Gesprächsstil beeinflusst Gewichtsreduktion
Eine Gewichtsreduktion hausärztlich zu unterstützen ist nicht einfach und kann, falsch angegangen, eher Widerstand auslösen. Daher ist diese Studie spannend, die untersucht, inwieweit die Teilnahme und der Erfolg eines Gewichtsreduktionsprogramms vom Gespräch abhängt, in dem die Intervention angeboten wird.
Im Rahmen einer randomisiert kontrollierten Studie wurden in der Interventionsgruppe (insgesamt 940 Personen, durchschnittlich 56 Jahre alt, ungefähr die Hälfte Frauen) 246 solche Gespräche aufgenommen und mit der Konversationsanalyse ausgewertet. Dabei nutzten die Forschenden ein bereits etabliertes Auswertungsverfahren, das “gute Neuigkeiten” versus “schlechte Neuigkeiten” anhand von verbalen und nonverbalen Parametern als Gesprächsstil unterscheidet.
In 62 Gesprächen wurde ein verhaltenstherapeutisches Gewichtsmanagement als “gute Neuigkeit”, als Chance und unterstützende Möglichkeit vermittelt, der Aufwand wurde eher minimiert, die Stimmlage war eher heller und die Gesprächsmelodie fröhlich und relativ schnell.
In 82 Gesprächen vermittelten die Behandelnden “schlechte Neuigkeiten”: Sie benannten das Übergewicht explizit als Problem, das eine Intervention dringend erfordert, und betonten den Aufwand der Gewichtsreduktion; der Tonfall war eher tief und getragen, der Sprachfluss eher zögerlich und langsam. 102 Gespräche wurden als neutral klassifiziert.
Insgesamt sagten 77 Prozent einer Teilnahme zu und 40 Prozent nahmen wirklich teil – in der Gruppe, die das Programm als “gute Neuigkeit” angeboten bekam, sagten 98 Prozent zu und 83 Prozent nahmen teil. Diese Gruppe erreichte durchschnittlich auch einen größeren Gewichtsverlust (4,8 versus 2,9 kg) als die Gesamtgruppe.
Allerdings hatte auch die Gruppe, die das Programm als schlechte Nachricht angeboten bekommen hatte, trotz deutlich geringerer Teilnahme einen vergleichbaren Gewichtsverlust.
Fazit: Die Autorinnen und Autoren empfehlen, ein Behandlungsangebot zur Gewichtsreduktion eher als positive Möglichkeit und Chance zu vermitteln. Ähnlich wie beim Rauchen ist bei einer Mehrheit davon auszugehen, dass sie ihr Verhalten sowieso ändern wollen und von positiv formulierter Unterstützung möglicherweise am ehesten profitieren.
Quelle: Albury C, Webb H, Stokoe E, Ziebland S, Koshiaris C, Lee JJ, Aveyard P. Relationship Between Clinician Language and the Success of Behavioral Weight Loss Interventions : A Mixed-Methods Cohort Study. Ann Intern Med. 2023 Nov;176(11):1437-1447. Epub 2023 Nov 7. PMID: 37931269; doi: 10.7326/M22-2360
Wer kennt sich am besten mit Antibiotika aus?
Im Rahmen der Einführung eines elektronischen Entscheidungsunterstützungssystems (CDSS, computerized decision support system) wurde in Frankreich eine Befragung zur intendierten Antibiotikaverordnung mit Fallvignetten durchgeführt.
Die Fälle beinhalteten zum Beispiel eine Otitis media beim Kleinkind, eine akute Bronchitis und eine Pyelonephritis. Es wurde überprüft, ob die Antworten mit den gültigen französischen Leitlinienempfehlungen übereinstimmen.
Von circa 60.000 Nutzern des Systems nahmen 23 Prozent mit kompletten Antworten teil; die Übereinstimmung mit den Leitlinien betrug im Durchschnitt 77 Prozent. Hausärztinnen und Hausärzte, junge Ärztinnen und Ärzte sowie Ärztinnen und Ärzte, die Studierende betreuen, schnitten am besten ab.
Das Unterstützungstool wird in die Software integriert und kann mit Angabe zum Fall eine konkrete Antibiotikaempfehlung geben, es bietet außerdem Flyer für Betroffene und Eltern und telemedizinischen Kontakt zu Infektiologen. Mehr als die Hälfte der französischen Hausärztinnen und Hausärzten nutzen es.
Fazit: Ob der hohe Anteil an leitliniengerechter Verordnung bei Fallvignetten bedeutet, dass auch im Praxisalltag leitlinienkonform Antibiotika verordnet werden, ist zu hinterfragen. Elektronische Entscheidungsunterstützung zeigt in einem systematischen Review [1] Effekte auf das Verschreibungsverhalten und kann daher möglicherweise helfen, das Wissen auch im praktischen Alltag umzusetzen.
Quelle: Delory T, Maillard A, Tubach F et al (2024). Appropriateness of intended antibiotic prescribing using clinical case vignettes in primary care, and related factors. European Journal of General Practice, 30(1). doi: 10.1080/13814788.2024.2351811
Literatur:
- Curtis CE, Al Bahar F, Marriott JF. The effectiveness of computerised decision support on antibiotic use in hospitals: A systematic review. PLoS One. 2017 Aug 24;12(8):e0183062. PMID: 28837665; PMCID: PMC5570266; doi: 10.1371/journal.pone.0183062
Best of Leitlinien
2 Fragen an Prof. Christoph Heintze, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Charité in Berlin und hausärztlich tätig in Berlin-Lichtenberg. Er ist Mitautor der DEGAM-S3-Leitlinie „Akuter und chronischer Husten“.
Was ist Ihre Lieblingsleitlinie?
Die Leitlinie “Schutz vor Über- und Unterversorgung” greift für mich Themen auf, die für meine hausärztliche Sprechstunde relevant sind. Gerade in Hinblick auf die Anwendung diagnostischer Tests oder die Sinnhaftigkeit therapeutischer Maßnahmen werden wir oftmals mit Informationen überhäuft, manchmal auch nur aus Sicht der hochspezialisierten Medizin.