Mal sind es Unwissen und fehlende Erfahrung, mal Furcht vor einer Ansteckung, mal Vorurteile: Die Gründe, warum HIV-Infizierte in Arztpraxen nicht wie andere Patientinnen und Patienten behandelt werden, sind vielfältig. Fest steht jedoch: Diskriminierung gehört für viele Betroffene zum Alltag, ganz gleich ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt. Dabei geht es nicht nur um extreme Erfahrungen wie eine verweigerte Behandlung, was jeder fünfte Betroffene schon einmal erlebt hat [1].
“Auch unnötige Hygienemaßnahmen oder die – zum Teil unbedachte – Preisgabe sensibler Informationen zum Beispiel auf Überweisungsscheinen werden als diskriminierend empfunden”, weiß Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK). Gemeinsam mit der Deutschen Aidshilfe hat die BÄK daher eine Handreichung herausgegeben, um Diskriminierung im Gesundheitswesen entgegenzuwirken (s. Link).
Basis: Infektionsschutz
Der Infektionsschutz ist dabei nur ein Baustein im Umgang mit (potenziell) HIV-Erkrankten. Dazu zählen etwa:
- Tragen von Einmalhandschuhen bei Kontakt mit möglicherweise virushaltigen Flüssigkeiten (Blut, Sekrete, Exkrete) oder wahrscheinlich kontaminierten Flächen;
- Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und einer Schutzbrille oder eines Gesichtsschutzschildes, wenn mit Verspritzen/ Tröpfchenbildung zu rechnen ist;
- sicherer Abwurf von gebrauchten Spritzen und Skalpellen.
“Im medizinischen Kontext besteht bei Einhaltung der üblichen Hygiene- und Arbeitsschutzmaßnahmen keine Infektionsgefahr, weder für das Team noch für andere Patienten”, heißt es dazu in der Broschüre [2]. Für den Fall von Arbeitsunfällen, zum Beispiel Schnittverletzungen mit HIV-kontaminierten Instrumenten, stellt diese Sofortmaßnahmen wie eine HIV-Post-Expositions-Prophylaxe vor.
Wichtig: Es ist nicht erforderlich, HIV-Positive aufgrund “besonderer Desinfektionsmaßnahmen” nur zum letzten Termin des Tages einzubestellen!
Augenmerk: Diskretion
Darüber hinaus erinnern BÄK und Aidshilfe an einfache Schritte – vornehmlich aus dem Bereich des Datenschutzes:
- Ermöglichen Sie Patienten, den Anamnesebogen unbeobachtet auszufüllen. Dies kann etwa durch die Anordnung der Stühle im Wartezimmer erreicht werden.
- Gespräche über Diagnosen müssen grundsätzlich so geführt werden, dass niemand mithören kann.
- Essenziell ist Fingerspitzengefühl am Tresen: Patientenunterlagen sollten keinesfalls – etwa mit großem Hinweis-Sticker in “Warnfarbe” – markiert werden oder gar offen einsehbar am Tresen liegen. Auch bei Nachfragen oder dem Ausstellen von Rezepten ist auf Diskretion zu achten.
- Berücksichtigen Sie gegebenenfalls den Wunsch, die HIV-Infektion nicht auf Überweisungen zu vermerken. Denn: Menschen mit HIV müssen– wie alle anderen Patientinnen und Patienten auch – grundsätzlich selbst bestimmen können, wer von ihrer Infektion erfährt.
Wichtig: Betroffene sind nicht verpflichtet, von ihrer Infektion zu berichten, auch nicht gegenüber dem Personal in der Gesundheitsversorgung.
Kür: Zeichen setzen
Darüber hinaus haben gerade Arztpraxen die Möglichkeit, nicht nur Offenheit und Akzeptanz zu leben, sondern auch bewusst ein Zeichen gegen Diskriminierung im Alltag zu setzen. Mit Leitsätzen oder einem entsprechenden Praxisaushang können Hausärztinnen und Hausärzte beispielsweise signalisieren, dass sie offen und nicht wertend mit Patientinnen und Patienten umgehen.
Dies birgt auch die Chance, das Arzt-Patienten-Gespräch zu erleichtern. Denn: “Die Grundlage für eine erfolgreiche Behandlung von Menschen mit HIV ist ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Patientinnen und Patienten und dem medizinischen Team”, so Reinhardt.
Übrigens: Die Deutsche Aidshilfe bietet Praxen, die eine diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung leben, die Möglichkeit einer Zertifizierung mit dem Gütesiegel “Praxis Vielfalt”.
Quellen:
- “positive stimmen”, Deutsche Aidshilfe 2012, www.hausarzt.link/PZQ1N
- “Informationen zu HIV für die medizinische Praxis”, BÄK und Deutsche Aidshilfe 2020, www.hausarzt.link/5ZM6S