„Mit einer effektiven Therapie der HIV-Infektion können wir heute die Zerstörung des Immunsystems verhindern, Folgeerkrankungen vermeiden und die Gesundheit der Infizierten erhalten“, sagte Bogner. „Wenn wir alles richtig machen, haben HIVInfizierte heute eine normale Lebenserwartung.“ Zudem kann die Viruslast in den meisten Fällen unter die Nachweisgrenze sinken – die Erkrankung ist dann nicht mehr infektiös. Daher empfiehlt Bogner bei jedwedem Risiko oder Verdacht einen informativen Test. „Wir sollten nicht warten, bis die Infektion weitergegeben wird.
Das gilt auch bei Hepatitis C. Zunächst merken Betroffene oft selbst nichts von der HCV-Infektion, aber es ist wichtig, die Weitergabe des Virus einerseits und die Gewebezerstörung der Leber mit der Folge der Entstehung einer Zirrhose und eines Leberzellkarzinoms zu verhindern. Dank der therapeutischen Entwicklung in den letzten Jahren ist die Infektion inzwischen komplett ausheilbar.
Um die Testrate für beide Infektionen zu erhöhen, ist es wichtig
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Warnzeichen zu erkennen,
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indirekte Hinweise ernst zu nehmen,
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die Anamnese im Hinblick auf Infektionsrisiken zu erheben und
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das Verantwortungsbewusstsein der potenziell Betroffenen für den Partner zu erhöhen.
Wann testen?
Für einen HIV-Test muss heute nach einem Risikokontakt nicht mehr drei Monate gewartet werden, die Tests sind schon sechs Wochen später aussagefähig. „Wenn der Test dann negativ ist, ist die Sache ausgestanden“, sagte Bogner. Ein informativer Test sollte seiner Ansicht nach jedem empfohlen werden, der ein Ansteckungsrisiko hat, also nach jedem Sex mit einem Partner mit unbekanntem Status und auch nach Oralsex. Eine Reihe von Warnzeichen und Symptomen sollten an eine HIV-Infektion denken lassen (Tab. 1).
„Fragen Sie bei Symptomen ähnlich eines Pfeifferschen Drüsenfiebers auch nach einem neuen Partner und animieren Sie gegebenenfalls zum Test“, riet Bogner. Es könne ein akutes retrovirales Syndrom dahinter stecken. B-Symptome könnten auf eine fortgeschrittene Infektion mit beginnenden opportunistischen Infektionen hinweisen.
Auch Laborbefunde können zur Testempfehlung führen, so eine neu aufgetretene Thrombozytopenie bei entsprechenden anamnestischen Hinweisen. Eine Lympho-Monozytose (ein Anteil von 40 bis 50 Prozent von Lymphozyten und Monozyten im Differenzialblutbild) bei insgesamt normalen Leukozytenzahlen deutet ebenso auf einen viralen Infekt hin wie ein erhöhtes Gesamteiweiß im Serum. „Bei einem Serumeiweiß von 9,3 g/dl kommen nur noch zwei Ursachen infrage“, erläuterte Bogner, „ein monoklonales Protein beim Plasmozytom oder die polyklonale Hypergammaglobulinämie bei der HIV-Infektion.“ (siehe Kasten). Meist ist der Immundefekt dann schon so stark, dass die Patienten über Facharzt oder Notaufnahme in die Klinik kommen. Besser wäre natürlich ein früherer Test, um solche schweren Folgeerkrankungen zu vermeiden.
Wen testen?
Die Zahl der HCV-Infizierten wird in Deutschland auf etwa 400.000 geschätzt, von denen aber nur 100.000 auch diagnostiziert sind [1]. Die akute Hepatitis C geht in drei von vier Fällen in eine chronische Hepatitis C über, die für rund ein Viertel aller Leberzirrhosen und Leberkrebserkrankungen verantwortlich ist [2].
Erhöhte Leberwerte sollten immer aufhorchen lassen (vergl. Tab. 2). „Es gibt aber auch Patienten, die haben normale Leberwerte, weisen aber extrahepatische Symptome auf“, erläuterte Bogner. Dazu gehören auch eine chronische Müdigkeit, chronische Schmerzen, beeinträchtigte kognitive Leistungen und depressive Symptome. „Chronisch müde Patienten haben sie bestimmt viele in ihrer Praxis“, sagte Bogner. „Schlagen sie denen ruhig einmal einen Hepatitis-C-Test vor.“ Auch Schilddrüsen-, Nieren- oder Stoffwechselerkrankungen, Gefäßentzündung, Sjögren-Syndrom und lymphoproliferative Erkrankungen können extrahepatische Symptome einer HCV-Infektion sein.
Der Hepatitis-C-Blutschnelltest weist Antikörper gegen HCV nach. Bei positivem Befund erfolgt die Bestätigung in einem RNA-Test, der auch Auskunft über den Genotyp und die Tumorlast gibt. Ein negatives RNATestergebnis weist auf eine ausgeheilte Infektion hin (etwa 25 Prozent der Infizierten). Bei positivem RNA-Test ist die Infektion aktiv – akut oder chronisch, es folgen weitere Untersuchungen und in Abhängigkeit von Genotyp und Viruslast die Behandlung. Aktuell stehen neun direkt aktive Virusmedikamente zur Verfügung, die in Zweierkombinationen angewendet werden. So können inzwischen 97 bis 100 Prozent der HCV-Infektionen geheilt werden – und das in der Regel innerhalb von drei Monaten. „Nur bei Leberzirrhose dauert die Therapie länger“, so Bogner. Er betonte: „Ribavirin und Interferon brauchen wir heute nicht mehr.“
Webtipps
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HIV-Leitlinien der Deutschen AIDS-Gesellschaft www.daignet.de
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HCV-Leitlinie mit Addendum www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/021-012.html
Vortrag: „HIV und Hepatitis C unentdeckt – was können wir tun, um die Testrate zu erhöhen?“. 4. MSD-Forum „Die Hausarztpraxis im Fokus“ in Berlin.
Literatur
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- Cornberg M et al. Liver Int 2011; 31 (Suppl. 2): 30-60
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- RKI (Hrsg). Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 15: Hepatitis C. 2003
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- Leitlinie Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-CVirus( HCV)-Infektion, AWMF-Leitlinien-Register Nr. 021/012 mit Addendum vom 18.02.2015