Erreger
- Humane Immundefizienz-Viren (HIV) aus der Familie der Retroviren (HIV-1 und HIV-2 mit 9 Subtypen von HIV-1 und mindestens 15 breiter zirkulierenden rekombinanten Formen)
Epidemiologie
Schätzungen für Deutschland im Jahr 2016
- 88.400 HIV-Infizierte insgesamt
- 3.100 HIV-Neuinfektionen, davon
- 2.100 durch Sex zwischen Männern
- 750 durch heterosexuelle Kontakte
- 240 durch i.v. Drogenkonsum
- weniger als 10 durch Übertragung von der Mutter auf das Kind
- 12.700 HIV-Infizierte, bei denen die Infektion noch nicht diagnostiziert wurde
Risikogruppen
- Männer, die Sex mit Männern haben
- Drogenkonsumenten
- Personen aus Hochprävalenzländern
Übertragung
- Ungeschützter Sexualkontakt mit einem infizierten Partner
- Gemeinsamer Gebrauch von Spritzenutensilien
- Übertragung von einer HIV-infizierten Mutter auf das Neugeborene
- Durch Blut oder Blutprodukte
Ansteckungsfähigkeit
- Jeder HIV-Infizierte ist lebenslang potenziell ansteckungsfähig
- Die Ansteckungsfähigkeit korreliert mit der Höhe der Viruslast im Blut und anderen Körpersekreten und ist in den ersten Wochen nach der Infektion besonders hoch
Symptome
Akute HIV-Infektion
- Akutes Mononukleose-ähnliches Krankheitsbild mit Fieber, akuter Lymphknotenschwellung, diskretem Exanthem des Stammes, z.T. Durchfall und schmerzhaften Schluckbeschwerden, bei einem Teil der Infizierten (6 Tage bis 6 Wochen, meist 2 bis 3 Wochen nach der Infektion)
- Flüchtige Meningoenzephalitis (selten)
Symptomfreies Stadium
- Dauer Monate bis Jahre
- Evtl. indolente, mehrere Regionen betreffende Lymphknotenschwellungen
Chronische HIV-Infektion
- Individuelle Verläufe und Krankheitsbilder sehr vielfältig
- Unspezifische Störungen des Allgemeinbefindens
- Veränderungen an Haut und Schleimhäuten
- Gastrointestinale Beschwerden
- Gelegentlich diskrete neurologische Symptomatik
- Schwerer Immundefekt (Acquired Immune Deficiency Syndrom, AIDS) bei 70 Prozent der unbehandelten Patienten mit lebensbedrohlichen opportunistischen Infektionen und malignen Neubildungen, z.B. Kaposi-Sarkomen und B-Zell-Lymphomen
Diagnose
- Nachweis spezifischer Antikörper (in der Regel 2 bis 10 Wochen nach erfolgter Infektion erstmalig nachweisbar)
- Zusätzlich Nachweis von Virusantigen oder viralen Nukleinsäuren (Zweistufendiagnostik mit Such- und Bestätigungstest)
- Zum Ausschluss einer Probenverwechslung immer eine zweite Blutprobe testen
Meldepflicht
- Der direkte und indirekte Nachweis von HIV ist laut Infektionsschutzgesetz meldepflichtig.
Therapie
Indikation
- HIV-assoziierte Symptome und Erkrankungen, HIV-Nephropathie, symptomatisches HIV-assoziiertes neurokognitives Defizit (HAND)
- Asymptomatische Patienten mit weniger als 500 CD4+-Zellen/µl (bei mehr als 500 CD4+-Zellen/µl Therapie möglich, Abwarten vertretbar), Schwangerschaft, therapiebedürftiger Hepatitis B, chronischer Hepatitis C, Alter über 50 Jahren, raschem Absinken der CD4-Zellzahl, Immunsuppression im Rahmen einer systemischen Chemotherapie, Radiotherapie oder Autoimmunerkrankungen, Transplantation)
Medikamente
- Kombinationstherapie initial bestehend aus 3 Substanzen (2 Nukleosid-/Nukleotidanaloga (NRTI) zusammen mit einem nicht-nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitor (NNRTI), einem Integrase-inhibitor (INI) oder einem geboosterten Proteaseinhibitor (PI), siehe Tabelle 1; bevorzugt Fixkombinationen
- Therapiewechsel bei Therapieversagen, Nebenwirkungen, Komorbiditäten, Adhärenzproblemen, Schwangerschaft, Begleitthera- pien, potenziellen Interaktionen oder Wunsch nach Therapievereinfachung
Prävention
- Benutzung von Kondomen
- Verwendung steriler Einmalspritzen und -kanülen bei i.v. Drogenkonsum
- Abklärung evtl. Risiken durch einen HIV- oder STI-Test
Präexpositions-Prophylaxe (PrEP)
- Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil (TDF/FTC)
- Nur in Kombination mit Beratung
- Kann Menschen mit substanziellem HIV-Infektionsrisiko angeboten werden:
- Männer, die Sex mit Männern haben, und Transgender-Personen mit der Angabe von analem Sex ohne Kondom innerhalb der letzten 3 bis 6 Monate und/oder voraussichtlich in den nächsten Monaten bzw. einer sexuell übertragbaren Infektion in den letzten 12 Monaten
- Serodiskordante Konstellationen mit einer/m virämischen HIV-positiven
- Partner/in ohne ART, mit nicht suppressiver ART oder in der Anfangsphase einer ART
- Menschen mit Sex ohne Kondom mit Partner, bei denen eine
- undiagnostizierte HIV-Infektion wahrscheinlich ist
- Drogeninjizierende Personen ohne Gebrauch steriler Injektionsmaterialien
Postexpositionsprophylaxe
- Empfehlen bei Ereignissen, bei denen eine infektionsträchtige HIV-Exposition sicher oder mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit stattgefunden hat
- Anbieten, wenn eine HIV-Exposition mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit stattgefunden haben könnte, z.B. wenn die Indexperson einer Bevölkerungsgruppe angehört, die in besonderem Maße von HIV-Infektionen betroffen ist (Notwendigkeit einer HIV-PEP sollte durch erfahrenen Arzt oder Experten überprüft werden)
- Durchführung nach Aufklärung und Beratung
- Standard: Antiretrovirale Kombination über 28 bis 30 Tage
- Beste Ergebnisse bei Prophylaxebeginn innerhalb von 24 Stunden, besser noch innerhalb von 2 Stunden zu erwarten