsse aber ebenso wie andere neuere Lipidsenker mit bewährten Wirkweisen – darunter Alirocumab, Evolucumab und Bempedoinsäure – erst noch seinen Nutzen auf “harte Endpunkte” unter Beweis stellen, merkt Grenz kritisch an.
Einsatz von Statinen abwägen
“Das Hauptaugenmerk bei der KHK-Therapie muss auf dem LDL-Spiegel liegen.” Erste Wahl bei Lipidsenkern bleiben HMG-CoA-Reduktasehemmer. Statine sollten alle Patienten mit KHK erhalten, unabhängig von ihren Blutfettwerten.
Davon ausgenommen sind Patienten jenseits der 73 Jahre bei Herzinsuffizienz oder diabetischer Niereninsuffizienz V. Der LDL-Spiegel sinkt unter Statinen dosisabhängig um bis zu 50 Prozent, unabhängig vom Alter.
Das relative Risiko für kardiale Ereignisse reduziert sich um bis zu 30 Prozent. Die absolute Risikoreduktion hängt vom individuellen Ausgangsrisiko ab. Bei manifester KHK beträgt die absolute Risikoreduktion etwa zehn bis 15 Prozent in zehn Jahren. “Die Senkung der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität ist ein Klasseneffekt für Simvastatin, Pravastatin, Atorvastatin, Lovastatin, Rosuvastatin und Fluvastatin”, so Grenz.
Abgesetzt werden müssten Statine bei Mypopathien und CK-Erhöhungen um das Fünffache. Bei jüngeren Patienten müsse der Einsatz von Statinen abgewogen werden. “Es gibt keine Langzeit-Studie”, gibt Grenz zu bedenken. Auch sei der Stellenwert einer LDL-C-Senkung unter 70 mgProzent nach wie vor unbelegt.
Keine wiederholten Cholesterinbestimmungen nötig
Eine Primärprävention mit Statinen ist angezeigt, wenn das individuelle Zehn-Jahresrisiko für kardiovaskuläre Ereignisse bei mehr als 20 Prozent liegt. So steht es in der DEGAM-S3-Leitlinie “Hausärztliche Risikoberatung zur kardiovaskulären Prävention”.
Demnach sollten Statine als Fixdosistherapie in Standarddosierung erfolgen. Eine Dosis-Titration auf einen bestimmten LDL-Zielwert sollte nicht erfolgen, eine Notwendigkeit wiederholter Cholesterinbestimmungen besteht nicht.
Die Wahl zwischen einer Zielwertstrategie und einer Strategie der festen Dosis zur Sekundärprävention trifft Grenz zugunsten letzterer. “Damit lassen sich Effekte von Statinen am Besten umsetzen.” Der DMP-Bogen und die Richtlinie zur Gesundheitsuntersuchung forderten gleichwohl verpflichtend die Angabe des LDL-D-Wertes.
Ohne gesicherten therapeutischen Nutzen sei der Einsatz von Anionenaustauschern, Omega-3-Fettsäuren sowie Ezetimib. Bei letzterem sei die Senkung zwar gut belegt, die Auswirkung auf kardiovaskuläre Endpunkte bleibe aber unklar.
Anders als das genannte Präparat zur PCSK9-Produktionseinschränkung wirken PCSK9-Hemmer. Laut G-BA-Neubewertung zu Alirocumab vom Mai 2019 ist ein Zusatznutzen für heterozygote Patienten mit und ohne ASCVD nicht belegt. Bei Evolucumab sei für diese beiden Patientengruppen sowie für homozygote Patienten ein Zusatznutzen nicht belegt, berichtet Grenz.
Neue Zwischenstufe bei Herzinsuffizienz
Eine KHK ist in 70 bis 90 Prozent der Fälle Ursache der chronischen Herzinsuffizienz. Hier besteht seit 2017 eine neue Klassifikation. Neu ist die Zwischenstufe HFmrEF (Heart Failure with mid-range Ejection Fraction).
Diese geringgradig eingeschränkte linksventrikuläre Ejektionsfraktion bildet den Graubereich zwischen “sicher nicht LV-insuffizient” und “sicher LV-insuffizient” ab. “Diese Patienten fielen bis 2016 nicht in die Diagnose Herzinsuffizienz”, so Grenz. Bei Vorhofflimmern ist HFmrEF nicht reproduzierbar.
Die Diagnose HFmrEF wird dann gestellt, wenn der Patient Symptome hat, das Labor pathologisch ist und im UKG die Ejektionsfraktion über 40 Prozent liegt. “Ein Laborscreening beschwerdefreier Patienten ist wegen der mangelnden Vorhersagekraft nicht sinnvoll”, erläutert Grenz.
Eine engmaschige Begleitung des Patienten und seiner Angehörigen, eine Stärkung des Selbstmanagements sowie konsequente Gewichtskontrolle verhindere effektiv Notfälle.
Vorsicht sei geboten beim Einsatz von Pregabalin.”Neurologen lieben Pregabalin”, schmunzelt Grenz. Doch es wirke nicht nur gegen neuropathische Schmerzen, Epilepsie und generalisierte Angststörungen, sondern mache auch abhängig.
Trotzdem könne es unter Umständen sinnvoll sein, das Präparat in der Medikation zu belassen. “Wenn man nonchalant etwas absetzt, was ein Kollege verordnet hat, schmälert man das Vertrauen des Patienten.” Besser sei die Dosierung der Betablocker voll auszureizen und mit dem Kollegen zu besprechen, ob eine Dosisreduzierung im Sinne des Patienten sei.