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Hausarzt MedizinIst das Fibromyalgiesyndrom eine neurologische Erkrankung?

Patienten mit Fibromyalgiesyndrom (FMS) zählen häufig zu den Problem- patienten einer Hausarztpraxis. Das liegt nicht nur daran, dass die Betroffenen sehr auf ihre Erkrankung fixiert sind. Ein weiterer Grund ist, dass sich das Fibromyalgiesyndrom auch schwer einordnen lässt.

Prof. Dr. Claudia Sommer vom Universitätsklinikum Würzburg kennt zahlreiche FMS-Patienten und führt mit Ihrer Arbeitsgruppe Untersuchungen zu den neurologischen Aspekten des FMS durch. Denn noch ist unklar, ob es sich um ein psychisches Problem, eine somatoforme Störung, eine rheumatische oder eine neurologische Erkrankung handelt. Im Interview mit unserer Journalistin Frau Dr. Hofmann-Aßmus berichtet Sie von wissenschaftlichen Erkenntnissen, die zukünftig eine gezielte Therapie ermöglichen könnten.

Für die Schmerzen beim Fibromyalgiesyndrom werden unterschiedliche Ursachen diskutiert. Was spricht für eine Erkrankung der zentralen Schmerzverarbeitung?

Diese Theorie wird insbesondere durch Befunde aus der zerebralen Bildgebung gestützt, etwa der funktionellen MRT oder der Nah- infrarotspektroskopie, kurz NIRS. Dabei sieht man, dass ein Stimulus, z.B. ein Druck auf Muskeln oder Sehnen, bei Patienten mit FMS deutlich mehr Aktivität in bestimmten Gehirnregionen hervorruft als bei Gesunden. Diese Beobachtung wird in der Regel als Störung der zentralen Schmerzverarbeitung interpretiert. Meiner Meinung nach greift diese Erklärung zu kurz. Denn die Schmerz-Verstärkung kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen, also auch in den auf- oder absteigenden Nervenbahnen und/oder im Gehirn selbst.

In Ihrer Arbeitsgruppe wurden Untersuchungen zur Reizverarbeitung durchgeführt. Könnten Sie uns diese beschreiben?

Wir haben uns zunächst die Reizverarbeitung im Gehirn angesehen. Mit Hilfe der NIRS lässt sich der Sauerstoffverbrauch oberflächlicher Hirnareale bestimmen. Dies stellt ein Maß für die Hirnaktivität dar. Der Vorteil der Methode besteht darin, dass die Patienten nicht wie beim MRT in die gefürchtete Röhre müssen. Allerdings sind damit nur die oberflächlichen Gehirnaktivitäten messbar.

Auf einen Druck-Stimulus in der Peripherie – z.B. am Unterarm – reagierten die FMS-Patienten erwartungsgemäß mit deutlich stärkeren Signalen im Gehirn als die Kontrollpersonen. Überraschend war, dass wir diese Reaktion auch in der anderen Hirnhälfte beobachten konnten.

Als nächstes hat uns interessiert, was auf der Strecke zwischen der Peripherie und dem Gehirn geschieht. Dafür nutzten wir die quantitative sensorische Testung kurz QST. Dabei teilen uns die Probanden mit, wann sie auf einen peripheren Stimulus hin Schmerz empfinden. Mit Hilfe verschiedener Reize erhält man so ein differenziertes Profil. Interessanterweise benötigten die FMS-Patienten im Vergleich zu den Kontrollpersonen deutlich stärkere Kälte- und Wärmreize um etwas zu spüren. Gleiches galt für leichte Berührungen, wogegen sie deutlich sensitiver auf mechanische Reize reagierten. Das könnte bedeuten, dass verschiedene Nervenfunktionen unterschiedlich von der Erkrankung betroffen sind.

Welche Beobachtungen lassen noch auf eine Beteiligung der peripheren Nervenfasern schließen?

In der Haut finden sich die am meisten distal, also von der Körpermitte entfernten, peripheren Nerven. Daher haben wir die Nervenfasern in Hautbiopsien näher analysiert und festgestellt, dass bei Patienten mit FMS im Mittel weniger Nervenfasern vorhanden sind als bei Gesunden. Das ist ein Paradoxon: FMS-Patienten leiden unter starken Schmerzen obwohl sie weniger Nervenfasern aufweisen. Wie unsere elektronenmikroskopischen Untersuchungen belegen, weisen die verbliebenen Nervenfasern bei FMS-Patienten einen geringeren Durchmesser auf, sind also nicht gesund. Auch diese Befunde sprechen für verschiedene Subgruppen mit einem Defizit in der zentralen Verarbeitung und/oder den peripheren Nervenbahnen. Interessant ist zudem, dass erkrankte Nervenfasern ihre Eigenschaften ändern und beispielsweise überempfindlich werden. So kann man bei FMS-Patienten mittels Mikroneurographie eine verstärkte spontane Aktivität einzelner Nervenfasern beobachten – dadurch treten Schmerzen auf, für die keine Ursache vorliegt.

Die Erregbarkeit der Nervenfasern und der zum Gehirn führenden Nervenbahnen lässt sich betrachten, indem man Schmerz-assoziierte evozierte Potenziale ableitet. Hier zeigte sich bei FMS-Patienten, eine verzögerte und abgeschwächte Weiterleitung der Schmerzimpulse zum Gehirn. Bei all diesen Befunden beobachteten wir eine breite Streuung, z.B. von normaler bis hin zu stark reduzierter Hautinnervation. Patienten mit normaler Hautinnervation klagen ebenfalls über Schmerzen. Daher kann man spekulieren, dass es möglicherweise Subgruppen innerhalb der FMS-Patienten gibt, bei welchen entweder das zentrale Nervensystem oder die peripheren Nerven eine dominantere Rolle bei der Entstehung der Beschwerden spielen.

Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesen Beobachtungen für die Therapie der Betroffenen?

Das Beschwerdebild aller FMS-Patienten stimmt weitgehend überein, dennoch muss es sich nicht um eine einheitliche Erkrankung handeln. Vielmehr könnten unterschiedliche Pathomechanismen zugrunde liegen, etwa psychologische, entzündlich-rheumatische oder eine Beteiligung des zentralen bzw. peripheren Nervensystems. Dabei schließen sich diese Mechanismen nicht einmal gegenseitig aus, sondern könnten zu unterschiedlichen Teilen zum Krankheitsbild beitragen. Für die Zukunft wäre es wichtig, alle beteiligten Faktoren aufzuschlüsseln, um Subgruppen definieren zu können. Das könnte eine zielgerichtete Therapie ermöglichen. Anhand dieser Einteilung wäre es dann beispielsweise möglich, bei Patienten mit einer starken Beteiligung der peripheren Nerven in der Peripherie zu intervenieren, bei Patienten mit überwiegend zentraler Beteiligung eher über Beeinflussung der zentralen Schmerzverarbeitung. Denn unser Ziel besteht nicht allein darin, Befunde zu erheben, sondern die Therapiemöglichkeiten den Subgruppen entsprechend zu verbessern.

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