KongressberichtÄltere Schmerzpatienten: Berechtigte Bedenken bei NSAR?

Die Einnahme von NSAR geht mit deutlichen renalen und kardiovaskulären Risiken einher – insbesondere bei älteren und vorerkrankten Patienten. Welche Mechanismen zu diesen Risiken führen und welche Medikamentenkombinationen man vermeiden sollte, erklärt Prof. Timm Westhoff aus Bochum.

Medikamente sind mit Abstand die häufigste Ursache eines akuten Nierenversagens bei hospitalisierten Patienten.

Die Einnahme von NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika) kann unter anderem zur Entwicklung einer Hypertonie beitragen. Allerdings erhöhen NSAR den Blutdruck im Mittel nur um 3/2 mmHg. “Die Hypertonie ist keine generelle Kontraindikation für eine NSAR-Verordnung”, erklärte Prof. Timm Westhoff aus Bochum beim diesjährigen Deutschen Schmerz- und Palliativtag. Bei einer therapieresistenten Hypertonie sollte man NSAR hingegen vermeiden.

Stellt in diesen Fällen die Umstellung auf Paracetamol oder Metamizol eine Alternative dar? Tatsächlich ist Metamizol laut Westhoff eine gute Idee – da es den Blutdruck eher senke als steigere, für Paracetamol gelte dies jedoch nicht. Einer aktuellen Studie zufolge, steigt der Langzeitblutdruck unter Paracetamol durchschnittlich um 5 mmHg an [1].

Dosisabhängige Risikosteigerung

Weshalb erhöht sich unter NSAR das kardiovaskuläre Risiko, insbesondere das Risiko für eine Herzinsuffizienz? Den zugrunde liegenden Mechanismus erklärte Westhoff folgendermaßen: Prostaglandine hemmen die Rückresorption von Natrium aus dem Primärharn. Da NSAR ihrerseits die Prostaglandinsynthese inhibieren, kommt es einer Hemmung der Hemmung und so zu einer verstärkten Natrium-Rückresorption.

Zugleich bewirkt die verringerte Prostaglandinsynthese eine Erhöhung des peripheren systemischen Widerstands und eine Verringerung der Nierendurchblutung, wodurch sich letztlich eine Herzinsuffizienz manifestieren kann. Die Salz- und Wasserretention ist dosisabhängig. “Je mehr NSAR bzw. selektive COX-2-Inhi-bitoren eingenommen werden, desto höher ist das Risiko für Bluthochdruck und Herzinsuffizienz”, verdeutlichte Westhoff.

Insgesamt scheint das Risiko für eine Herzinsuffizienz je nach eingesetztem NSAR unterschiedlich hoch zu sein. Beispielsweise verdoppelt sich das Herzinsuffizienz-Risiko durch sehr hohe Dosen von Diclofenac, Etoricoxib, Indomethacin, Piroxicam und Rofecoxib [2]. Celecoxib hingegen war in dieser Studie nicht mit einem erhöhten Risiko für Herzinsuffizienz assoziiert, selbst wenn es in hohen Dosen eingesetzt wurde.

Dieses Ergebnis wurde in der PRECISION-Studie bestätigt: Hier war das Herzinsuffizienz-Risiko von Celecoxib vergleichbar mit dem von Ibuprofen oder Naproxen [3].

Indikationsabhängiges Risiko

“Das kardiovaskuläre Risiko stellt sich in analgetischer Indikation anders dar als in antiinflammatorischer Indikation”, betonte der Nephrologe. Denn während NSAR das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse in der analgetischen Indikation erhöht, gilt das Gegenteil für die antiinflammatorische Indikation.

So können NSAR bei rheumatologischen Patienten z.B. mit Spondyloarthritis (M. Bechterew) oder Rheumatoider Arthritis das kardiovaskuläre Risiko verringern [4].

Hämodynamische Effekte von NSAR

Medikamente sind mit Abstand die häufigste Ursache eines akuten Nierenversagens bei hospitalisierten Patienten [5]. Dabei lassen sich zwei Mechanismen unterscheiden: Entweder wirken die Medikamente prärenal, indem sie die Perfusion der Niere senken (bei intakter Nephronstruktur) oder intrarenal, indem sie die Nephrone strukturell schädigen.

Diuretika und RAAS-Hemmer wirken prärenal, Aminglykoside, Kontrastmittel und Cis-platin wirken intrarenal (tubulär), Aciclovir obstruktiv. NSAR interagieren auf unterschiedliche Weise mit der Niere und wirken daher sowohl prä- als auch intrarenal.

Dabei spielt die Regulation des intraglomulären Drucks eine Rolle: Der meiste Primärharn entsteht, wenn das zuführende Gefäß (Arteriola afferens) zum Glomerulus weitgestellt und das abführende Gefäß (Arteriola efferens) enggestellt ist. Für die Weitstellung ist insbesondere Prostaglandin E2 (PGE2) verantwortlich, für die Engstellung sorgt Angiotensin II (AT II).

Eine NSAR-Gabe verringert die PGE2-Produktion und führt so zu einer Verengung der zuführenden Gefäße, wodurch die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) durchschnittlich um 5-8 ml/min sinkt. “Diese hämodynamischen Effekte von NSAR treten immer auf, sind bei nierengesunden Menschen jedoch inapparent”, erklärte Westhoff.

Explosive Mischung vermeiden

Wird zusätzlich zu NSAR ein ACE-Hemmer gegeben, werden nicht nur die zuführenden Gefäße eng-, sondern die abführenden Gefäße gleichzeitig weitgestellt. “Dadurch wird der transglomuläre Druck kritisch reduziert. Diese gefährliche Mischung kann durch einen dritten Player vervollständigt werden: mit Diuretika!”, führte Westhoff aus.

Diuretika lösen in dieser Situation einen evolutionär-konservierten Mechanismus aus, der vor dem Verlust von Natriumchlorid schützen soll – es wird Adenosin ausgeschüttet, das zu einer Vasokonstriktion der zuführenden Gefäße führt.

“Diese explosive Mischung zwingt auch eine ansonsten gesunde Niere in die Knie”, betonte der Nephrologe. Und sie ist nicht so ungewöhnlich: Diuretika und ACE-Hemmer gelten als Standardbehandlung der Herzinsuffizienz; kommt z.B. ein Rückenschmerz dazu, wird schnell auch zusätzlich ein NSAR verordnet. Wie eine Studie zeigte, haben COX-2-Inhibitoren eine vergleichbare Wirkung auf die renale Funktion wie unselektive NSAR [6].

Literatur:

  1. Macintyre IM et al. Circulation 2022; 145:416-423
  2. Arfè A et al. BMJ 2016; 354:i4857
  3. Nissen SE et al. NEJM 2016; 375(26): 2519-2529
  4. Braun J et al. Semin Arthritis Rheum 2020; 50(2):285-288
  5. Singh TB et al. Indian J Nephrol 2013; 23(1):24-29
  6. Swan SK et al.l Ann Intern Med 2000; 133(1):1-9

Quelle: Deutscher Schmerz- und Palliativtag: “Der ältere Schmerzpatient mit Risiken: Niereninsuffizienz, Antikoagulation, Herzinsuffizienz”

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