Viele Millionen Euro werden jedes Jahr für einzelne klinische Studien ausgegeben. Die Kommunikation der Ergebnisse dieser Studien an versorgende Ärzte und Betroffene bleibt dabei häufig auf der Strecke.
Um Erkenntnisse aus der klinischen Forschung in die hausärztliche Tätigkeit zu integrieren, stellt die neue Serie “EbM” für Hausärzte relevante Reviews aus der Allgemeinmedizin vor. Dabei soll ein Eindruck vermittelt werden, wie gut die einzelnen Erkenntnisse untersucht und belegt sind.
Im 21. Jahrhundert werden wichtige Entscheidungen nicht mehr auf Grundlage von Vertrauen in Autoritäten getroffen. Die Grundlage dafür ist heute Evidenz und eine öffentliche Diskussion. In diesem ersten Teil der Serie werden daher zunächst wichtige Grundbegriffe der Evidenz-basierten Medizin erklärt.
Evidenz-basierte Medizin
Die Evidenz-basierte Medizin (EbM) hat zum Ziel, Behandlungsentscheidungen für den einzelnen Patienten auf der Basis der individuellen Erfahrung des Arztes unter Berücksichtigung der besten verfügbaren Evidenz in Abwägung der Wünsche und Vorstellungen des Betroffenen zu treffen [1].
Jährlich werden mehr als 20.000 kontrollierte Studien publiziert. Damit ist es für den praktisch tätigen Arzt schwierig, die Relevanz der aktuellen Studienergebnisse für seine Patienten systematisch zu erfassen. Patienten und Ärzte sollten jedoch aktuelle Informationen aus Studienergebnissen kritisch beurteilen können, um wichtige Entscheidungen informiert und gemeinsam zu treffen.
Eine gute Grundlage, um dieser Herausforderung zu begegnen, ist Evidenz aus systematischen Reviews. Systematische Reviews von randomisierten kontrollierten Studien (RCT) werden als hochrangigste Evidenzquelle angesehen und sind zentrale Bausteine der EbM. Dabei kann die Metaanalyse als statistisches Verfahren eingesetzt werden, um die Ergebnisse einzelner Studien zur selben Fragestellung zusammenzufassen.
Kritische Beurteilung von Studien
In der Literatur werden zahlreiche Möglichkeiten beschrieben, um Fehlerquellen in Studien zu identifizieren. Zwei elementare Begriffe tauchen in diesem Zusammenhang immer wieder auf: Bias und Confounding.
Bei der Auseinandersetzung mit Kontrollmöglichkeiten von Fehlerquellen in epidemiologischen Studien erweist sich der Fokus auf randomisierte kontrollierte Studien als zuverlässige Evidenzquelle.
Was ist ein Bias?
Bias sind systematische Fehler in einer Studie und es ist ein anderer Begriff für systematische Verzerrung.
Bias kann die Art und Weise der Auswahl von Studienteilnehmern betreffen oder die der vorgenommenen Messungen. Der sogenannte Information Bias betrifft die Fehler bei der Datenerhebung. Bei Umfragen können sich Studienteilnehmer nicht immer zuverlässig an Details zu ihren Lebensgewohnheiten oder Expositionen mit speziellen Einflüssen erinnern.
So erscheint es fraglich, ob Mütter von gesunden Neugeborenen Expositionen genau so gut wiedergeben können wie Mütter von Kindern mit einem Defekt? Erkrankte denken häufig mehr über krankmachende Faktoren nach und können sich besser an diese erinnern. So entstehen Verzerrungen bei der Erforschung von Zusammenhängen zwischen Exposition und Erkrankung.
Ein sogenannter Selection Bias liegt vor, wenn Teilnehmer an einer Studie vorselektiert sind. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn nur besonders gesundheitsbewusste Menschen an einer Studie teilnehmen. Der Erkenntnisgewinn aus dieser Studie wäre dann verzerrt und würde dann tendenziell nur das Verhalten besonders gesundheitsbewusster Menschen widerspiegeln.
Eine Randomisierung gewährleistet, dass Gruppen innerhalb einer Studie miteinander vergleichbar bleiben [2].
Was ist Confoundig?
Um Confounder (Störgrößen) in einer epidemiologischen Studie ausfindig zu machen, ist klinische Expertise gefragt. Confounding ist die Vermischung von Effekten – der Effekt einer Exposition wird mit dem Effekt einer anderen Variablen vermischt.
Ein klassisches Beispiel, um Confounding zu veranschaulichen, ist der Zusammenhang zwischen Geburtsfolge und dem Auftreten des Down-Syndroms. Je später in der Geschwisterreihe ein Kind geboren wird, desto höher ist sein Risiko für ein Down-Syndrom.
Man könnte daraus einen Zusammenhang zwischen der Geburtsfolge und dem Auftreten von einem Down-Syndrom vermuten. Der beobachtete Effekt ist jedoch ein Konglomerat aus Einflüssen, den die Geburtsfolge mit sich bringt. Einer dieser Effekte ist uns bekannt: das Alter der Mutter. Die Geburtenfolge und das Alter der Mutter korrelieren stark miteinander – Mütter, die ihr fünftes Kind auf die Welt bringen, sind älter als Mütter bei ihrem ersten Kind.
Der Vergleich zwischen Erstgeborenen und Letztgeborenen ist in einem gewissen Sinn ein Vergleich zwischen Kindern jüngerer Mütter und Kindern älterer Mütter. Es hat eine Vermischung von den beiden Effekten, dem Alter der Mutter und der Geburtenfolge, stattgefunden. Diese Vermischung von Effekten nennt man Confounding.
Auch Confounding kann durch Randomisierung kontrolliert werden [2].
Fazit
Im medizinischen Alltag treffen Ärzte Entscheidungen aufgrund unterschiedlichster Einflüsse. Sowohl die Erfahrung, als auch der aktuelle wissenschaftliche Standard, der Patientenwunsch, ökonomische Aspekte sowie Überzeugungen und Emotionen können eine Therapieentscheidung beeinflussen.
Nicht alle Faktoren kann man mit Systematischen Reviews erfassen – und die ärztliche Kunst beginnt dort, wo Metaanalysen aufhören. Dennoch sollten wir Erkenntnisse, an die wir uns mit Hilfe der Naturwissenschaften und der Statistik so präzise wie möglich annähern können, in unsere Arbeit am Patienten integrieren.
Cochrane-Evidenz
Die Cochrane-Collaboration [3] erstellt Systematische Reviews zu medizinischen Fragestellungen, um klinische und informierte Entscheidungen zu ermöglichen, die einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben. So fasst die Cochrane-Collaboration Erkenntnisse aus mehreren randomisierten klinischen Studien in einem Systematischen Review zusammen.
Die Artikelserie “Cochrane-Evidenz zur Allgemeinmedizin” beginnt mit dem ersten Beitrag in Der Hausarzt 18 mit der Vorstellung von systematischen Reviews der Cochrane-Collaboration und der Cochrane-Evidenz zur Gesundheit von Flüchtlingen.
Literatur:
- www.cochrane.de/de/news/manual-bewertung-des-biasrisikos-risiko-systematischer-fehler-klinischen-studien-ein-manual-f%C3%BCr
- Epidemiology. Kenneth J. Rothman.Oxford University Press 2002.
- www.cochrane.de/de/willkommen-auf-unseren-webseiten
Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert